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2 Monate später...

Liebes Tagebuch,

gestern haben sie die Geräte abgestellt. Sie ist nicht wieder aufgewacht. Sie wird nie wieder aufwachen. Es war ein langer Kampf, für sie, aber auch für uns. Wenn ich versuchen würde, dir zu vermitteln, wie ich mich gerade fühle, würde ich vermutlich versagen. Ich kann nicht in Worte fassen, was ich fühle. Ich bin so schrecklich traurig, wütend und zerrissen. Und irgendwie fühle ich mich leer. Da ist so ein riesiges Loch in mir, dass ich einfach nicht füllen kann. Ich weiß nicht, ob die Mädchen verstanden haben, dass sie nicht wieder kommt, nie mehr. Um ehrlich zu sein weiß ich auch gar nicht, ob ich es überhaupt selbst verstanden habe. Da sind so viele Fragen in meinem Kopf, Fragen, auf die ich keine Antwort habe.

Dad scheint es ähnlich zu gehen, auch wenn er versucht, es vor uns geheim zu halten. Heute hat er mich geschlagen. Ja, er hat mich geschlagen. Dass er sich in seinem Zimmer einschließt, ist nichts neues, aber als er vorhin die große Flasche Vodka mitgenommen hat, habe ich mir Sorgen gemacht und bin ihm hinterher. Dann ist er ausgerastet, hat gesagt, ich solle verschwinden, ihn alleine lassen und den Mädchen nichts davon erzählen. Als er angefangen hat bitterlich zu weinen, wollte ich ihn trösten, aber er hat mich nur von sich gestoßen und dann auf mich eingeschlagen. Ich weiß nicht, ob es am Alkohol lag oder daran, dass er seit Tagen nicht geschlafen hat, aber ich bin mir sicher, dass es nicht an mir lag. Er hat seine Gefühle so lange geheim gehalten, so lange unterdrückt, da ist es verständlich, dass sie irgendwann von ihm Besitz ergreifen. Er hat sie geliebt und ich glaube, er wird es auch immer tun.

Ich weiß, dass das kein Grund ist seinen Sohn zu schlagen, aber ich kann ihm im Moment einfach nicht böse sein. Vielleicht braucht er das? Vielleicht tut es ihm gut, Dampf abzulassen? Ich weiß es nicht und da ich im Moment sowieso nicht mehr bin, als ein heulendes und in Selbstmitleid versinkendes Häufchen Elend, ist es mir auch herzlich egal. Die paar Schmerzen mehr werden mich nicht umbringen.

Ein niedliches Schmatzen ließ mich aufschauen und ich blickte hinab auf Louis, der ein wenig seine Position veränderte und seinen Kopf noch ein Stückchen mehr in meiner Halsbeuge vergrub. Seine weichen Haare kitzelten an meinem Kinn und als ich ihm vorsichtig über den Rücken strich, gab er ein zufriedenes Brummeln von sich.

"Happy Birthday, Sonnenschein", flüsterte ich ihm leise ins Ohr und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn, als er mir verschlafen entgegen blinzelte.

"Du liest das immer noch?", stöhnte er dann leise und riss mir sein Tagebuch aus der Hand. Seine noch müden Augen überflogen ein paar Zeilen, bevor er es zusammen klappte und neben sich auf dem Nachttisch ablegte.

"Alles okay?", fragte ich leise und streichelte gedankenverloren seinen Arm. "Ich meine wegen..."

"Ja, es... ja...", murmelte er abwesend, "Ich wusste nur nicht, dass du an dieser Stelle bist..."

"Hey, du kannst immer mit mir darüber reden, wenn du möchtest, dass weißt du oder?", fragte ich vorsichtig.

"Danke Harry", lächelte der kleinere nun und beugte sich zu mir hoch, um mir einen Kuss auf die Lippen zu drücken.

"Das ist doch selbstverständlich."

"Nein nicht dafür", widersprach er und ich runzelte verwundert die Stirn, "Also ja, dafür natürlich auch, aber danke, dass du da warst. Weißt du, es... es ging mir nicht so gut damals und du warst immer da für mich... im Diner meine ich. In meiner Schule haben mich alle immer nur bemitleidet und Liam auch und Zuhause wurde ich andauernd daran erinnert... an ihren reglosen Körper... an ihre leeren Augen... Und du warst einfach da. Du wusstest nichts davon, hast mich nicht angesehen, als würde ich jeden Moment kaputt gehen, du warst einfach da. Hast mich zum Lachen gebracht, mir von deinen Alltagsproblemen berichtet und mir zugehört. Du hast mir andauernd gesagt, ich solle mit Helm fahren und nicht so viel Koffein trinken und ich habe trotzdem nie auf dich gehört."

Ein niedliches Kichern kam über seine Lippen und auch ich musste kurz schmunzeln.

"Ich danke dir dafür, dass du einfach für mich da warst, Harry."

Weil ich nicht wusste, was ich darauf erwidern sollte, zog ich ihn einfach erneut zu mir hoch und küsste ihn sanft. Louis rutschte vorsichtig auf mich drauf, sodass er nun mit seinem ganzen Gewicht auf mir lag und streichelte mir liebevoll über die Wange, während er seine Lippen harmonisch zu meinen bewegte.

"Loulou!", rief plötzlich eine Kinderstimme und kleine Hände hämmerten gegen die Tür.

"Nein, oder?", rief Louis überrascht und sprang von mir hinunter, ehe er zur Tür lief, sie augenblicklich auf riss und im nächsten Moment schon seine Zwillingsschwestern auf dem Arm hielt.

Sofort fingen sie an, eine etwas schiefe, aber dennoch sehr niedliche Version von "Happy Birthday" zu singen und quiekten leise auf, als er jeder von ihnen liebevoll einen Kuss auf die Wange drückte.

"Was macht ihr denn hier?", lächelte er, noch immer ganz überrascht und setzte sie vorsichtig zurück auf den Boden. "Ich dachte, ihr wolltet mit Mitch und Taylor über Weihnachten weg fahren."

"Überraschung!", gluckste die kleine Phoebe freudig und nun kamen auch Lotti und Felicite die Treppe hoch gelaufen und sprangen ihrem Bruder in die Arme.

Ich stand nun ebenfalls auf und nahm jede der vier einmal fest in den Arm, bevor ich Louis durch die Haare wuschelte und ihm einen Kuss darauf hauchte. "Und jetzt zieh dich an, es gibt noch mehr, die auf deine Anwesenheit beim Frühstück warten", grinste ich, woraufhin er schnell machte, dass er in seine Klamotten kam und ich es ihm gleich tat.


922 Wörter - Ivy

Moments - Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt