24 | Wofür Briefe erfunden wurden

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Ein Hupen erklang von vor der Haustür, was mein Herz zum Rasen brachte. Das musste River sein, denn ich hatte mich mit niemandem verabredet, aber dennoch hatte er vielleicht das Bedürfnis mich zu sehen. Oder zumindest war es das, was ich mir einzureden versuchte, weil er derjenige war, den ich vor allen anderen sehen wollte.

»Illian sollte sich dringend beruhigen«, murrte Dad, der in die Küche schlurfte und sich den Schlaf aus den Augen rieb. Ich sah ihn verwirrt an, ehe mir auffiel, dass das Hupen nicht aufgehört hatte. Und wenn Dad sagte, dass es Illian war, dann hatte er wohl sein Auto wiedererkannt. Ich gab mir Mühe, nicht enttäuscht zu sein und schmunzelte stattdessen.

»Definitiv. Seit wann stehst du denn so früh auf?«

»Seit gewisse Menschen die ganze Nachbarschaft mit ihrem Hupen aufwecken wollen.« Er goss sich ein Glas Milch ein, während Mom in die Küche eilte. »Hast du gesehen, dass Illian draußen auf dich wartet?« Dad holte ein weiteres Glas für Mom. »Nein, aber wir haben es gehört. Außerdem ist er mit Abstand der einzige Jugendliche auf diesem Planeten, der um diese Uhrzeit schon Nerven für sowas hat.«

Ich lachte, während Mom sich Mühe gab, Dad streng anzublicken. Ihre funkelnden Augen verrieten aber, dass sie es ebenfalls witzig fand. Dad war die Definition eines Morgenmuffels. »Du solltest den Jungen nicht zu lange warten lassen«, sagte er.

Ich zog eine Augenbraue in die Höhe und trank in aller Seelenruhe meinen O-Saft aus. »Damit das Hupen aufhört?«

»Wieso denn sonst?«

Ich lachte erneut, ging aber ins Bad, um mir schnell die Zähne zu putzen und meine Haare zu kämmen. Ich trug mir eine Schicht Lipgloss auf und lächelte mich im Spiegel an, ehe ich endlich zu Illian eilte und in sein Auto einstieg. »Gibt es einen Grund, so früh aufzustehen und zu hupen wie ein Verrückter?« Einige meiner Nachbaren waren aus ihrem Haus gekommen und schienen sich zu überlegen, was sie mit ihm anstellen sollten, ohne dafür ins Gefängnis zu kommen. Er rollte mit den Augen, stellte sein Hupkonzert allerdings endlich ein.

»Dir auch guten Morgen, Dar. Ich hole dich gerne ab. Gibt es irgendeinen Grund, wieso du so lange brauchst, um aus dem Haus zu kommen? Ich war doch so motivierend.«

Ich lachte schon wieder und kurbelte mein Fenster herunter, um den Fahrtwind zu genießen. Heute war es zwar trocken, dafür aber relativ kühl und windig. Ich fasste meine Haare zu einem Zopf zusammen, damit mir der Wind kein Nest aus meinen Haaren machte, wenn ich mir schon die Mühe gemacht hatte, sie zu kämmen.

»Warst du nicht. Außerdem ist deine Laune Keller, wenn ich deinen Gesichtsausdruck richtig deute. Du hättest mich nicht abholen müssen, wenn es dir nicht gut geht, Illian. Haben meine Eltern dich dazu verpflichtet?«

Illian blickte mich kurz verwirrt an, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder der Straße widmete. »Nein? Wieso sollten deine Eltern mich dazu verpflichtet haben? Allgemein – wie kommst du darauf, dass ich es getan hätte, wenn es so wäre? Sie können schließlich nicht kontrollieren, auf welcher Route ich zur Schule fahre.«

Ich zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich doch auch nicht. Du holst mich sonst nie ab. Ich dachte, dass sie dir von gestern erzählt hätten.«

»Was war gestern – oh warte! Dein Date? Wie war der Abend?«

Ein weiteres Schulterzucken meinerseits. »Nicht so gut. Naja, eigentlich ganz okay, dann hat mich Bash aber geküsst, während ich ihn nicht küssen wollte. Es ist merkwürdig, weil ich mir das eigentlich immer gewünscht habe, aber als es dann geschehen ist, war es unangenehm und ich wollte, dass er aufhört, aber er hat es nicht getan und dann bin ich gegangen.« Illian ging so abrupt auf die Bremsklötze, dass mein Gesicht vermutlich Brei gewesen wäre, wenn ich mich nicht angeschnallt hätte. »Illian! Pass auf, wie du fährst! Das ist die Straße, keine Rennbahn verdammt!«, schimpfte ich und war heilfroh, dass hinter uns niemand war. Es hätte weiß Gott was geschehen können.

Kiss Me On PaperWo Geschichten leben. Entdecke jetzt