»Wieso machst du dir jeden Morgen die Mühe, bei so etwas Langweiligem zuzusehen, Penfold?«
»Wieso machst du dir die Mühe, mich schon so früh am Morgen zu nerven, Bradbury?«, schoss ich zurück, ohne dabei die Augen von meiner Kamera-Linse zu nehmen. Ich liebte es, wie das Sonnenlicht sich morgens spiegelte. Es tauchte die Welt in ein Kaleidoskop von satten Farben, die ich jedes Mal begierig einfing.
»Weil ich nichts Besseres zu tun habe, Darling.«
»Du könntest schweigen«, schlug ich vor und grinste River nun doch an. Vielleicht, weil mir auf die Schnelle eine gute Antwort eingefallen war. Eigentlich hätte ich das nicht tun sollen, denn River störte mich im Moment nur bei meiner Kunst und normalerweise ertrug ich es nicht, wenn mir jemand dabei zusah oder gar mit mir sprach. Ich brauchte für gewöhnlich meine Ruhe, weil ich schnell durch die Präsenz anderer verunsichert wurde.
»Langweilig. Außerdem würde ich dann verpassen, wie du meinen Bruder so offenherzig anschmachtest. Das hat nämlich nichts mehr mit Selbsterhaltung zu tun und ich frage mich, ob du das überhaupt selbst merkst.«
»Also bist du hier, um mich zu kritisieren? Dann kannst du genauso gut auch gehen, Tartaruga.« River schnaubte und stützte sich mit dem Ellbogen auf die Sitzplätze eine Reihe hinter uns. Seine dunklen Haare fielen ihm unordentlich in die Stirn und es war unverkennbar, dass er vor Kurzem geduscht hatte, denn er war nicht nur halb nass, sondern roch auch noch markant nach einer Mischung von salzigem Karamell und Zedern. Eine Mischung, die definitiv zum Benebeln der Sinne erfunden worden war.
»Ich bin nicht hier, um dich zu kritisieren. Siehst du den Typen da? Das ist mein Bruder. Ist dir vielleicht auch schon aufgefallen.« Seine kupferfarbenen Augen funkelten vor Herausforderung und ich schnaubte. River hatte den Ruf, ein Einzelgänger und in sich gekehrt zu sein, aber dafür mischte er sich erstaunlich oft in die Angelegenheiten anderer ein. Oder besser gesagt in meine Angelegenheiten. Was ich tat oder wem ich zusah, war nicht seine Sache.
»Nein, eigentlich ist mir das nicht aufgefallen, wenn du es schon wissen willst. Ihr seid euch gar nicht ähnlich. Ihr tut nicht mal so, als wärt ihr befreundet, sondern ignoriert ihr ständig«, ging ich dennoch auf seine Aussage ein. Vermutlich hätte ich das aber lieber bleiben lassen sollen, denn Rivers Gesichtszüge entgleisten ihm. Noch nie hatten Augen so schnell ihren Glanz verloren, wie die von River es gerade taten. Ich schluckte und schlug mir innerlich gegen die Stirn. Schon gestern war ich zu unsensibel gewesen und hatte darauf losgeredet, ohne darüber nachzudenken. Er hatte gleich reagiert und ich hatte nichts daraus gelernt. Ich genoss seine direkte Art und dass er so erpicht darauf war, mir das Leben schwerzumachen, nicht, aber das bedeutete nicht, dass ich es genoss, seine Gefühle zu verletzen.
»Wie meinst du das?«, fragte River ruhig. Ich verzog das Gesicht, denn ich spürte, dass er das Thema nicht fallen lassen wollte und mich so lange dazu ausfragen würde, bis ich ihm eine Antwort gab.
»Na, ich weiß doch auch nicht. Ihr seid ein wenig wie Ying und Yang. Bash ist insgesamt ein Sunnyboy und du bist eben das Gegenteil. Er ist beliebt und du siehst ihm dabei zu. Er ist einfach so offen und über dich weiß kaum jemand etwas.« Er ist das Leben und du bist sein Schatten. Ich traute mich nicht, diesen Gedanken auszusprechen, allerdings war es auch nicht nötig. River war vielleicht verloren in seiner eigenen dunklen Welt und hielt sich gerne von allen fern, aber er war keinesfalls ahnungslos. Und diese Eigenschaften waren auch keinesfalls schlecht, sondern sie waren so gegensätzlich, dass ich mich manchmal fragte, wie die beiden unter einem Dach zusammenleben zu können, ohne wie Fremde aufeinander zu wirken.
»Magst du ihn deshalb so sehr? Weil er all die Dinge darstellt, die du gerne hättest?«
Meine Augenbrauen schossen in die Höhe und ich klammerte meine Finger um die Bändel meiner Kamera etwas fester.
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Kiss Me On Paper
HumorDarlenes Leben besteht aus einem Haufen Unsicherheiten - von der Kleider- bis hin zur Studienwahl. Nur eines weiß sie: Dass sie unbedingt mit dem Football-Captain der Callisto High zusammenkommen möchte. Bash Bradbury ist nämlich alles, was sie bege...