31 | Romantische Gesten

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»Ich muss eine Ankündigung machen«, sagte Illian am Mittwochmittag. Seine Augen landeten dabei wie automatisiert auf Frankie, während er den Rest von uns – also Deli, Addie, River und mich – nur mit einem Seitenblick beschenkte. Seine Hände zitterten so stark, dass er sie in seinen Hosentaschen vergrub, um seine Nervosität zu verbergen. Ich verzog das Gesicht. Illian war der furchtloseste Mensch, der mir jemals begegnet war. »Und zwar zu deinen Ehren, Frankie.«

Ach du Schande. Ich sah zu der brünetten Schönheit, deren Gesichtszüge entgleisten. Welcher Schwachkopf große, vor allem aber öffentliche, Ankündigungen erfunden hatte, wusste wohl nicht, wie sehr man sich mit solchen Aktionen blamieren konnte.

»Ich habe eine Weile darüber nachgedacht und langsam werden mir einige Dinge klar. Ich weiß, wen ich in meinem Leben haben möchte und wen nicht. Ihr seid alle meine besten Freunde – naja, abgesehen von dir Deli, denn du bist ja biologisch drauf programmiert, mich zu mögen.« Er räusperte sich und seine Schwester stieß ein gekünsteltes Lachen hervor. Ich schenkte ihr einen fragenden Blick, den sie mit einem kaum merklichen Kopfschütteln quittierte. Also hatte sie ebenfalls keine Ahnung, was Illian vorhatte. War das vielleicht die Friend-Zone für Frankie? Schließlich hatte er uns alle als seine besten Freunde bezeichnet, obwohl er offensichtlich Gefühle romantischer Art für sie hegte.

»Jedenfalls möchte ich sagen, dass ich euch immer mögen und schätzen werde. Aber du, Frankie, hast dir einen besonderen Platz in meinem Leben verdient. Dir gehört die bessere Hälfte meines Herzens. Du hast mir gezeigt, was Liebe ist. Und ich weiß, dass ich in letzter Zeit eine Menge Fehler begangen habe...jedenfalls würde ich mir eine zweite Chance wünschen. Wir können neu anfangen, eine neue Beziehung zueinander aufbauen. Ich wünsche mir, mit dir zusammen zu sein und dir meine Liebe jeden Tag zeigen zu können.«

Frankie sah Illian wie gebannt an, während ihre Augen gemischte Gefühle zwischen Mordlust und einem Kussdrang zeigten. Wofür brauchte Illian ein so großes Publikum? Wir wussten alle, dass Frankie ihre wahren Gefühle nur selten offen zeigte. Sie schien ständig auf die ganze Welt wütend zu sein, aber das war nur ihr Weg, mit allem anderen umzugehen. Öffentliche Zuneigung zu zeigen, war vermutlich ihr schlimmster Albtraum, obwohl sie Illian von ganzem Herzen liebte.

»Deshalb habe ich eine besondere Überraschung für dich, Frankie. Ich liebe dich. Gibst du uns eine zweite Chance?«

Für den Bruchteil einer Sekunde erhaschte ich ihren Blick, der hilfesuchend Nein! schrie. Aber Frankie kleisterte sich ein Lächeln auf die Lippen und nickte langsam. »Natürlich.« Mir war noch nie so klar gewesen, dass Illian einen Fehler gemacht hatte wie in diesem Moment. Ja, die beiden machten schon länger eine schwierige Phase ihrer Beziehung durch, aber sie hingen dennoch an der jeweils anderen Person. Frankie hatte deutlich gemacht, dass sie in nächster Zeit davon eine Pause brauchen würde, um sich um ihre persönlichen Probleme zu kümmern und ihre Gedanken zu sortieren. Vielleicht hatte Illian diesen kleinen Stunt inszeniert, damit sie ihm hier ja sagte, dafür würde es doppelt so schlimm werden, wenn sie ihm morgen das nein um die Ohren schmiss.

»Okay, Leute! Ihr könnt rauskommen!«, brüllte Illian. Alle, die sich in der Cafeteria befanden, sahen verwirrt zu unserem Tisch, um das Spektakel zu betrachten. Den Höhepunkt erreichte die Show allerdings, als sich plötzlich vereinzelte Personen erhoben und ein Liebeslied zu singen begannen, zumindest, wenn Boyfriend von Justin Bieber als solches bezeichnet werden konnte. Andere – wie viele Menschen hatte Illian bitte angeheuert? – hielten ein Blatt Papier mit jeweils einem Buchstaben darauf in der Hand und stellten sich so auf, dass sich ein FRANKIE, DU BIST DAS ZENTRUM MEINER WELT bildete. Ich fühlte mich, als würde ich gleich vor Fremdscham sterben und ich war nicht einmal Frankie.

Illian war einer meiner besten Freunde, aber er hätte sich einen Gefallen getan, wenn er sich mit jemandem aus der Freundesgruppe beraten hätte – denn die Energie, die wir versprühten, konnte nicht einmal von einem Blinden mit Euphorie verwechselt werden. Es war lediglich peinlich, was mich traurig stimmte. Ich war aber zu sprachlos, um ihm jetzt zu helfen, oder Frankie mit meinen Worten Komfort zu bieten. Ich litt still für sie. So fühlte sich vermutlich die Hölle an, wenn man von einem Geliebten reingezogen wurde. Mein Blick wanderte zu Frankie, deren Atem nur noch stockweise ging. Sie war röter im Gesicht als jemals zuvor und ich hatte schon gesehen, wie dieses Mädchen vor Wut wortwörtlich kochte. Für die sonst selbstbewusste und mutige Frau in ihr war das wie ein Schlag in die Magengegend. Die unabsichtlich ausgelöste Demütigung tropfte ihr beinahe schon aus den Poren.

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