30. Kapitel

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,,Ehrlich gesagt, weiß ich nicht was ich sagen soll..", fing er an, ,,doch ich kann es in einem Satz zusammenfassen: Du und ich, beziehungsweise meine Eltern und deine, waren eng miteinander befreundet. Wir waren sogar Nachbarn, unsere Familien kannten sich damals auswendig. Ich geh oft noch zu unseren alten Häusern, die am Stadtrand sind, sie stehen ja leer." Ich weiß nicht, ob es an der Kälte oder an meiner Nervosität lag, doch ich zitterte am ganzen Körper. Die kalte, frische Luft durchzog in mir eine Gänsehaut und ließ meine Adern ebenfalls einfrieren. Ich schaute ihn nicht an, ich schaute an ihm vorbei, wo eine kleine Menge Schnee lag. Keine einzige Sekunde verschwendete ich meine Gedanken an Sinan zu richten, nein, Kaan war es, der mich gerade durcheinander brachte und mich sprachlos da stehen ließ.

,,Du fragst dich bestimmt jetzt: Wieso kenne ich ihn dann nicht?" Als er diese Frage mit zittriger Stimme stellte, bewegte sich mein Kopf wie von allein, zu sein Gesicht und ich betrachtete sein makelloses Gesicht. Mutig nickte ich ihm zu, und er nickte ebenfalls. Kurz atmete er durch und ich wusste schon, was er mir erzählen würde, doch glauben konnte ich es einfach nicht.

,,Du kannst dich an das Ereignis vor sieben Jahren erinnern oder?" Wiederholt nickte ich, und merkte wie meine Luft in meinen Lungen verringert wurde.

Es war der 3.11.2007, der eigentlich der schlimmster Tag in meinem Leben war, nach dem Tod meiner Eltern.

Mein Alter umfasste damals 13 oder 14 Jahre, ich war ein Spielkind, nicht wie die heutigen Jugendlichen. Ich ging gerne nach draußen, besaß kein Handy, spielte mit meinen Freunden draußen, bis es dunkel wurde.

Bis etwas an dem Tag passierte, der jegliches in meinem Leben veränderte.

,,Laut den Erzählungen meiner Mutter", fing ich an und atmete tief durch, ,,war es ein Nachmittag, ich spielte mit einer Freundin und da wir sehr, sehr verspielt waren, sind wir zu weit gerannt. Wir haben Verstecken gespielt. Jedenfalls, wir kamen zu einer Straße, haben sie voller Lachen nicht bemerkt und auch nicht, dass ein Auto zu schnell fuhr, und voller Wucht gegen uns knallte..", ich schluckte den Klos der sich in meinem Hals befand, schwer runter und drehte mich kurz um, um meine Tränen nicht zu zeigen. Es war schwer, so etwas zu erzählen, vor Allem weißt du nichts mehr, ich hatte eine starke Gehirnerschütterung, lag mehrere Wochen lebensgefährlich im Koma, doch vergessen, das tat ich nicht, sowie es meine Familie zumindestens erzählt hatte.

Ich hörte Kaan nichts mehr sagen, und aus Angst, er ist gegangen, drehte ich mich blitzschnell um und entdeckte ihn sprachlos und emotionslos vor mir. Du hast gerade einem gestörten, fremden Jungen eine verletzende Situation aus deinem Leben erzählt, und anvertraut.

Gekränkt hielt ich jeweils zwei Finger, Zeige- und Mittelfinger, an meine Schläfe und massierte die Schmerzen, die sich langsam bildeten. Ich kniff kurz meine Augen zusammen, um nicht in das verzweifelte Gesicht von Kaan zu blicken, doch als ich seine zittrige Stimme wiederholt hörte, öffneten sie sich wie von allein. ,,Wieso lügen sie? Wieso tun sie mir das an?! Wieso, wieso, wieso ist mein Leben ein einziger Schicksalsschlag, wo ich nur verletzt werde?!", rief er aufgebracht und konnte es nicht mehr fassen. ,,Lüge?", fragte ich zittrig nach und merkte, wie meine Stimme nachließ und ich meinen Verstand vollständig ignorierte.

,,Ja, ich war es, der damals mit dir gespielt hat, ich war es, der rücksichtslos nicht besser aufgepasst hat, als das Auto kam, ich war es, der Tage lang heimlich an deinem Bett saß, als du im Koma warst, weil meine Familie und ich kurz darauf umgezogen sind, in die Türkei. Ich war es, der dich überalles geliebt hat, aber wie soll ich meine Gefühle unterdrücken, wenn du dich aufgrund deiner Gehirnerschütterung, ausgerechnet nicht mal mehr an mich erinnern kannst?!?!" Er kam einige Centimeter näher, sein Gesicht war innerlich schmerzhaft verzerrt. Seine großen Hände wanderten zu meinen Oberarmen, und als er diese berührte, fühlte ich eine Art Stromschlag in mir. Ich hatte immer noch Angst vor ihm. Doch es war ein unbeschreibliches Gefühl darüber nachzudenken, ob es stimmt, was er mir erzählte. Fragen über Fragen häuften sich in meinem Gehirn, und das erste Mal in meinem Leben fühlte ich mich von meiner Familie missachtet, angelogen. Wenn das stimmt, dann verstehe ich die Welt nicht mehr., flüsterte mir mein Verstand zu, woraufhin sich eine wiederholte Gänsehaut auf meiner Haut bildete.

Schicksal führt zusammenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt