30 | Schmerztabletten und Schmetterlinge

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Ich war gut darin, mir selbst einzureden, dass Bash nicht existierte – ich strich ihn aus meinen Gedanken und vergaß all die Dinge, die er mir an den Kopf geworfen hatte, außer wenn ich gerade daran dachte, dass ich nicht an ihn dachte.

Ich sagte an diesem Samstagmorgen mein Date mit River ab, da meine Bauch- und Rückenschmerzen es darauf abgesehen hatten, mich in einen frühen Tod zu locken. Schon wieder. Mir blieb nichts anderes übrig, als den ganzen Tag im Bett zu verbringen, wo die Situation immerhin erträglich war. Ich wartete auf den Moment, in dem ich genug Energie hatte, um aufzustehen und mir ein Schmerzmittel zu holen. Nicht, dass es in naher Zukunft dazu kommen würde.

Mom und Dad nahmen vermutlich an, dass ich noch schlief, und ließen mich daher in Ruhe. Das passte mir ausnahmsweise aber nicht in den Kram, seit ich es begrüßt hätte, wenn ich jemanden dazu hätte anstiften können, mir ein Analgetikum zu bringen. Ich stöhnte entnervt auf und rollte mich auf den Rücken. Wieso suchte sich mein Körper immer die unpassendsten Momente aus, um mich mit diesem Höllenschmerz zu befallen? Ich wollte den Tag doch nur mit River genießen. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie ich in dem Moment aussah – eingehüllt in eine Kuscheldecke, während meine Haare eine Pommesbude eröffnen konnten, wenn man bedachte, wie viel Fett sich auf ihnen angesammelt hatte – je schlechter es mir ging, desto schneller schritt dieser Prozess voran. Ich hatte sie eigentlich gestern Abend waschen wollen, war dafür aber zu müde gewesen. Heute Morgen war ich definitiv zu unmotiviert.

»Darlene?«, rief meine Mutter nach mir, während ich mir gerade aus Selbstmitleid Happy Birthday sang. Ich hatte nicht einmal Geburtstag. Sie klopfte an der Tür und ich seufzte. Endlich. Das war die Schmerztablettenerlösung, die ich dringend brauchte.

»Komm rein!«, brüllte ich zurück. Nur fiel meine Erleichterung rasch in sich zusammen, als nicht meine Mutter, sondern nur River mein Zimmer betrat. Er ließ seinen Blick durch das Zimmer schweifen, ehe er auf mir zu liegen kam. Überraschung machte sich auf seinem Gesicht bereit und er legte den Kopf schief.

»Ich habe nicht gewusst, dass du noch schläfst. Ich dachte, dass du schon wach bist, weil du mir zurückgeschrieben hast«, sagte er, während sich allmählich Besorgnis in seinen Blick mischte. Seine Wangen waren noch gerötet vor morgendlicher Kälte und seine Haare lagen zerzauster denn je auf seinem Kopf. Ich hoffte, dass ihm nicht auffiel, wie meine Augen seine Sicht in sich aufsaugten. »Ich kann auch wieder gehen, wenn du dich erholen musst. Tut mir leid«, meinte er und drehte sich schon um, noch bevor ich etwas antworten konnte.

»Warte!«, rief ich und richtete mich so gut auf, wie es eben ging. Ich hatte das Gefühl zu sterben. Verdammte Periode aber auch.

»Ja?«

»Kannst du mir ein Schmerzmittel holen? Dann mutiere ich auch wieder zu einem brauchbaren Menschen.«

Tiefe Furchen legten sich über seine Stirn. »Was ist passiert? Hat dir jemand wehgetan?«, wollte er wissen. Seine Stimme klang wütend, aber auch besorgt.

Er war so süß, dass ich mein Grinsen nicht zurückhalten konnte. »Ja, und zwar die Monatsblutung. Frag meine Mom, sie wird dir schon die richtigen Tabletten geben. Danke schön.«

River wurde so rot, dass er meinen Haaren Konkurrenz machte. Anscheinend hatte er noch keine Erfahrungen damit gemacht, mit Mädchen über dieses Thema zu sprechen. Naja, vielleicht hätte ich es auch nicht so unverhohlen sagen sollen, aber jetzt war es sowieso schon zu spät, denn er nickte und verschwand aus meinem Zimmer. Es war am Ende des Tages nicht meine Schuld, dass die Gesellschaft die Periode als ein peinliches Thema abgestempelt hatte. Es war ein natürlicher Prozess, der mehr Respekt und Empathie verdient hatte, wenn man bedachte, dass keine Frau auf diesem Planeten – oder zumindest nur sehr wenige – einen freien Pass bekam oder sich wenigstens freinehmen konnte, wenn die Schmerzen sie beinahe konsumierten.

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