River kam während der nächsten Mittagspause nicht zu uns. Ich empfand das ärgerlich, denn ich hatte seinem Verhalten abgelesen, dass er den Deal für abgeschlossen hielt und sich automatisch zu uns setzen würde. Aber River sah uns nicht einmal an, stattdessen tat er, was ich niemals erwartet hätte, und betrat mit seinem Bruder die Cafeteria. Meine Freunde starrten ihn nieder, so wie es eigentlich alle anderen auch taten und ich fühlte mich automatisch schlecht dafür. Es war kein Wunder, dass er nicht gerne mit seinem Bruder hierherkam, wenn das die Reaktion darauf war. Bash ignorierte die Aufmerksamkeit genauso gekonnt wie sein Bruder. Mir gingen die Worte, die River mir am Morgen gesagt hatte, nicht aus dem Kopf. »Wer fängt dich auf, wenn du es nicht selbst tun kannst? Niemand.« Ein Teil von mir glaubte ihm nicht, aber wer konnte die Situation schon beurteilen? Er sah aus, als hätte er ein akzeptables Verhältnis zu seinem Bruder und doch war die ganze Situation merkwürdig. Er konnte nicht vergessen haben, Bash als Antwort aufzuzählen, denn er hatte ihn beobachtet. Aber er hatte ihn nicht erwähnt. Und das Ziel des Deals war es ohnehin, dass er eben genau nicht mit Bash und seinen Freunden sitzen musste, sondern seinen eigenen Weg einschlagen konnte.
»Ich finde ihn arrogant«, bemerkte Frankie und riss mich aus meinen Gedanken.
»Ich auch«, stimmten Delilah und Illian gleichzeitig zu. Ich rollte mit den Augen.
»Wir finden beinahe alle Leute arrogant.«
»Noch lange kein Grund, River zu verteidigen. Ich schwöre es dir, Dar, dieser Typ ist nicht normal.« Vielleicht war er einfach introvertiert. Oder einsam.
»Weil er dich Frankenstein genannt hat?«, wollte ich amüsiert wissen.
»Unter anderem.«
»Das ist vielleicht nicht nett, aber das geschieht ja auch nicht jeden Tag, oder?«
»Bevor er das Gefühl hatte, sich selbst einladen zu müssen, ist es gar nicht passiert.«
»Das heißt noch lange nichts. Ich verstehe nicht, was du mir sagen möchtest, Frankie.« Sie, Deli und Illian tauschten einen langen Blick, was mich wütend machte. Sie hatten sich also schon auf etwas geeinigt, ohne es mit mir zu besprechen. Oder sie wollten mir alle zusammen eine Botschaft vermitteln, von der sie wussten, dass sie mir nicht gefallen würde.
»Wir möchten nicht, dass du den Handel eingehst, Darlene. Bash kann so etwas nicht Wert sein. River könnte ein totaler Psychopath sein. Wir wissen nichts über ihn und deshalb sollte er nicht an unserem Tisch sitzt.«
Ich schnaubte. »Gestern ist er schon hier gewesen. Und er hat sich normal verhalten.«
»Er war unhöflich.«
»Jeder kann mal unhöflich sein«, konterte ich. Ich hatte konkret nichts dagegen, dass River an unserem Tisch saß, aber ich hasste die Argumente meiner Freunde. Es war, als verschwiegen sie mir etwas und das hatte ich nicht verdient. »Vor allem, wenn man einen schlechten Tag hat oder die anderen alle auch sehr unhöflich zu einem sind.«
»Wieso verteidigst du ihn jetzt so, Darlene? Du kennst ihn nicht einmal, oder?« Bockig zuckte ich mit den Schultern. Ich musste ihn nicht kennen, um Mitleid mit ihm zu haben. Ich begrüßte die Situation nicht, aber River war ein normaler Junge, so wie Illian es war, und ihn ließen wir auch bei uns am Tisch sitzen. War es so schwierig, einer fremden Person eine Chance zu geben?
»Eben. Er ist nicht gut und wir wollen unseren Frieden haben.«
»Aber-...«, setzte ich an, doch Illian unterbrach mich.
»Und damit basta, Darlene.«
Da ich das River irgendwie mitteilen musste, hatte ich beschlossen, ihm einen Zettel zu schreiben. Ich war zwar nicht glücklich damit, aber wer musste schon glücklich sein, wenn die Freunde es waren? Wütend stapfte ich durch den Flur, bis ich bei dem Spind in der Umkleide landete, welcher River gehörte. Gott, es stank hier so abartig nach...Männern. Oder vielleicht nahm ich das in meiner trotzigen Gestalt auch nur so wahr. Als ich versucht hatte, in Rivers Spind einzubrechen, hatte es hier bestimmt noch nicht so gerochen, sonst wäre es mir bestimmt aufgefallen. Ich riss den Zettel beinahe entzwei, als ich ihn aus meiner Tasche fischte und zwischen die Rillen des Spindes warf. Diesmal hatte ich mich wenigstens vergewissert, dass ich den richtigen erwischte. Wäre auch peinlich geworden, wenn nicht. Es war schon schlimm genug, dass es überhaupt geschehen war, denn deswegen war ich nun hier gelandet.
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Kiss Me On Paper
HumorDarlenes Leben besteht aus einem Haufen Unsicherheiten - von der Kleider- bis hin zur Studienwahl. Nur eines weiß sie: Dass sie unbedingt mit dem Football-Captain der Callisto High zusammenkommen möchte. Bash Bradbury ist nämlich alles, was sie bege...