~Die Reiter aus Mussling~

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Asran biss die Zähne zusammen. Wie er es hasste! Sein Blick war starr auf den Erdboden zu seinen Füßen gerichtet. Das grüne Amulett, das war es, was er hasste! Sein Vater hatte zu dessen Lebzeiten fünf magische Steine erfunden, mit der Hilfe der mächtigsten Elfenmagier dieses Landes. Vor den fünf Amuletten hatte sich jeder an allen möglichen Magiearten bedienen können doch mit den Amuletten war es anders gekommen. Fünf Amulette, fünf Arten von Magie. Vom Feuer bis hin zu Wasser und Luft. Jedes einzelne Amulett war einem Element angepasst. Und ein Amulett konnte immer nur von dem getragen werden, der dazu auserkoren worden war. Und wenn dieser starb, so musste sein Erbe die Bürde des Amulettes antreten.

Doch mit den Amuletten war eine dunkle Macht im Süden entstanden. Alle vier Amulette hatte sie an sich gerissen, nur nicht das grüne Amulett. Asren, der Träger dieses Steines, war auf rätselhafte Weise verschwunden, Asran war noch nicht zur Welt gekommen. Aber jetzt, Jahrzehnte später, musste er selbst das grüne Amulett tragen. Es würde bald zu ihm kommen, in dem Moment, in dem er es am Dringendsten brauchte.

Lasyn legte Asran eine Hand auf den Arm und der Elf hob den Kopf. Seine Freundin schmunzelte und er konnte nicht anders, als das Lächeln zu erwidern. Er sah ihr tief in die Augen. Das helle Blau hatte etwas geheimnisvolles, die dunklen Einsprengel darin etwas beruhigendes. Trotz der Schatten, die über das Land kamen, wenn die Sonne unterging, waren Lasyns Pupillen klein.

„Ich werde dir bis morgen an der Seite stehen können. Ich werde dich begleiten, bis er dich gefunden hat. Auf ihn kannst du dich verlassen", sagte sie und legte ihren Umhang ab. „Lass uns nun ruhen. Wenn die Sonne aufgeht, müssen wir bereits auf dem Weg zu Aznael sein."

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Asran blieb stehen. Er hatte sein Ziel erreicht. Erleichtert nahm er die Tasche von seinem Rücken, die Lederbänder hatten ihm bereits in die Haut geschnitten. Aznael bewohnte ein vergleichweise bescheidenes Haus in einer öden Gegend. Überall standen vereinzelt Weiden, das hellgrüne Gras besaß tausende Blumen, die in den unterschiedlichsten Farben leuchteten. Die Luft roch nach Natur, einer Welt, die kaum jemand anzurühren mochte. Ein leuchtend roter Fuchs huschte durch das wadenlange Gras.

Die roten, verwitterten Ziegelsteine bildeten die Wände von Aznaels Haus, sie waren überdeckt von Efeu. Die Blätter der Pflanze waren doppelt so groß wie Asrans geballte Hand, sie musste schon uralt sein. Das Efeu hatte sich um jeden einzelnen Stein geschlungen, als wären sie Geliebte und wollten sich nicht loslassen. Aus dem Dach aus purpurnen Steinen ragte, aus denselben tiefroten Wandsteinen, ein kleiner Kamin. Die unter dem Efeu versteckte Tür war aus dunklem Kiefernholz geschnitten. Ein schwarzer Messingring in Gestalt eines sich windenden Drachens war die einzige Zierde des Hauses. Eine magische Aura umspielte ihn. Asran trat an die Tür und klopfte zweimal. Er wartete ab, aber niemand öffnete. Erneut klopfte er, doch wieder blieb die Tür verschlossen.

Ratlos sah er sich um. Lasyn hatte sich an einer der Taschen zu schaffen gemacht und nahm einen Wasserschlauch daraus hervor. Asran trat an ihre Seite. „Aznael ist nicht da", sagte er und nahm ihr den Wasserschlauch ab, den Lasyn ihm reichte. Gierig nahm er einen Schluck und genoss das kühle Wasser, das seinen trockenen Hals hinabrinn. Er nahm einen zweiten Schluck und schloss den Wasserschlauch dann wieder. Sorgfältig steckte er ihn zurück in die Tasche, als er Hufschläge vernahm.

Ein kleiner Reittrupp kam aus dem Süden auf sie zu. Etwa zehn Reiter, bewaffnet mit Bogen und Schwert. Asran suchte Anzeichen darauf, wer sie waren. Die Brustpanzer, die sie trugen, waren trüb. Sie waren aus Bronze gefertigt, das sah Asran sofort. Auch waren sie ungleichmäßig. Das waren Menschen. Kein Elf vollbrachte es, so schlechte Rüstungen zu schmieden. Erleichtert atmete Asran aus. Hier, an der Grenze vom Moraldwald, herrschten immer noch die Elfen. Und zehn Menschen konnten er und Lasyn leicht besiegen.

Die Reiter kamen vor ihnen zu stehen und Asran musste sich eingestehen, dass die Pferde, die sie ritten, doch von beeindruckender Statue waren. Ihre Beine waren dick, starke Muskelstränge waren deutlich abzulesen. Lange, lockige Mähnen ließen an die Pferde der Elfen erinnern. Aber im Gegensatz zu den Rössern von Laurentius, die stets lebendige Augen hatten, so, als würden sie alles verstehen, waren die Augen der Pferde, die jetzt vor ihnen standen, trübe von all den Jahren, die sie schon geritten wurden.  

Der vorderste aller Menschen nahm seinen Helm ab und musterte die beiden Elfen mit kühlem Blick. Seine braunen Augen passten gut zu dem schwarzen Lockenhaar, das er offen trug und ihm bis auf die Schultern fiel. Seine Haut war von der Sonne gebräunt, sein Gesicht vom Wetter gezeichnet. Sein kantiges Kinn und seine leicht schiefe Nase ließen darauf deuten, dass er keinem Streit aus dem Weg ging. Er sprang von seinem grauen Rappen und trat vor Lasyn und Asran. Er war über zwei Meter groß.

„Wer seid ihr, dass ihr es wagt, als Menschen ohne Einladung das Gebiet der Elfen zu betreten?", fragte Lasyn kalt. Ein Schmunzeln umspielte die Lippen ihres Gegenübers. „Woher wollt Ihr wissen, dass ich nicht doch eine Einladung habe?", entgegnete er. Lasyn trat einen Schritt vor. Sie schob den Unterkiefer vor, als sie sagte: „Weil ich nur ganz zufällig die Tochter des Königs dieser Lande bin. Ich bin Lasyn, Tochter des Laurentius und Thronfolgerin des Moraldwaldes und Lauresmaniens! Ich wäre sehr erfreut, Euren Namen zu kennen, Pferdeherr", fuhr Lasyn fort. Eine dicke Ader pulsierte an dem Hals des Menschen, sein Kopf war rot vor Zorn. „Warum darf ich mir so sicher sein, dass Ihr nicht lügt, Mannsweib?", fragte er und versuchte, seine Wut zu unterdrücken. 

Lasyn blickte ihn weiterhin gelassen an. „Wollt Ihr es wirklich darauf ankommen lassen, dass Euer König bald nicht mehr in unseren Landen erwünscht sein wird?", erwiderte sie und sah den Hünen herausfordernd an. „Ich könnte meinen Vater durchaus auf diese Beleidigung hinweisen, ich denke, er findet eine gerecht Strafe für Euch", fuhr Lasyn fort. Das Lächeln des Menschen verschwand. Er verbeugte sich, aber nur so weit, wie es sich gehörte. Asran zog die Augenbrauen zusammen. 

Der Mann erhob sich wieder und hob abwehrend die Arme. „Schon gut, ich glaube Euch. Mein Name ist Fassuin, ich bin Bote des Königs Sahisson von Mussling!" Lasyn zog ihre Augenbrauen in die Höhe. „Darf ich trotzdem fragen, was Ihr hier in unseren Landen zu suchen pflegt?", fragte sie und durchbohrte den Menschensohn mit ihren Blicken. Er trat einen Schritt zurück, dann sagte er: „Etwas sagt der Welt, dass das grüne Amulett bald auftaucht. Wir wollten fragen, ob ihr Elfen Hilfe benötigt, denn wir Menschen denken, dass der dunkle Lord zuerst bei euch suchen wird. Aber, wenn Ihr es erlaubt, Herrin, dann würde ich Euch gerne mit zu Sahisson, Herr von Mussling, nehmen. Dort könnt Ihr ihm selbst Auskunft geben. Wir Menschen werden euch helfen. Das einst mächtige Bündnis wird wieder aufleben."







Das fünfte Amulett (Band II der Chronik von Mittelland)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt