Kapitel 5 - Erkennen

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Schon seit Wochen musste er jeden Tag das gleiche Programm ertragen.
Pünktliches Aufstehen, zehn Minuten Vorbereitung, zehn Stunden Training, eine halbe Stunde Pause, danach wieder zehn Stunden Training.
Abschließend Übungen für die kognitiven Funktionen. Bis er für fünf oder sechs Stunden schlafen durfte.
Danach ging es von neuem los. Wieder und wieder und wieder.

Er konnte schon gar nicht mehr zählen, wie lange das so ging.
Aber alle sagten ihm, dass er immer besser wurde. Doch worin wurde er besser?
Welche Werte meinten sie? Das konnte oder besser gesagt wollte ihm niemand sagen.
So wich er Tag für Tag herannahenden Übungsdroiden aus, sprang höher und höher, je mehr er trainierte.
SFT hatte sich in seiner wenigen freien Zeit einige Holo-Aufzeichnungen darüber angesehen, wie seine Vorgänger diese Trainingsmissionen absolviert hatten.
Sie waren Klone wie er. Und dennoch ganz anders.

Sie benutzten Waffen, um die Droiden auszuschalten. Blaster, Gewehre, Bowcaster, Granaten.
So viele von ihnen waren vor ihm in diesen Trainingsräumen:
Reguläre Klonsoldaten, ARC-Soldaten, Scouts, Republic Commando-Elitesoldaten und das berühmte Bad Batch.
Alle von ihnen rangen die Droiden mit Waffengewalt nieder.
Sie brauchten Waffen, SFT nicht.
Er selbst war seine Waffe.

Es dauerte nicht lange, bis er die Droiden so verstand, dass kein Schuss ihn mehr treffen konnte.
Ohne hinzuschauen, wusste er, wohin die Droiden liefen, wie oft sie feuerten, was sie ihm entgegenwarfen.
SFT spielte seine Gegner gegeneinander aus und erledigte den Rest mit seinen Fäusten und allem, was er auf dem Schlachtfeld finden konnte.
Wieder standen ihm vier Droiden gegenüber.
Den beiden auf seiner linken Seite nutzte er als Deckung, während er diese mit Druck zerquetschte.
Diesen Schrott warf er dann den anderen beiden Droiden entgegen, um diese schließlich mit einem Tritt ebenfalls auszuschalten.

“Höchst beeindruckend”, sagte Nala Se oben im Überwachungsraum zu ihren wissenschaftlichen Kollegen. Lama Su stand neben ihr und beobachtete den Klon ebenfalls.
“Wir sollten zur nächsten Phase des Programms übergehen”, schlug der Premierminister vor. “Es wird Zeit, Dynamik in die Forschung zu bringen.”
Nala Se drehte sich zweifelnd um. “Seid Ihr Euch sicher? Er könnte noch nicht bereit sein. Emotional ist er noch sehr instabil.”
Doch Lama Su beharrte auf seinen Plan. “Er wird von nun an die neuen Tests bekommen.”
Seine Stimme hatte etwas Definitives, und es brachte Nala Se daher nichts, ihm zu widersprechen.

“Es wird Zeit, dass Kamino wieder als strahlender Punkt auf der Landkarte der Galaxis erscheint”, führte Lama Su fort.
Selbstverständlich war das auch Nala Ses Ziel, aber sie wollte als wissenschaftliche Leiterin auch nicht gefährden, dass ihr Produkt zu stark überlastet wurde.
Dann sah Lama Su seine Untergebene eindringlich an. “Starten Sie die Tests".”
Daraufhin verließ er den Raum und ließ Nala Se nachdenklich zurück.

SFT machte sich nach einem anstrengen Tag in seinem Quartier daran, weitere Aufzeichnungen zu studieren, was ihm trotz der Strapazen des Tages ohne Probleme gelang.
Er hatte ein ungeheures Durchhaltevermögen und wusste, dass dies einem höheren Zweck diente.
Als sich die Tür öffnete, schreckte er sofort hoch und stand stramm.
So wie jedes Mal, wenn er morgens abgeholt wurde.

Doch herein kamen heute keine Betreuer, sondern Nala Se persönlich.
Sie wirkte zum ersten Mal nicht so förmlich, sondern beinahe schon familiär.
“Wie fühlst du dich?”, fragte sie ihn.
SFT zuckte mit den Schultern. “So wie jeden Tag. Bereit für den nächsten.”
Nala Se schaute auf ihr kleines Datenpad, welches sie stets mit sich trug, um darin Notizen oder Gesprächsaufzeichnungen zu hinterlassen.
“Gut. Bitte tue mir einen Gefallen und passe auf deine körperliche Verfassung auf.”

SFT kniff die Augen zusammen. “Was meinen Sie? Ich dachte, Sie überprüfen all meine Daten?”
Nala Ses Gesichtsausdruck zeigte etwas Verschwörerisches, einen Zug, den er von ihr noch nicht kannte.
“Daten können nicht alles abbilden. Du wirst bald bemerken, dass es Dinge gibt, die nur du kontrollieren kannst.”
Was genau meinte sie? Bisher wurde er in unendlich langen Auswertungssitzungen bewertet, kategorisiert und eingeordnet.
Welche Werte seines Körpers und seines Zustandes konnte sie also meinen?
Er wusste von manchen bekannten und einsehbaren Werten nicht einmal, was sie bedeuteten.

Vorerst ließ er sich aber auf das Spiel ein. Zumal war Nala Se für ihn wie etwas, das andere Lebewesen ‘Mutter’ nannten.
Die Kaminoanerin stand wieder auf und ging zur Tür.
Nun war sie wieder ganz in ihrem wissenschaftlichen Element. “Ich gebe dir noch einen Hinweis”, begann sie ernst.
SFT sah zu ihr und wartete.
“Lasse dir von niemandem sagen, was du nicht kannst. Tue es.”
Mit diesen Worten verließ sie sein Quartier und ließ ihn ratlos zurück.

-

Der nächste Morgen verlief anders als sonst.
Dieses Mal ging es nicht aus seinem Quartier geradewegs in die Trainingsarena, sondern in einen anderen Raum, wesentlich dunkler, enger und komplexer.
SFT sah zwar keine Griffe an den Wänden, sie wirkten glatt wie Eis. Aber er fühlte, dass dieser Raum etwas verbarg.
Auf einem Podest am anderen Ende des Raumes stand wieder Nala Se mit ihrem Team.
Auch der Premierminister war wieder anwesend.

“Guten Morgen, SFT-008. Ab heute ändern wir deinen Trainingsplan. Von nun an wirst du mehr auf geistiger und kognitiver Ebene geprüft.
Fürs Erste besteht deine Aufgabe darin, uns zu erreichen”, erklärte Nala Se ihm seine Aufgabe.
SFT sah sich um, konnte aber nichts erkennen, was er dazu nutzen konnte, um die hohe Plattform zu erklimmen.
Er wusste aber, dass da etwas sein musste.
Bisher hatte jede Aufgabe, welche die Kaminoaner ihm gestellt hatten, einen Sinn.
Also musste auch diese hier eine Lösung beinhalten.

Er kramte in seinem Gedächtnis, in welchem er sämtliche Schlachtpläne abgespeichert hatte. Sämtliche Vorgehensweisen, Besonderheiten und Fähigkeiten.
Bis er an die Generäle dachte, welche während der sogenannten Klonkriege einst die Truppen angeführt hatten: die Jedi.
Sie konnten Dinge tun, die kein Klon ausführen konnte. Sie beeinflussten ohne Waffen ihren Gegner, wehrten teils schweres Blasterfeuer ab und nutzten eine ominöse Kraft, die ‘Macht’. Sie sagten, dass jedes Lebewesen Teil der lebendigen Macht ist. Jedes Geschöpf wurde von dieser erfüllt.
So sagte es zumindest die Legende.

Er auch? Konnte er ebenfalls die Macht nutzen? War dies dieses sonderbare Gefühl, welches er immerzu spürte?
Das Kribbeln, die Gedanken, das Wissen, welches er besaß. Die Reflexe, die ihn bislang vor allem bewahrt hatten.
Es gab nur einen Weg, um das herauszufinden.
SFT ging mehrere Schritte zurück und fixierte die Plattform, knappe fünf Meter über ihm und unerreichbar für jedes menschliche Wesen.

“Er kann es schaffen”, flüsterte Nala Se zum Premierminister. “Ich kenne diesen Blick bei ihm.”
“Hoffen wir es”, antwortete der Kaminoaner kühl. “Das hier ist der bislang wichtigste Moment unserer Forschung.”
Dann beobachteten sie, wie SFT los lief, direkt unter ihnen in die Hocke ging und mit aller Kraft absprang.
Es dauerte keine zwei Sekunden, da stand SFT vor den teilweise deutlich überraschten Wissenschaftlern. Er atmete nicht schwer und nicht einmal ein Schweißtropfen war zu sehen. Die Macht hatte ihm bei diesem Sprung geholfen.

Nala Se und Lama Su betrachteten sich.
“Wir haben es geschafft.”

Secrets of the Force - Tano Chronicles Part 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt