21 | Lachen ist die beste Medizin

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Ich fühlte mich krank, obwohl ich gesund war. Nun, zumindest so gesund, wie man sein konnte, wenn man vor Rückenschmerzen und Bauchkrämpfen beinahe starb. Ich versuchte beides so gut wie möglich auszublenden. Bei beidem scheiterte ich kläglich. Meine Glieder taten weh, mein Kopf explodierte beinahe – was ich noch immer Bash zu verdanken hatte – und ich hatte Blasen an den Füßen. Ich hatte die Arme über meinem Pult verschränkt und versuchte so gut wie möglich durch den Unterricht zu schlafen. Das war zwar alles andere vorbildlich, aber ich litt so oder so, also konnte ich genauso gut versuchen, die Situation so angenehm zu machen, wie es für mich eben möglich war. Vermutlich hätte ich in diesem Zustand besser zuhause bleiben sollen, denn ich war mir nicht sicher, wem ich einen Gefallen tat, wenn ich so zur Schule kam. Denn als Krönung meines Leids war meine Laune auch noch im Keller. Ich versuchte, nicht zu sehr an River zu denken, aber das Armband hing wie eine permanente Erinnerung an mir, was ich wohl kaum ausblenden konnte.

»Was ist denn mit dir passiert?«, fragte Frankie, die ihre Tasche auf das Pult neben mir legte.

»Mathematik«, log ich. Noch eine Stunde, dann war Mittag. Ich plante, dann heimzugehen. Ich brauchte Schlaf und Ruhe. Hier kriegte ich kaum welchen und ich bekam auch nichts von alledem mit, was gesagt wurde.

»Ehrlich? Du bist doch so gut in Mathe«, munterte sie mich auf. Es funktionierte nicht. Stattdessen vergrub ich den Kopf in wieder in meinen verschränkten Armen.

»Oh, komm schon, Dar. Sieh mich an«, forderte Frankie mich sanft auf, worauf ich den Kopf hob, um sie vorsichtig zu betrachten. »Wir wissen beide, dass das nicht wahr ist. Willst du mir erzählen, was geschehen ist?«

River. Das war geschehen. Aber natürlich konnte ich ihr das nicht so sagen, also zuckte ich mit den Schultern. »Ich habe es verpasst, mich für einige Studiengänge anzumelden. Keine Notfalllösungen also. Nur die klassischen Möglichkeiten.«

Was nicht wirklich ein Problem war, seit ich sowieso keine Ahnung hatte, was ich mit meiner Zukunft anfangen wollte. Ich hatte einen ganzen Haufen Planlosigkeit vor mir. Ich redete mir ein, dass mich das nicht zusätzlich belastete, aber heute war einfach ein schlechter Tag, weil sich alles gesammelt hatte und ich keine einzige Lösung für meine Probleme hatte.

»Ich bin mir sicher, dass sie auch eine Ausnahme machen, wenn du ganz lieb fragst. Dir kann sowieso niemand widerstehen, Dar. Und alle Lehrer lieben dich.«

Diesen Satz hatte ich schon oft gehört. Vielleicht hing das damit zusammen, dass ich schon oft daran gedacht hatte, dass ich keine konkreten Pläne hatte und mir daher am liebsten viele Möglichkeiten offenhielt. Wobei man auch erwähnen musste, dass ich allgemein versuchte, nett zu allen zu sein. Es gab ohnehin genügend unfreundliche Leute auf diesem Planeten und damit wurden auch keine Probleme gelöst.

»Okay«, grummelte ich, bewegte mich allerdings nicht. Einige Minuten verharrte ich in dieser Position, bis Frankie mich wieder zu plagen begann und mit dem Stift in die Seite piekte. Dabei hatte der Unterricht noch nicht einmal angefangen. Ich ignorierte es zuerst, bis es mir allerdings zu penetrant wurde. »Was?«, zischte ich Frankie an, die nur eine Augenbraue in die Höhe zog. Ich seufzte, weil mich sofort mein schlechtes Gewissen übermannte. Ich wollte meine schlechte Laune nicht an ihr auslassen. »Tut mir leid«, fügte ich also hinzu, sah sie allerdings noch immer abwartend an. Aus irgendeinem Grund wollte sie meine Aufmerksamkeit wohl haben, denn sonst hätte sie mich in Ruhe gelassen. Frankie tat selten etwas, wenn sie sich unsicher war, ob es eine gute Idee war. Oder zumindest tat sie nichts, ohne einen Plan zu haben. Ihre Definition von einer guten Idee entsprach nämlich nicht unbedingt der Norm.

Aber ich bewunderte Frankie für ihre Zielstrebigkeit. Sie arbeitete schon seit Ewigkeiten auf ihr Ziel hin, eine Feuerlöscherin zu werden – falls man das so nannte. Feuerwehrfrau klang jedenfalls nicht besser. Vielleicht wollte sie auch einfach ein Hydrant werden. Bei dem Gedanken zuckten meine Mundwinkel, bis mir wieder einfiel, dass das bei River auch oft geschah, wenn er Dinge amüsant fand. Sofort legte sich die schlechte Laune wieder über mich wie eine Decke. Ich unterdrückte ein Seufzen. Das würde ein langer Tag werden.

Kiss Me On PaperWo Geschichten leben. Entdecke jetzt