37. Kapitel

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Habt ihr euch je einst darüber Gedanken gemacht, wer euch aus der Fassung bringen würde? Jemand, der deine Sorgen so auslöschen kann, woraufhin du folglich nur noch an diese Person denkst? Und vor allem, anfängst, dieser Person Vertrauen gegenüber zu bringen?
In diesem Moment, als Sinan nur einige Centimeter von mir entfernt war und intensiv in meine Augen schaute, vergaß ich die Außenwelt um mich herum. Und ich fühlte genau das Gefühl, welches ich gerade geschildert hatte. Es war unbeschreiblich ihm so nah zu sein; doch ich wusste, es war falsch. Ich durfte ihm nicht zu nah kommen, ich durfte ihn weder anstarren noch berühren. Doch was hätte mich zu diesem Zeitpunkt stoppen können? Er nahm mir wie jedes Mal, meine Sorgen weg und ich machte ihn zu meinem eigentlichen Problem, doch ich durfte es nicht. Darf ich wirklich einem - ich betone - Player, so intensiv in die Augen starren?? Ist es nicht ein großer Fehler??

In dem Moment, als wir uns schon zu nah waren, gab mir mein Verstand ein Zeichen und ich fing an, zu husten. ,,Nicht", flüsterte Sinan und ich schaute ihn, nun etwas entfernter an. Verwirrt achtete ich auf jede einzelne Bewegung von ihm und wie er mir erneut näher kam. Eine Hand von ihm legte sich auf meinen Kopf und er näherte seinen Mund an die Stelle, bis er seine Lippen auf meinem Haaransatz legte. ,,Ich wäre ein Arschloch, wenn ich dich jetzt geküsst hätte", flüsterte er dann und setzte sich wieder einige Centimeter weiter entfernt von mir hin, während ich auf alle Bewegungen von ihm achtete. Die Stelle auf meinem Kopf pochte dermaßen, mein Herzschlag war kaum zu überhören und ich sah wahrscheinlich zu diesem Zeitpunkt einfach nur mehr als schrecklich aus, da meine Wangen ebenfalls vor Scham glühten.
,,Okay, das ist komisch.", ertönte wie aus dem Nichts plötzlich die Stimme von Sevket und ich zuckte aus Schreck auf, schauend nach hinten, um Sevket ins Gesicht zu schauen. ,,WAS?", fragte Sinan nach und rollte die Augen, während ich immer noch damit kämpfte, meinen Atem in Kontrolle zu bringen. ,,Naja, ich hab gelauscht", sprach er grinsend und biss in eine Banane rein. Ich zog meine Augenbrauen hoch und stand auf. ,,Ich geh nach oben.", sagte ich schließend, ohne einen von den Brüdern noch einen Blick zu würdigen, und bewegte mich mit schnellen Schritten zu der Treppe, um in die zweite Etage zu gelangen. ,,Teyze?", fragte ich etwas lauter, als ich im Flur der oberen Etage stand, da ich nicht wusste wo sie war.
Damit ich das Geschehen von gerade eben so schnell wie möglich vergessen konnte, um mich auf das Wichtige zu konzentrieren, was ich eigentlich vorhatte, suchte ich sie, doch meine Augen fanden sie nicht.
Genervt ging ich dann nun mit langsamen und kleinen Schritten in Richtung mein Zimmer und ungewollt, kam mir das Ereignis mit Sinan vor ein paar Minuten wieder in den Sinn. Ich darf nicht so über ihn denken, ich darf es einfach nicht., ermutigte ich mich selbst und atmete tief durch, als ich in mein Zimmer gelang und nach meinem Handy griff, um meine Tante direkt anzurufen.

,,Hey Teyze, wo bist du?", fragte ich sie.
,,Ich bin mit Ayla kurz etwas einkaufen gegangen. Ist alles in Ordnung?"
,,Ja, ja, ich wollte nur wissen, wo ihr seid."
,,Wir sind in zehn Minuten da, Canim.", sprach Teyze, und ich hörte ihr Lächeln heraus.
,,Tamam", sagte ich lächelnd, ,,Ich habe eine Frage.", fing ich an, und atmete durch.
,,Ja?"
,,Wo ist der Schlüssel zu meinem alten Haus, naja, ob man es überhaupt mein Haus nennen kann", fragte ich stotternd und sie legte kurz eine Sprechpause ein.
,,Ehm, wieso denn?"
,,Ich möchte da kurz hin, ich möchte nur etwas wissen, Teyze. Es ist ziemlich wichtig. Und bevor du fragst, ja ich bin bereit, da wieder hinzugehen." Ich biss mir auf die Zunge und schloss die Augen. BITTE!
,,Ariana, ich vertraue dir. Aber ich habe nur Angst um dich. Schaffst du das wirklich?
,,Ja, ich verspreche es."
,,Nagut, ruf mich an, wenn du es geschafft hast, tamam? Ich weiß wie schwer es ist. Und du fragtest nach dem Schlüssel - denk nach - wo hast du als Kind immer am meisten Zeit verbracht? Da ist er." Bevor ich noch etwas anderes sagen konnte, legte sie einfach auf und ich starrte mein Handy an. Das ist doch nicht ihr Ernst? Wo war ich als Kind am liebsten? Im Spielplatz? Im Kindergarten? Im Schwimmbad? Aber da kann der Schlüssel doch unmöglich sein. Weiter durchsuchte ich meine Erinnerungen, doch wie, wenn fast die Hälfte meines Gedächtnisses fehlt, weil ich den Autounfall vor sieben Jahren hatte?
Es muss mit dem Haus zu tun haben. Vielleicht im Garten. IM GARTEN! Da ist mein altes Baumhaus. Da muss es sein, und ich fing an, zu lächeln. Schnell packte ich mein Handy in die Hosentasche und schlenderte nach unten, um mir meine Jacke zu holen. Im Wohnzimmer lagen die zwei Augenpaare von Sinan und Sevket auf mir, die mich beobachteten, wie ich meine Jacke anzog. ,,Wo willst du denn hin?", fragte Sinan und stand auf, um mich gegenüber mir aufzustellen. ,,Etwas herausfinden", murmelte ich und versuchte mich an ihm vorbeizudrängeln, doch unmöglich, er hielt mich fest und drehte mich wieder zu ihn. ,,Wenn du ein Kleid kaufen willst, komme ich mit.", murmelte er und ich zog unverständlich meine Augenbrauen zusammen. ,,Wieso sollte ich ein Kleid kaufen wollen?"
,,Weil wir morgen bei der Familie Özcan auf dem Ball eingeladen sind?", sagte er mit einem skeptischen Blick und mein Gesicht wandelte sich zu einem erschreckten. ,,Scheiße!", fluchte ich und verschränkte meine Arme. ,,Ich habe es total vergessen. Aber ich habe noch genügend im Schrank", murmelte ich gelassen und versank kurz in Gedanken, als es plötzlich an der Tür klingelte und ich aus dem Fenster schaute. Es war dunkel geworden. ,,Ich mach auf.", murmelte Sinan und verschwand zur Tür. ,,Jetzt werden die mich nicht mehr rauslassen", fluchte ich erneut flüsternd und verdrehte die Augen. Da es sowieso nichts bringen würde, musste ich meine Geduld aushalten, und es verschieben. ,,Ufffffff", murmelt ich wütend und setzte mich auf die Couch. Teyze kam hinein und begrüßte uns, doch ich war nur in Gedanken versunken. Erstmal deswegen, dass ich wegen irgendeinem Grund dringend zu meinem alten Haus wollte und zweitens, dass ich den Gedanken an Sinan zu vermeiden versuchte, da er mich verrückt gemacht hatte. Wie eine Gestörte kaute ich auf meiner Unterlippe herum und versuchte den Blicken von Sinan im Wohnzimmer zu ignorieren, da er mich beobachtete. Alle der Personen im Wohnzimmer sprachen durcheinander und es wollte nicht aufhören, mein Kopf drohte zu platzen, doch als Ayla meinen Namen rief schüttelte ich den Kopf und kam wieder zur Realität zurück. ,,Ja meine Süße?", fragte ich und schaute zu ihr. ,,Ich habe Gute Nacht gesagt.", murmelte sie traurig und mein Herz fing bei diesem Anblick an, zu schmerzen. ,,Ich habe dich nicht gehört, tut mir Leid, komm her", sprach ich gezwungen lächelnd, nahm sie in meine Arme und sprach ihr etwas Aufmunterndes ins Ohr, damit sie anfing, zu lachen. ,,Gute Nacht."
Als Teyze und Ayla daraufhin in ihren Zimmern verschwanden, beschloss ich ebenfalls aufzustehen. ,,Also, ich gehe dann auch mal. Ihr wisst schon, Uni, dann Ball und so weiter." Verständnisvoll nickten sie und wünschten mir eine Gute Nacht, ehe ich erneut in mein Zimmer wanderte und voller Gedanken in meinem Kopf, einschlief.

Schicksal führt zusammenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt