51. Kapitel

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Gedankenlosigkeit.

Mit langsamen Schritten folgte ich dem grauen, jedoch auch kalten Flur der Universität, ohne auch nur den Kopf zu heben. Meine Füße, die in weißen Chucks verweilten, fingen nun auch an, größere Schritte zu wagen.

Ich achtete nicht auf die Welt, die sich um mich herum befand. Ich wollte es nicht. Das Einzige, worauf ich achtete, waren meine Gedanken - ich muss zur nächsten Vorlesung. Mit einem schwachen, ironischen Lächeln auf meinen Lippen, ging ich zielsicher, auch wenn es vielleicht von außen nicht so aussah. Ich bin nicht so, wie andere denken, wie ich bin.

Der Flur schien mir endlos - kein einziger Mensch befand sich dort, nur ich war hier. Alleine. Alleine, umzingelt von dem leeren Nichts.
Meine Tasche wurde, je mehr Schritte ich machte, schwerer und schwerer. Vielleicht kam es mir auch nur so vor - ich weiß es nicht. Meine Gedanken waren das erste Mal seit Langem frei. Ich dachte an nichts, und damit meinte ich auch nichts - mein Gehirn bestand aus einem schwarzen Bild.

Meine Schritte wurden umso größer, als ich auf die Uhr schaute und merkte, dass es schon viel zu spät war.
Gleich werde ich alle wieder sehen, war mein einziger Gedanke, und je näher ich zum Saal gelangte, umso mehr stieg die Nervosität in meinem Körper.

Ich weiß nicht wieso, aber ich bin einfach immer aufgeregt, wenn ich zu spät komme. Oder war es der Grund, dass er nicht mehr mit mir in einem Saal sitzen wird?

Ich atmete durch, als ich letztendlich vor der großen Eingangstür stand, und zupfte das letzte Mal meine Klamotten zu Recht. Langsam hob ich meine Hand und klopfte daraufhin an der aus Stahl bestehenden Tür.

Ich hörte, wie kurz die Stille drin herrschte, und der Professor genervt »Herein!« schrie. Nervös schloss ich kurz die Augen und betrat daraufhin den Saal.
Alle einzelnen Augenpaare waren kurze Zeit auf mich gerichtet. Wie ich es hasse, im Mittelpunkt zu sein. Als sie mich bemerkten, senkten die wieder den Kopf zu ihren Büchern und ich entschuldigte mich bei unserem Professor.

»Das wird nicht noch einmal passieren, Frau Yildiz.«, warnte der Professor und ich nickte heftig.
Rasch setzte ich mich auf einen Platz neben Ebru, und atmete erleichtert aus.
Geschafft.

»Wieso bist du so spät?«, fragte sie mich flüsternd, und schaute mich von der Seite an. Ich zuckte mit meinen Augen, und schlug schwach lächelnd, die Beine übereinander. »Verschlafen«, murmelte ich, und kramte meine Bücher aus meiner Tasche.
»Ariana, du darfst nicht so sehr an ihn denken.«, forderte Ebru, und mein Gesicht drehte sich augenblicklich zu ihrem. Ohne jegliche Emotion schaute ich in ihre dunkelbraunen Augen, in dem sich meine Lippen zu einer Linie bildeten.

»Könntest du nicht mehr an Emre denken? Einfach so nicht mehr?!«, flüsterte ich nun etwas lauter, so dass ein paar Sitznachbarn kurz zu uns herüber schauten. Ebru guckte mich kurz geschockt an, und nickte. Emre war ihr Freund, ich merkte, wie sehr sie ihn liebt, ja. Doch genau die sollte mich am meisten verstehen - ich hoffe sie tut es. Sie flüsterte ein »Es tut mir Leid« zu, und schrieb etwas auf einen Zettel.

Ja, genau. Ich konnte nicht aufhören, an einen Mörder zu denken. Nicht nur an einen Mörder - dieser Mörder brachte meine Eltern um. Und diesen Mörder, ja ich liebe ihn. Ich liebe den Mörder meiner Eltern! Ich kann es einfach nicht fassen.

Dieser Mann, er hat mein Leben zerstört, tat so, als wäre alles in Ordnung - doch genau er, hat mir das wichtigste in meinem Leben weggenommen. Das, was ich am meisten liebte. Das schlimmste ist, dass ich ihm vertraut habe. Ich habe ihm mein Vertrauen geschenkt, ich habe ihm meine Liebe gezeigt.

Einem Mörder.

-Flashback Anfang-

»Du lügst!«, schrie ich Sevket an, und hielt mir die Hände an die Ohren. Ich schloss ungewollt die Augen, nur um nicht die Worte aus seinem Mund zu hören. Ich wollte es nicht wahrhaben.
Aus Reflex ging ich einige Schritte durch das Zimmer, und bemerkte auch nicht, dass bereits jemand anderes im Zimmer war.
Jede Sekunde kamen Sätze aus dem Mund von Sevket, wie zum Beispiel: »Er war es!«, »Mein Bruder hat deine Eltern umgebracht!« oder »Du liebst den Mörder deiner Eltern, Ariana!«

Schicksal führt zusammenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt