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"Harry, was ist denn mit dir passiert? Ich dachte, du warst bei Louis. Habt ihr euch gestritten?", fragte Niall besorgt, als ich am Montag morgen ins Diner kam und mein Auge immer noch ein wenig blau war.

"Nein, ich habe seinen Dad kennengelernt", lächelte ich gequält.

"Ach du Scheiße! Hat er Louis auch wieder geschlagen?", fragte er dann besorgt.

"Sein Dad war das?", fragte nun eine mir vertraute Stimme hinter uns und als ich mich umdrehte, sah ich direkt in Zayns geschockte Augen. "Und da sagst du nichts, sag mal, bist du bescheuert?"

"Zayn, bitte, das ist... kompliziert", versuchte Niall ihn zu beruhigen.

"Hast du auch nur den Hauch einer Ahnung, was das mit ihm macht? Von wegen, seine Eltern sind im Urlaub. Pff, das ich nicht lache. Das du das zu lässt... Weißt du was Harry? Ich dachte echt, du bist ganz okay aber offensichtlich bist du nur ein egoistisches Arschloch, das Angst hat, dass ihm sein kleiner Wochenendsficker weggenommen wird, wenn die Wahrheit raus kommt!"

Ich spürte, wie mir die Tränen in die Augen stiegen. "Du hast ja keine Ahnung", zischte ich und rannte aus dem Raum, ehe noch jemand irgendetwas sagen konnte.

Ich dachte nicht daran, wohin ich lief, ich wollte einfach nur weg hier. Als es irgendwann zu regnen anfing, suchte ich in einer kleinen Gasse unter einem Vordach Schutz und ließ mich rücklings gegen die Hauswand sinken. Verletzt und durcheinander ließ ich den Kopf in meine Hände sinken und fing leise an zu weinen.

Ja, mir war durchaus bewusst, dass die Situation, in der Louis lebte wirklich beschissen war und dass es keine Lösung für immer war, aber er hatte mich mehr als einmal eindringlich gebeten, die Klappe zu halten. Er liebte seine Schwestern und seinen Vater und wenn das raus kam, würde sich vermutlich das Jugendamt einmischen und sie alle in Heime stecken, bis sie adoptiert wurden. Louis hatte sich wirklich mit dem Thema auseinander gesetzt, denn er meinte, dass er recherchiert habe und es eine Altersgrenze zwischen ihm und seinen Schwestern gab. Das heißt, er würde in ein Heim für Ältere kommen und sie nicht. Danach würden sie wahrscheinlich von unterschiedlichen Familien adoptiert werden, wenn sie überhaupt adoptiert wurden und sich vielleicht nie wieder sehen. Ja, die jetzige Situation war wirklich keine Dauerlösung, aber Louis hatte mir nach einer langen Diskussion versprochen, etwas zu unternehmen, wenn er achtzehn war.

"Hey Schwuchtel!", riss mich auf einmal eine tiefe Männerstimme aus meinen Gedanken.

"Warum heulst du denn?", fragte daraufhin eine zweite.

Ich hob den Kopf und sah in die Gesichter zweier Männer, die sich vor mir aufgebaut hatten. Sie waren älter als ich, bestimmt Anfang vierzig, trugen Lederwesten und waren am den Armen und im Gesicht tätowiert. Einer trug einen Nasenpiercing, der mich ein bisschen an einen Stier mit Ring in der Nase erinnerte. Die definierten Muskeln an ihren Armen deuteten darauf hin, dass ich vermutlich nicht die geringste Chance hatte, zu fliehen, weil sie mich ohnehin schnappen würde.

"K-Kann ich Ihnen weiterhelfen?", fragte ich mit zittriger Stimmer und stand zögerlich auf.

"Ja, in dem du dich verpisst, Schwuchtel!", rief nun der Mann mit dem Piercing, packte mich an den Schultern und schleuderte mich mit voller Kraft gegen die harte Steinwand.

"Ahh", schrie ich schmerzerfüllt, "Bitte, ich hab euch doch überhaupt nichts getan!"

"Deine Existenz ist Schande genug", rief der andere Mann abwertend, "Und wie läufst du überhaupt herum? Lackierte Nägel, enge Hose und pinkfarbener Pullover. Das ist widerlich, weist du das?"

Wieder wurde ich an den Schultern gepackt, bekam einen heftigen Schlag in die Magengegend und fand mich schließlich auf dem nassen Asphaltboden wieder.

"Aufhören, bitte!", schrie ich verzweifelt und versuchte, mich auf zu rappeln.

"Schnauze!", schrie eine tiefe Stimme und ich bekam einen heftigen Tritt gegen die Brust.

Vor Schmerzen krümmte ich mich und versuchte, irgendwie davon zu robben, doch ich hatte nicht die geringste Chance. Weitere Tritte folgten und irgendwann gab ich es auf, zu versuchen, zu fliehen. Warum war ich bloß in diese meschenleere Gasse gegangen? Warum war hier keiner? Warum half mir keiner?

Plötzlich hörte ich neben mir einen dumpfen Schlag und sah dann aus dem Augenwinkel, wie einer der Männer neben mir zu Boden sank. Dann irgendwelche Worte, Schreie und der zweite Mann sackte schließlich auch neben mir zu Boden.

"Harry!", hörte ich plötzlich eine Stimme neben mir und spürte zwei Finger, die mein Kinn an hoben.

"Lou", hauchte ich tonlos, als ich seine blauen Augen erkannte.

Vorsichtig setzte ich mich auf und fiel ihm dann erschöpft in die Arme. Ich vergrub mein Gesicht in seinem Pullover und schluchzte leise, während er mich ganz fest im Arm hielt.

"Shh, alles ist gut, Harry", murmelte er sanft, "Ich bin jetzt bei dir, dir passiert nichts."

"Lou, lass uns lieber verschwinden, bevor die wieder zu sich kommen", sagte auf einmal jemand neben uns und als ich den Blick hob sah ich in ein Paar warmer Teddybäraugen.

Das Gesicht zu den Teddybäraugen lächelte mich nun freundlich an und er reichte mir seine Hand, um mir hoch zu helfen, während Louis nun ebenfalls wieder aufstand.

"Warum lässt du dich denn im Moment so oft verprügeln, huh?", fragte Louis, als ich wieder stand und strich mir liebevoll über die Wange. "Das ist übrigens Liam, von ihm habe ich dir ja schon viel erzählt."

"Hi", erwiderte Liam nun und legte die Metallstange, mit der er vermutlich den ersten Mann ausgenockt hatte, vorsichtig auf den Boden, wo sie wohl her war.

"Sollten wir ihnen nicht irgendwie helfen, einen Krankenwagen rufen oder so?", fragte ich zögerlich, als sich die beiden Jungs in Bewegung setzten.

"Die kommen schon klar", erwiderte Louis zornig.

"Findest du, ich ziehe mich komisch an?", fragte ich weiter.

Seufzend blieb Louis stehen, drehte sich zu mir um und legte dann beide Hände auf meine Wangen. "Du bist der wunderschönste Mensch, den ich kenne, Haz", lächelte er dann, "Lass dir bitte niemals von irgendwem etwas anderes einreden."

Weil ich nicht wusste, was ich darauf erwidern sollte, lehnte ich mich einfach ein kleines Stückchen nach vorne und küsste Louis liebevoll.

"Das ist ja schlimmer, als in einer Teenie-Romanze", lachte Liam neben uns, "Komm jetzt Lou, unsere Freistunde ist gleich zu Ende."

Wir lösten und von einander und Louis griff nach meiner Hand, als wir weitergingen. Er verschränkte unsere Finger miteinander und im Augenblick war ich einfach unendlich dankbar, ihn mein nennen zu dürfen.


1027 Wörter - Ivy



Moments - Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt