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"I never meant to hurt you" - Always Hate Me (James Blunt)


"Harry", seufzte Niall und legte seinen Arm um meine Schulter, "Ich glaube, er kommt heute nicht mehr."

"Aber heute ist Montag, er kommt montags immer", schluchzte ich und legte meinen Kopf auf die Schulter meines besten Freundes.

"Hat er sich denn am Wochenende bei dir gemeldet?", fragte Niall hoffnungsvoll.

Schniefend schüttelte ich den Kopf. Ich hatte überlegt, zu ihm zu fahren, aber er hätte mich wahrscheinlich ohnehin raus geschmissen. Seine Nummer hatte ich leider nicht, also konnte ich ihn auch nicht anrufen.

"Und wenn du mal bei ihm vorbeifährst?", fragte mein Freund.

"Er hasst mich Niall!", schluchzte ich und vergrub meinen Kopf in seiner Halsbeuge.

"Nein Harry, dann hätte er dich bestimmt nicht geküsst", lächelte Niall schief.

Plötzlich hörte ich den Schlüssel an der Tür und hob verwundert den Kopf. Kurz darauf trat ein klitschnasser Zayn ins Diner ein und schüttelte seine Haare, wie ein nasser Hund.

"Was ein Wetter", seufzte er und hielt inne, als er mich und Niall auf einer der Sitzbänke sitzen sah. "Was macht ihr denn noch hier? Ist doch schon längst nach Ladenschluss."

"Verpiss dich!", zischte ich und fing erneut an zu schluchzen.

"Harry!", rief Niall überrascht, "Er kann doch nichts dafür."

"Nein kann er nicht, tut mir leid. Es ist alleine meine Schuld. Ich hätte ihn nie bei mir schlafen lassen sollen."

Ich lehnte meinen Kopf erneut an Niall und vergrub mein Gesicht in seinem T-Shirt. Plötzlich merkte ich, wie das Polster der Sitzbank auf meiner anderen Seite leicht eingedrückt wurde und dann spürte ich eine Hand, die vorsichtig über meinen Rücken streichelte.

"Der Kleine?", fragte Zayn vorsichtig und ich nickte leicht.

"Woher...", setze Niall an.

"Ich wohne nur zwei Häuser vom Diner entfernt", erklärte Zayn, "Ich hab ihn aus meinem Fenster beobachtet. Er ist heute immer wieder die Straße zum Diner hin gefahren, hat sich dann zehn Minuten auf eine Bank gesetzt und ist wieder zurück gefahren. Immer wieder. Ich weiß ja nicht, was passiert ist, aber ich glaube ihr solltet miteinander reden."

Ich löste mich von Niall und sah Zayn hoffnungsvoll durch meine verheulten Augen an. "Er war hier?"

Er nickte. "Ich weiß, wir hatten einen schlechten Start, aber ich bin da, wenn du reden möchtest", lächelte der Halbpakistani scheu.

"Danke", erwiderte ich ehrlich und umarmte ihn spontan.

"Hey!", protestierte Zayn sofort und schob mich von sich weg, "Das heißt nicht, dass ich jetzt so wie der da den ganzen Tag mit dir kuscheln werde."

"Ey", erwiderte Niall nun und grinste leicht, "Wir kuscheln nicht den ganzen Tag."

"Jaja schon klar", erwiderte Zayn belustigt.

"Was machst du eigentlich hier?", wechselte Niall nun das Thema, "Du hast doch montags frei."

"Ich hab hier gestern in meiner Pause ein bisschen für die Uni gelernt und meinen Ordner vergessen", erklärte der Schwarzhaarige, "Ist mir eben erst aufgefallen. Den brauche ich morgen, deshalb wollte ich ihn mir kurz holen."

"Du studierst Medizin oder?", fragte ich nun, weil mir das beim Überfliegen seiner Unterlagen neulich aufgefallen war, "Ist das nicht ganz schön schwierig?"

"Es geht", grinste Zayn und zog eine Grimasse, "Aber ich möchte später einmal Arzt werden und wenn man sich wirklich für ein Thema interessiert, dann macht es einem so viel Spaß, dass das Lernen dann ganz von alleine kommt."

"Du musst ja ganz schön schlau sein", stellte Niall bewundernd fest und lief rot an, weil er diesen Gedanken wohl gar nicht laut hatte aussprechen wollen.

"Wer weiß", grinste Zayn und biss sich verlegen auf die Unterlippe.

Dann stand er auf und sah uns entschuldigend an. "Ich muss jetzt los, ist schon ganz schön spät. Bis morgen." Er ging hinten in den Mitarbeiterraum und holte von dort wahrscheinlich seinen Ordner mit dem er dann das Diner verließ.

"Du magst ihn oder?", fragte ich Niall.

"Ich... ähh...", stotterte dieser, "Er... er ist doch ganz... ganz nett oder?" Dann schien er sich wieder etwas zu fassen. "Was machst du denn jetzt eigentlich wegen Louis?"

"Ich denke, ich werde morgen mal bei ihm vorbeischauen", lächelte ich tapfer.

"Das finde ich gut", erwiderte Niall aufmunternd, "Ihr müsst euch aussprechen und dann findet ihr bestimmt eine Lösung. Wohnt er da eigentlich ganz alleine mit seinen vier kleinen Schwestern?"

"Ja ich denke schon", antwortete ich. Auch wenn ich Louis versprochen hatte, niemandem etwas zu erzählen, hatte ich mich Niall anvertrauen müssen. Wir kannten uns seit Ewigkeiten und ich wusste, dass meine Geheimnisse bei ihm sicher waren. Außerdem brauchte ich einfach jemanden, mit dem ich darüber reden konnte.

"Das muss hart sein", seufzte Niall, "Ich meine er muss sie ja nicht nur von der Schule abholen, sondern für sie kochen, sich um sie kümmern, die Wäsche machen und sie abends ins Bett bringen, dabei ist er doch erst siebzehn. Ist ja kein Wunder, dass er da im Unterricht nicht aufpassen kann und in Mathe versagt, wenn er so viel um die Ohren hat."

Darüber hatte ich bisher noch überhaupt nicht nachgedacht und es stimmte. Wann hatte Louis wohl Zeit für Hobbys oder dafür, mal einen Nachmittag mit seinen Freunden zu chillen? Vermutlich nie. Für mich war er immer der fröhliche Junge gewesen, der hier nach der Schule ein Glas Wasser trank, doch ich hatte nie gewusst, wie anstrengend sein Leben wohl sein musste.

Und ich Idiot hatte ihn jetzt auch noch verletzt. Das wollte ich doch überhaupt nicht. Wieso musste alles nur so schrecklich kompliziert sein?


861 Wörter - Ivy

Moments - Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt