Kapitel 36

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Tila Efi beobachtete Obi-Wan mit gutem Pokerface, während Newo eindeutig neugierig auf seinem Stuhl saß und ihn ansah. Obi-Wan hatte das Gefühl, dass der Leibwächter nur zu gerne das Reden beginnen würde, es aber Tila überlassen wollte. Doch Obi-Wan bemerkte seine Ungeduld nur zu genau, denn Newo knetete mit dem rechten Daumen die linke Handfläche. Als Tila das Wort ergriff, konzentrierte er sich erneut auf die ältere Dame. „Obi-Wan, ich weiß nicht, inwieweit die anderen Jedi dich informiert haben, aber es gibt etwas, dass du wissen solltest. Ich bin..." – „Du bist meine Mutter.", unterbrach Obi-Wan sie ungeduldig. Er hatte es geahnt und wollte nun endlich Gewissheit über seine Gefühle und Vermutungen haben. Tila nickte und stand auf, um ihn zu umarmen. Obi-Wan ließ sie gewähren und legte sogar seinerseits eine Hand auf ihren Rücken. Er fühlte sich sehr seltsam dabei. Einerseits fühlte er eine Verbindung mit dieser Frau, andererseits war sie eine Fremde, zu der er keinerlei Bezug hatte. Das Gefühl der Verbundenheit musste instinktgesteuert sein, ein Mechanismus, der ihn seine Mutter erkennen lassen würde.


Aber seine richtige Mutter? Diese Rolle hatte niemand inne. Oder jede Jedi im Tempel. Jocasta Nu, die ihn häufig schalt, wenn er wieder einmal zu laut mit Gaaren Muln durch das Archiv eilte. Adi Gallia, die ihm auf simulierten Trainingsmissionen Ratschläge gab. Tahl, die ihn mit Schalk und Witz aufzog, aber immer wieder zum Weitermachen ermutigte. Er hatte im Tempel auch viele Väter, doch keiner war so sehr Bezugsperson für ihn wie Qui-Gon.


Endlich löste sich Tila von ihm und rückte ein wenig weg, damit Newo nähertreten konnte. Dieser druckste ein wenig herum und von seiner sonstigen Unnahbarkeit war nichts mehr vorhanden. „Also, Tila hier ist deine Mutter und sie hat nicht nur einen Sohn, weißt du. Owen und Obi-Wan heißen ihre Söhne. Ähm...also es ist so, ich bin auch ihr Sohn. Ich heiße eigentlich Owen und ich bin dann quasi dein Bruder. Dein älterer, großer Bruder. Verstehst du?"


Obi-Wan fand die Unsicherheit seines Gegenübers etwas amüsant, versuchte jedoch gleichzeitig die Information aufzunehmen. Seine Mutter und Bruder auf einem Planeten. Heimlich versuchte der junge Jedi, Ähnlichkeiten zwischen ihnen drei auszumachen. Er blickte in Tilas Augen und sah seine eigenen, Owen hingegen hatte Augen, die etwas kleiner waren und leicht ins Grüne übergingen. Dafür hatte Owen genauso dicht beieinanderstehende Augen und in den Haaren seines Bruders entdeckte Obi-Wan den gleichen Wirbel, den seine Haare auch zeigten, wenn er sie länger wachsen ließ. Owen machte einen zaghaften Schritt auf den Jedi zu und streckte die Hand nach ihm aus. Obi-Wan streckte Owen ebenfalls unsicher die Hand hin, ohne sie zu berühren, doch plötzlich zog sein Bruder forsch an seiner Hand und Obi-Wan stolperte gegen ihn und so wurde aus dem ganzen eine unbeholfene Umarmung. Verlegen löste sich Obi-Wan von seinem Bruder und setzte sich wieder aufs Bett, ließ sich aber zu einem blöden Kommentar hinreißen. „Owen, ja? Nicht Newo? Wie bist du denn auf diese schwache Idee gekommen?" Owen kratzte sich verlegen am Kopf und murmelte irgendetwas von „Kriminellenprobleme", doch Obi-Wan verstand ihn nicht richtig, ging aber auch nicht weiter darauf ein. Stattdessen begnügte er sich mit einem halben Lächeln und lehnte sich an sein Kopfkissen.


Ihm schwirrten noch tausend Fragen durch den Kopf, doch zu seinem Leidwesen konnte er keine einzige davon in Worte fassen. Tila hingegen schien es genug zu sein Obi-Wan nur anzusehen und er fühlte sich unter ihrem dauernden Starren beinahe unwohl. Owen brach schlussendlich das Schweigen und stellte dem Jedi die erste Frage und daraus entspann sich ein angeregtes Gespräch zwischen den dreien.


Obi-Wan erzählte von seiner Jünglingszeit und den anderen Jedi im Tempel und erzählte wie er und Qui-Gon auf Bandomeer zueinander gefunden hatten. Von Tila und Newo erfuhr der Junge dann über ihre Vergangenheit als Schutzpersonen. Meistens dienten sie Politikern und anderen wichtigen Personen, die vor bestimmten Veranstaltungen vorsichtshalber Personenschutz in Anspruch nehmen wollten. Dieser Auftrag war der erste bei dem sie sich nicht um ihren Auftraggeber selbst kümmerten, sondern an seiner statt für den Schutz der Prinzessin gesorgt hatten. Zudem hatten sie den Auftrag erhalten ungewöhnliche Vorkommnisse zurück zu melden. Obi-Wan setzte gerade zur Frage an, wer denn ihr Auftraggeber war, da ging erneut die Tür seines Krankenzimmers auf.


Bant und Qui-Gon spazierten hinein und als Tila und Owen die beiden näherkommen sahen, standen sie wie verabredet auf und verabschiedeten sich. „Ich bin sicher wir sehen uns noch einmal, Obi-Wan. Aber wir müssen nun wirklich los, um unser Wahllokal zu öffnen. Später werden wir mit den anderen Jedi dann die Wahllokale abklappern um die ganzen Stimmzettel abholen. Angenehme Nacht.", wünschte Tila ihm und auch Owen nickte kurz zum Abschied. Qui-Gon ging ein paar Schritte zurück und hielt ihnen die Tür auf, während Bant näherkam und sich zu Obi-Wan aufs Bett setzte.


„Wie geht es dir?", fragte sie und ließ ihre Augen über seine Erscheinung schweife. Wahrheitsgemäß antwortete Obi-Wan: „Gut! Gut genug, um mit euch heute die Wahl zu beobachten und die Stimmen auszuzählen." Der Junge konnte nicht verhindern, dass seine Stimme flehend klang.


„Und ich sage, du wirst noch im Bett bleiben", brummte eine tiefe Stimme. Qui-Gon kam näher, trat ans Bett und begutachtete seinen Padawan genau. Dann tippte er ihm auf die Brust und als Obi-Wan kurz zusammenzuckte, nickte der ältere Jedi nachdenklich. „Habe ich es gewusst. Du bist noch nicht wieder bei hundert Prozent. Wir schaffen die Wahl auch ohne dich." Obi-Wan wollte trotzig auffahren, doch sein Meister hob stumm die Hand. Trotzdem setzte Obi-Wan zum Protest an: „Meister, Ihr habt nur genau die Stelle mit den Fäden getroffen. Diese Stelle schmerzt noch ein wenig, aber ansonsten bin ich fit!"


Zum Beweis streckte er die Arme in die Höhe und bog den Rücken nach hinten. Seine Muskeln und Sehnen schmerzten bei der ungewohnten Dehnung, doch seine Wunde machte ihm dabei glücklicherweise nicht zu schaffen und Obi-Wan wollte sich schon freuen. Doch auf einmal spürte er, wie ein Finger auf seine Brust klopfte und bevor er reagieren und sich aus seiner Dehnposition lösen konnte, tippte der Finger genau auf die nicht verheilte Naht über seinem Herzen. Der Junge hatte das Gefühl als würde von diesem Finger Feuer ausgehen, das sich die ganze Länge seiner Verwundung entlangfraß. Er stöhnte kurz auf und blind vor Schmerz krümmte sich Obi-Wan nach vorne, um seine überreizten Muskeln zu entlasten. Tränen standen ihm in den Augen und als er sie wegblinzelte, sah er genau in Bants große Augen, die nur Zentimeter vor seinem Gesicht entfernt waren. „Hm. Ich befürchte ich muss Qui-Gon Recht geben, du bist noch nicht fit genug. Du hältst nicht einmal einen kleinen, leichten Stupser aus. Am Ende müssen wir einen Konflikt lösen und du wirst angegangen... Nein, so gerne ich dich dabeihaben möchte, das Risiko für deine Gesundheit ist zu groß." In Bants Augen stand pure Sorge um ihren Freund und Obi-Wan konnte ihr nicht böse sein. Mit einem Seufzer lehnte er sich resigniert in die Kissen zurück.


Qui-Gon war sichtlich beruhigt, doch er mahnte Bant zum Aufbruch. Wenn sie nicht gleich losgingen würden sie nicht rechtzeitig zu ihrem Treffpunkt mit Adi und Siri kommen. Bant stand sofort auf, drückte Obi-Wan aber noch einmal fest die Hand, bevor sie vom Bett zurücktrat. „Ich sag dir Bescheid, wer gewonnen hat, ok?", grinste sie ihren Freund an, der ihr Angebot gerne annahm. Qui-Gon und Bant gingen Richtung Tür und während Bant schnell nach draußen schlüpfte, drehte sich der Meister noch einmal zu seinem Padawan um: „Obi-Wan, ich bin froh, dass du dich wieder wohl fühlst. Aber bitte nutze die Ruhe, die du hier bekommst, um deinem Körper die Zeit zu geben, um zu heilen. Ich weiß, wie gerne du tatkräftig mithelfen möchtest, aber es ist wie Bant sagt. Eine Wahl werden wir ohne dich schaffen. Aber Iben Oki ist entkommen. Ich glaube nicht, dass wir nach dieser Mission viel Ruhe bekommen werden, das sagt mir mein Gefühl. Also bitte nutze die Zeit sinnvoll." Diese Anweisungen und Vorahnungen stimmten Obi-Wan sehr nachdenklich und Qui-Gon schienen seine Worte selbst zu bedeutungsschwer zu klingen. „Du könntest vielleicht noch Meditieren und ein wenig deine Gedanken beruhigen, damit du wachsam und bereit für alles Kommende sein kannst.", fügte er noch mit einem kleinen Augenzwinkern hinzu, bevor er ebenfalls das Zimmer verließ und Obi-Wan allein ließ.


Der Junge war frustriert, dass er nicht endlich hinaus gehen durfte aber er beherzigte Qui-Gons Vorschlag und schlug die Beine unter, um zu meditieren.

Familienbande [A Star Wars Story]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt