18 | Ms. Wasser und Mr. Coca Cola

5.2K 279 145
                                    

River und ich unternahmen an diesem Samstag doch nichts Spezielles gemeinsam. Vielleicht waren seine Ehrlichkeit und das Geständnis seiner Hilflosigkeit das wichtigste Bekenntnis unserer Freundschaft, obwohl sie mein Herz zu Pudding gemacht hatten.

»Riv?«

»Ja, Darling?«

»Hast du ein Pyjama dabei?«, wollte ich wissen. Wir hatten schließlich beschlossen, zu Delis Party zu gehen und nicht mehr irgendwelche Experimente zu machen, wenn wir sie sowieso nicht ernst meinten und in Gedanken bei etwas vollkommen anderen waren. Das war weder uns gegenüber fair, weil wir es so nicht genossen hätten, noch war es besonders unterhaltsam.

»Nein.«

»Warte was? Ehrlich?«

»Nein, unehrlich. Natürlich ehrlich, Darling. Was meinst du denn, was ich dort vorhabe? Einhörner zu kotzen und Addie in den Arsch zu kriechen? Vielleicht im nächsten Leben. Kein Pyjama dabei zu haben, ist die beste Entschuldigung sich rechtzeitig wieder verkriechen zu können.« River schenkte mir ein raffiniertes Grinsen, welches seine unendliche Traurigkeit überdeckte. Mein Mund klappte auf.

»Das ist unerhört! Wir haben versprochen, dass wir kommen. Es ist eine Pyjama-Party! Was willst du dort denn tun, wenn du nicht übernachtest? Du kannst nicht einfach kneifen, Mr. Bradbury.«

»Oh ich kann und ich werde. Ich bin dort sowieso nur ein Stimmungskiller. Delilah hat mich wahrscheinlich nur eingeladen, um ihr schlechtes Gewissen zu decken, falls sie es nicht getan hätte, während ich gleich neben dir saß. Wobei ich sagen muss, dass das taktisch nicht unbedingt schlau von ihr war, dich dort zu fragen. Habt ihr nicht einige Klassen zusammen? Sie hätte dich besser dort gefragt.«

Okay, ehrlich gesagt hatte ich mir ebenfalls schon überlegt, dass Delis Beweggründe, River einzuladen vielleicht nicht vollends selbstlos waren, aber am Ende des Tages machte das auch keinen Unterschied, denn er hatte eingewilligt zu kommen, also musste er auch wirklich an der Party teilnehmen.

»Du kannst mich dort nicht allein lassen, Riv. Deli und Addie werden bestimmt irgendwann nur noch rumknutschen, Frankie und Illian starten vermutlich eine Kissenschlacht, bei der am Schluss nur noch Fäuste und Flüche fliegen und dann bleibt nur noch Bash.«

Rivers Augenbrauen schnellten in die Höhe. »Was ist das Problem dabei? Du bist doch in ihn verliebt.«

»Ja. Warte, was? Nein!«, entgegnete ich. Zumindest glaubte ich das. Je mehr ich von Bash wusste, desto weniger mochte ich ihn tatsächlich. Er tat oft gute Dinge aus den vollkommen falschen Gründen und je mehr Beachvolleyball ich mit ihm spielte, desto mehr wollte ich in einen Kurs, wo man lernte, wie man Aggressionsprobleme unter Verschluss hielt, weil das am Ende in mir übrigblieb, wenn er mir etwas beibrachte. Am Anfang hatte ich mich geehrt gefühlt, dass Bash mir das Spiel beibringen wollte, aber ich vermutete, dass er es nur tat, weil er dadurch in einer Art höheren Position war und sich dadurch stärker fühlte. Aber vielleicht bildete ich mir das auch nur ein, denn es konnte nicht sein, dass sich mein Bild von ihm in so kurzer Zeit um 180 Grad gedreht hatte, wenn es noch immer um denselben Menschen ging.

»Aha? Tja, dann mein Beileid, wenn die Papierflieger in die zweite Runde gehen und du ihm einen zweiten Brief schreiben kannst, während du anscheinend ja seinen ersten vergessen hast.«

Ich stöhnte entnervt auf. »Die zweite Runde habe ich vergessen.« Es war schon genug erniedrigend gewesen, sich mit dem ersten Brief auseinanderzusetzen. Es gab absolut keine Möglichkeit auf diesem Planeten, dass ich ihm einen weiteren schreiben würde. Was würde ich da überhaupt sagen? Es tut mir leid, dass ich dir keinen Brief geschrieben habe? Also, doch, eigentlich habe ich ihn schon geschrieben, aber er ist einfach nie bei dir gelandet, sondern bei deinem Bruder. Und mittlerweile weiß ich auch nicht mehr, was ich zu dir sagen würde, denn die Dinge haben sich geändert. Ich wollte immer so viel von dir, Bash, vor allem deine Aufmerksamkeit und dass wir gemeinsam Zeit verbringen. Und dann hat dieses Semester angefangen und mittlerweile weiß ich nicht mehr, ob ich mir da tatsächlich etwas gewünscht habe, was ich effektiv haben möchte. Das konnte ich unmöglich so formulieren. Wenn ich etwas gelernt hatte, dann war es wohl, dass man vorsichtig sein sollte, was man in einem Brief festhielt. Denn wenn er einmal irgendwo ankam, konnte man die Worte nicht mehr zurücknehmen.

Kiss Me On PaperWo Geschichten leben. Entdecke jetzt