24. Kapitel

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((Und nun saßen wir am See, die Beine im Wasser, und still hörten wir den Vögeln und dem Rauschen des Wassers zu, bis er anfing zu erzählen.))

Von seiner Vergangenheit, von seinem Leben, seinen Fehlern.

,,Ariana, ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie ich anfangen soll", fing er an, ,,doch eins weiß ich, ich möchte unbedingt dein Vertrauen gewinnen." Ich schaute ihn von der Seite an und musterte ihn gespannt. Er warf mir einen kurzen Blick zu und ich nickte. ,,Ich bin in Türkei geboren und habe dort meine Kindheit auch verbracht. Als ich circa 8 Jahre alt geworden bin, haben meine Eltern entschlossen, nach Deutschland auszuwandern um hier unser Glück auszuprobieren. Ein halbes Jahr später ist meine kleine Schwester geboren, mein Ein und Alles, und nun hatte ich zwei kleine Geschwister. Einen Bruder, der jetzt 17 ist, und sie.", er war für einen Moment still, schaute auf seine Füße und sein Gesicht spannte sich an. Es sah so aus, als würde er sich anstrengen, nicht seine Gefühle zu zeigen. Seine Hände ballten sich zu Fäusten, und die Schweißtropfen an seiner Stirn vermehrten sich. Ich beobachtete ihn neugierig, und wusste nicht, wie ich zunächst handeln sollte. Bis ich diese unangenehme Stimmung nicht mehr aushielt: ,,Sinan, wenn du vielleicht, ich weiß nicht wieso, aber nicht bereit bist, musst du nicht-" Er drehte sich zu mir und unterbrach mich beim Sprechen indem er einen Finger an meine Lippen legte. ,,Ist schon gut." Selbst diese Berührung an meinen Lippen bereiteten mir Gänsehaut.
Starr' ihm nicht so tief in die Augen!, mahnte mich mein Verstand und peinlich berührt schaute ich auf das Rauschen des Wassers.

,,Sie war so süß, mein Leben, mein ein und Alles. Meine erste grosse Liebe." Mein Herz drohte zu schmelzen, er liebte seine Schwester so sehr, dass es auch mich mitten ins Herz traf. Doch wieso erzählt er so von ihr?? ,,Jedenfalls, waren wir alle eine glückliche Familie. Ich ging auf's Gymnasium, und hatte meine Zukunft vor den Augen, ich wusste genau, was ich tun werde. Bis jedoch dieser eine Schicksalsschlag in meinem Leben auftauchte und sich alles um 180° drehte. Ich fing an falsche Sachen zu tun. Trank Alkohol, nahm Drogen." Ich sah wie ihm plötzlich eine Träne aus seinem Auge entfloss und ich erstarrte. Er weinte schon wieder vor mir. Wegen des Spiegeln des Wassers glänzten die Tränen auf seinen Wangen und ich rückte aus Reflex näher an ihn und drückte meine Hand gegen seine. Augenblicklich schaute er zu mir, in meine Augen und lächelte gezwungen. Ich erwiderte es und sagte: ,,Wenn du nicht bereit bist.." - "Ich will, Ariana." Ich nickte langsam und wir schauten uns immer noch in die Augen. Mein Atem wurde schneller, weshalb ich schließlich wieder auf den See starrte und meine Hand von seiner wegzog. ,,Mein Bruder Sevket war an diesem Tag zu Hause. Meine Eltern waren wie immer in ihrem Büro, sie sind Anwälte. Kurz ließ ich meine Schwester, sie hieß Ela", er schluckte als er ihren Namen sagte, ,,bei ihm zu Hause, da sie unbedingt wollte, dass ich ihr Cornflakes kaufe. Ich habe ihr immer jeden Wunsch von ihren Augen abgelesen, ich habe alles für sie getan, nur um ihr schönes Lächeln noch einmal zu sehen. Ich bin also losgegangen, habe es gekauft und bin nach circa 20 min. wieder in die Wohnung gegangen, doch was ich auffand war nur ein aufgebrachter, weinender Sevket.", er wischte sich seine Tränen weg und ich wusste nicht, wie ich handeln sollte. Warum erzählt er mir denn sowas?? Wieso macht er sich selber traurig?? Man sagt, wenn man immer wieder seine Wunden öffnet, wird man nie das vergessen, was dich fertig gemacht hat. ,,Sinan.." Er schüttelte den Kopf. ,,Ich fragte ihn was los sei. Er konnte nicht reden und sah auch, dass er verletzt war. Ich sah Ela nicht und schrie und fragte ihn, was passiert wäre. Die Wohnung war durchgewüstet. Er sagte, dass vier Männer und zwei Frauen dort waren, und Ela mitgenommen haben. Ich habe ihn vor Verzweiflung angeschrien und beschuldigt, warum er sich nicht gewehrt hatte, doch er sagte mir, wenn er es getan hätte, hätten sie sie vor seinen Augen qualvoll umgebracht..." Mein Atem stockte und meine Tränen fingen an, zu fliessen. Er hatte ein ähnliches Schicksal wie ich, und deswegen fing auch ich an, innig zu weinen und konnte nicht aufhören. Er beachtete mich nicht und schaute emotionslos auf den See, als würde er nachdenken. ,,Ich bin so ausgerastet, dass ich vor lauter Angst und Trauer zwei Wochen lang nur draußen war, sie überall in jeder Ecke gesucht habe. Die Polizei habe ich auch eingeschaltet, doch diese Bastarde finden einfach nichts. Jeden Tag habe ich geweint und habe mir Schuldgefühle gemacht, da einen Monat später ein Brief zu uns geschickt wurde, in dem stand, dass sie tot ist.." Ich konnte nicht mehr. Ich zitterte am ganzen Körper. Nicht nur weil ich Mitleid mit ihm hatte, nein, denn ich wusste ganz genau wie er sich in diesem Moment fühlt, da ich es selber erlebt habe, bei meinen Eltern. Plötzlich spielte sich die Situation als meine Eltern getötet worden waren wieder vor meinen Augen ab und mein Weinen wurde lauter und inniger. ,,Ariana." Ich hörte nicht auf ihn und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Er atmete sehr schwer und als er bemerkte dass ich zitterte, schlang er seine Arme um mich und vergrub sein Gesicht in meiner Schulter. ,,Wein nicht, bitte.", sprach er und flüsterte mir tröstende Worte zu. Ich war auf keinem Fall bereit dazu, etwas zu sagen, unter meinen ganzen Tränen. ,,Warum weinst du?", fragte er mich plötzlich, ich löste mich aus seiner Umarmung und schaute ihn, soweit es mit meinen Tränen in den Augen möglich war, an. Ich sammelte mich und wischte mir eigene Tränen von meinen Wangen weg. Ich weiss nicht, woher ich diesen Mut hatte, beziehungsweise warum ich mich traute, mal wieder vor ihm zu weinen. Ist es ein Zeichen von Vertrauen zu ihm?? Ich bin mir so unsicher.. ,,Ich weiss genau, wie du dich fühlst, Sinan." Er schaute mich augenbohrend an, und ich zitterte immer noch. ,,De-eine E-eltern sind auch um-ge-ebracht worden?" Ich fiel in eine Art Trance. Es ist schon schlimm, und traumahaft ein Geschwisterteil zu verlieren, aber die Eltern, die eigenen Eltern, die dich das ganze Leben aufgezogen haben und sich um dich gesorgt haben, zu verlieren, ist genauso schlimm ....

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