11 | Der Klub der Verbannten

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»Seit wann geht man raus, wenn man einen Sonnenbrand hat und die Sonne vom Himmel herunterbrennt?«

»Seit wann geht man raus, wenn man ein Veilchen hat?«, konterte ich genervt und ließ mich etwas widerwillig neben River auf ein Bänkchen plumpsen. Anscheinend aß er auch hier draußen. Ich nahm an, dass er seinen eigenen Haufen an Menschen hatte, denen er aus dem weg ging. Ich fragte nicht nach. Aber ich nahm wahr, wie er einige Male zusammenzuckte, als er sich bewegte oder umpositionierte, sodass möglichst viel von ihm in den mickrigen Teil passte, der so etwas ähnliches wie Schatten hatte. Hätte es noch mehr solche Plätzchen gehabt, wäre ich nicht zu ihm gekommen. Scheinbar war also doch etwas an den Gerüchten dran, von denen Illian erzählt hatte. Ich schluckte mein schlechtes Gewissen herunter, denn genau genommen war das gar nicht das Problem dieser Diskussion gewesen.

»Hat das eine etwas mit dem anderen zu tun?«

»Nein.«

Und dann schwiegen wir beide wieder. Es war verrückt, wie wenig wir uns eigentlich zu sagen hatten, obwohl wir anscheinend so viele soziale Aktivitäten gemeinsam machten.

»Was machst du überhaupt hier? Ich bin mir sicher, dass deine Freunde dich am liebsten dafür häuten würden, dass du am Freitag mit mir nach Hause gefahren bist.« Damit hatte er nicht unrecht, aber ich wollte trotzdem nicht unbedingt darüber reden.

»Meine Freunde sind nicht ganz unschuldig, weißt du? Eigentlich wäre es niemals dazu gekommen, wenn gewisse Menschen nicht einfach irgendwelche Entscheidungen getroffen und anderen die Nase gebrochen hätten.«

River brummte zustimmend, sah allerdings nicht zu mir, sodass ich nicht lesen konnte, was ihm ins Gesicht geschrieben stand.

»Und was tust du hier?«, fragte ich ganz unschuldig zurück, worauf River bloß schnaubte und eine Pommes von mir stahl. Ich warf ihm einen empörten Blick zu, aber er zuckte nur mit den Schultern und zwinkerte. Dann schien er über meine Frage nachzudenken und sein Gesichtsausdruck wurde etwas dunkler.

»Ist die Frage ernst gemeint? Ich bin mir sicher, dass du nicht hinter dem Mond lebst und mitbekommen hast, dass ich die Gerüchteküche eigentlich nicht noch weiter anfeuern möchte.«

Ich zuckte mit den Schultern. Also versteckte er sich tatsächlich hier, so wie ich es geahnt hatte. »Ich wollte nur nett sein und zurückfragen.«

»Hat es sich gelohnt?«

»Keine Ahnung. Sag du es mir, River. Weißt du, ich werde einfach nicht schlau aus dir.«

River klaute eine weitere Pommes und erntete dafür einen finsteren Blick. Dafür stahl ich ihm eine Datteltomate aus seiner Essensbox, die mit verschiedenem, geschnittenem Gemüse gefüllt war. Interessante Wahl für einen Kerl in seinem Alter, wo sie doch dafür bekannt waren, angeblich allergisch auf gesunde Nahrung zu sein.

»Ach ja? Ist das denn wichtig?«

»Natürlich. Du willst doch befreundet mit mir sein. Dann sollte ich dich schon halbwegs verstehen können.«

River sah aus, als fände er diese Aussage schwachsinnig, zuckte dann aber mit den Schultern.

»Okay, wenn du so willst. Was verstehst du denn nicht?«

»Wie du deine Laune immer änderst. Echt, du bist sehr wankelmütig. Einmal wütend, einmal schweigsam, dann wieder gesprächig, dann wütend oder sonst was und das ist verwirrend.«

Ich sah auf meine Finger, weil ich wusste, dass meine Wangen Feuer gefangen hatten. Eigentlich hatte River recht und es ging mich nichts an, aber es interessierte mich trotzdem und dagegen konnte ich einfach nichts tun. Vor allem, nachdem er mich heute Morgen mit seiner Laune so aufgewühlt hatte.

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