02 | Frankenstein oder nur eine Vampirin?

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»Was tun wir nun gegen das River-Problem?«, wollte Frankie wissen, die ihn ihrem Essen herumstocherte. Das tat sie schon seit zehn Minuten, als ich ihr erzählt hatte, wie das Gespräch zwischen River und mir verlaufen war. Die Wut auf den Gesichtern meiner Freunde sagte alles darüber aus, wie ausweglos diese Situation für mich erschien. »Wir könnten ihn ebenfalls unter Druck setzen. Das wäre doch etwas! Andere mit ihren eigenen Waffen zu schlagen ist immer besonders befriedigend«, schlug Illian vor und wir alle verdrehten einvernehmlich die Augen.

»Wieso hast du überhaupt die Erlaubnis, etwas vorzuschlagen?«, wollte Delilah von ihrem Bruder wissen, erhielt aber als Antwort nur das Klatschen eines Essenstabletts auf unseren Tisch. »Guten Mittag«, begrüßte River uns gelassen und setzte sich neben mich. Ich hätte an dieser Stelle gerne behauptet, dass mir das nichts ausmachte und dass seine Präsenz bei uns am Tisch willkommen war, aber die schockierte Stille, die einige Sekunden lang über uns hing, sprach für sich. Ich hatte ihm doch gesagt, dass ich über seinen Vorschlag nachdenken würde, aber ich hatte ganz bestimmt noch nicht zugestimmt und vor allem wollte ich nicht jetzt gleich mit diesem Experiment beginnen. Ich war emotional nicht einmal annähernd darauf vorbereitet.

»Was tust du hier?«, fragte Frankie, die sich als erste wieder gefasst hatte, entrüstet.

»Essen? Ist das nicht offensichtlich? Ich bin davon ausgegangen, dass ich zumindest das nicht zu erklären hätte.«

»Naja, wenn man bedenkt, dass man in dieser Cafeteria lieber nicht essen sollte, schon«, mischte sich Illian ein. Meine Mundwinkel zuckten. Aber nur, weil River von dieser Antwort genervt war. »Ehrlich, Bradbury, wir haben einen Notfall zu besprechen. Du bist hier gerade nicht willkommen.« Frankie unterstrich ihre Worte mit einem Todesblick in Rivers Richtung.

»Ach ja? Vielleicht kann ich ja helfen.«

»Stimmt, und zwar wenn du uns sagen willst, wie man jemanden loswird, wenn man diese Person nicht bei sich aufnehmen möchte.«

River sah sie unbeeindruckt an, was überraschend war. Ich kannte niemanden, dem Frankies Aussagen so egal waren wie River. »Das ist sehr unfreundlich von dir.«

»Du bist sehr unfreundlich. Hat dir das schonmal jemand gesagt?«, schoss sie zurück und ich schluckte tief. Ich schätzte es, dass sie sich so für uns einsetzte, aber ich mochte es nicht, wenn derartige Streitereien ausbrachen. Das lenkte nur unnötige Aufmerksamkeit auf unseren Tisch und davon drehte sich mir immer der Magen um.

»Mehrere Leute. Jeden Tag.« Ich fand, dass das traurig war, aber ich hatte gar keine Gelegenheit, mich dazu zu äußern, denn Frankie ergriff das Wort wieder. »Und du ignorierst sie?«

»Wieso sollte ich nicht? Es wird mich sowieso nicht jeder mögen. Wozu soll man sich da dann noch die Mühe machen?«

»Solidarität«, schlug ich vor, obwohl ich mich da eigentlich nicht einmischen wollte.

»Das wäre doch langweilig.«

Frankie schnaubte und ich sah zu Delilah, die mit den Schultern zuckte. Sie hatte auch keine Idee, wie wir River jetzt noch loswerden konnten. Ich fragte mich, wie es ihm so egal sein konnte, dass er nicht willkommen war. Er strich sich lediglich die dunklen Haarsträhnen, die lose herunterhingen, aus dem Gesicht und tat so, als würde er die verärgerten Blicke meiner Freunde nicht bemerken. Dann fischte er sich allen Ernstes ein Buch aus seinem Rucksack – und begann zu lesen, einfach so, mitten in der Cafeteria, an einem Tisch von Leuten, die ihn nicht dahaben wollten. Wir starrten ihn entgeistert an, doch es interessierte ihn kein Stück. Ich räusperte mich schließlich, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen.

»Ist etwas?«

»Ist das dein Ernst?«

»Natürlich. Ich weiß nicht, was für ein Problem du hast.«

Kiss Me On PaperWo Geschichten leben. Entdecke jetzt