Kapitel 6 - Unentschieden

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Am nächsten Morgen klopfte Ahsoka vorsichtig an der Tür von Kyra.
Anakin war bereits draußen und unterrichtete die älteren Jünglinge, wodurch die beiden Frauen Zeit für sich hatten.
Kyra öffnete die Tür, ohne etwas zu sagen, auch Ahsoka, sonst immer so wortgewandt, war still.
Es fühlte sich wie eine halbe Ewigkeit an, doch schließlich fielen sie sich gegenseitig in die Arme.
"Ich weiß, dass ich dir mehr vertrauen muss", sagte Ahsoka. "Du bist etwas besonderes. Und du wirst auch immer etwas Besonderes bleiben."

Kyra schaute auf in das Gesicht ihrer Mutter und lächelte dankbar.
"Aber nun ...", fuhr Ahsoka grinsend fort und gab ihrer Tochter das Lichtschwert, welches diese am Abend ins Gras geworfen hatte. "Ab ans Training! Sonst zwingt Katooni dir wieder Hausarbeiten auf."
"Das wird sie bestimmt nicht noch einmal machen", lachte Kyra in Erinnerung an das letzte Mal, wo Katooni ihr Strafarbeiten aufgedrückt hatte, nachdem sie fünf Minuten zu spät kam.
Ahsoka lachte noch mehr. "Oh doch ... weil ich es ihr genauso beigebracht habe."
Gespielte Bestürzung zeigte sich in Kyras Gesicht und sofort rannte sie los.
Ahsoka sah ihr noch eine Zeit hinterher, ehe auch sie sich zu ihrer Klasse aufmachte.

-

Sie wussten, wie sie die kleinen Jünglinge, egal ob machtbegabt oder nicht, begeistern konnten.
Nach dem Unterricht Ahsokas bat diese Sa'ul, sich ihr anzuschließen.
Und mit 'anschließen' war seit jeher gemeint, dass sich die beiden ein kurzes Duell lieferten.
Das war nicht nur für Ahsokas und Sa'uls Klassen ein Spektakel, sondern auch für fast alle Mitglieder der Machthüter.
Inmitten der Gebäude war ein größerer Platz, welcher alles miteinander verband.
Dort versammelten sich alle, und es wurden minütlich mehr, je länger das 'offene Geheimnis' die Runde machte.

Ahsoka und Sa'ul befanden sich bereits in der Mitte und warteten.
"Heute zeigen wir wieder einem Ex-Imperialen, wie die Neue Republik kämpft", sagte Ahsoka laut.
Der Pau'aner fasste sich übertrieben bestürzt an die Brust. "Du verletzt mich, Ahsoka Tano."
Er griff nach seinem Schwert und aktivierte es. Anfangs war es für ihn nur ein Ersatzschwert, doch seit seiner Zusammenarbeit mit der Neuen Republik arbeitete er an diesem, bis es seinem eigenen Stil entsprach.
Die orangene Klinge blieb und war stets Mittelpunkt seiner Arbeiten.
Er war nicht stolz auf seine Zeit als Inquisitor, doch es war für ihn auch ein Lebensweg. Und er wollte sich nicht verstecken.

Ahsoka kniete sich auf das Gras und schloss die Augen.
Auch Anakin hatte sich inzwischen zu der Traube an Lebewesen aller Art gesellt und betrachtete die beiden Duellanten.
Hinter ihm wetteten Rex und Pinball wieder einmal auf den Sieger des Kampfes, während Jesse neben den beiden nur den Kopf schüttelte.
Die Neuen unter den Schülern rutschten aufgeregt hin und her.
Manche von ihnen hatten noch nie einen Lichtschwertkampf gesehen, andere waren einfach nur fasziniert von den fließenden Bewegungen.

Sa'ul ging langsam auf Ahsoka zu. Doch noch immer rührte die Togruta sich nicht.
Anakin erkannte sofort, was sie vorhatte.
Als Sa'ul ausholte, öffnete Ahsoka ruckartig die Augen und sprang ohne Umschweife hoch in die Luft.
So hoch, dass sie damit Sa'uls Angriff ohne Probleme ausweichen konnte.
Sie stützte sich auf dessen Schultern ab und landete direkt hinter dem Pau'aner, welcher unkontrolliert nach vorne stolperte.

Nun griff auch Ahsoka nach ihren Schwertern und wirbelte um 180 Grad herum.
Sa'ul duckte sich jedoch noch rechtzeitig unter ihrem Angriff hinweg und rollte sich zur Seite ab.
Ahsoka hatte zwar die Oberhand, doch sie hatte Schwierigkeiten mit der präzisen Abwehr ihres Gegners.
Er ließ seine Defensive so wirken, als ob es ihn kaum anstrengte, ihre Angriffe zu blocken. Sa'ul duckte sich gekonnt unter den Attacken weg und setzte seinerseits immer wieder feine Nadelstiche in Ahsokas Richtung.
So hatte sie nicht noch einmal die Möglichkeit, den Takt zu bestimmen.

Allmählich pustete Ahsoka gewaltig, und darauf wartete ihr Gegenüber nur.
Nun warf er sämtliche Kraft in seine Hiebe, allerdings war auch Ahsoka noch längst nicht am Ende.
Ihre Klingen prallten aufeinander und nun war es entscheidend, wer mehr Kraftreserven für diesen Moment hatte.
Ahsoka schien diesen Vergleich zu verlieren, da sich die Klingen immer weiter zu ihr bewegten und sie den Druck in ihren Armen verlor.

Sa'ul grinste bereits siegessicher, er hatte allerdings nicht mit der Agilität der Togruta gerechnet. Obwohl sie bereits so häufig miteinander gekämpft hatten, überraschten sie sich noch immer gegenseitig mit neuen Tricks und Finten.
Es wirkte, als wenn sie nur für diese Kämpfe trainierten und neue Ausweichmanöver übten.
Ahsoka ließ sich nach hinten fallen und lenkte mit ihrer Abwehr das Schwert ihres Gegenübers über sich. Dann setzte sie ihren Machtschub ein und ließ den verdutzten Sa'ul durch die Luft segeln.
Ein Raunen ging durch die Zuschauer. Der Pau'aner erhob sich wieder und sah sich sofort mehreren Hieben ausgesetzt. Dieses Mal nutzte Ahsoka die Überraschung und traf Sa'ul so auf dem falschen Fuß.
Nur mit größter Mühe gelang es ihm, den ersten Ansturm zu überstehen, ehe er sich aus der Falle befreien konnte.
Mehrere Minuten lang bekämpften sie sich auf engstem Raum, und niemand schien über dem anderen zu stehen.

Sie atmeten beide schwer, als Ahsoka schließlich ein letztes Mal Anlauf nahm und mit einem nach vorn gerichteten Schwert auf Sa'ul zulief.
Doch dieser wusste, was die Togruta im Schilde führte. Er drehte sich zur Seite, griff ihren ungeschützten Arm und hielt sie fest. Mit seiner freien Hand richtete er sein Schwert auf ihre Mitte aus und verblieb so.
Sie war besiegt, einen Zentimeter weiter und er hätte sie durchbohrt.
"Hab' dich", sagte er triumphierend, bemerkte danach jedoch auch Ahsokas Grinsen.
"Ich dich auch", antwortete sie und nickte zu ihrer zweiten Hand, in welcher sich ihr Shoto befand. Auch dieses war auf Sa'uls Mitte ausgerichtet.

"Unentschieden also ... mal wieder", lästerte der Pau'aner scherzhaft.
Sie lösten ihren Griff und verneigten sich. "So scheint es wohl", meinte Ahsoka lächelnd.
Die Traube jubelte und löste sich danach langsam auf. Nur Anakin, Kyra, Rex und Katooni blieben stehen, alle anderen machten sich nach dieser kurzweiligen Vorstellung zurück an ihre Arbeit.
"Mit dem Schub hatte ich nicht gerechnet", sagte Sa'ul anerkennend.
"So ist das mit Überraschungen", flachste Ahsoka zurück.
Dann sah sie in die Runde. Alle ihre Freunde standen dort.

Rex, mit welchem sie so viele Erinnerungen teilte. Der sie immer beschützt hatte, so wie sie ihn schon mehrmals gerettet hatte.
Sa'ul, anfangs ein erbitterter Gegner, nun einer ihrer engsten Freunde. Ahsoka musste immer wieder schmunzeln, wenn sie an ihre gemeinsame Vergangenheit dachte.
Katooni, inzwischen zu einer stattlichen Tholotianerin herangewachsen, war nun auch Meisterin. Ahsokas Mentor Plo hatte bei dem Abschluss ihrer Ausbildung ganze Arbeit geleistet.
Kaum jemand konnte so gewandt mit der Macht umgehen, ohne oft das Schwert einsetzen zu müssen.
Natürlich auch Cal, welcher sich den Kampf aber nicht angesehen hatte, zusammen mit Plo. Vermutlich hat der Junge den Kel'Dor wieder in die Verzweiflung getrieben.
Cal Kestis war zwar inzwischen ein ausgebildeter Hüter, aber noch immer waren die beiden ein Team.
Es war zwar anfangs schwer für Ahsoka, Plo mit jemandem anderen zu teilen, aber dieser besondere Bund zu ihm war untrennbar.
Nun wunderte sie sich nur noch, dass Plo es mit dem jungen Cal so lange aushalten konnte.

Jesse und Pinball, beides Klone wie Rex, und dennoch einzigartig. Auch auf sie konnte Ahsoka sich immer verlassen.
Auf sie und all die Klone, welche noch immer für die Neue Republik dienten, seit die Oberste Kanzlerin Padmé Amidala mithilfe eines wissenschaftlichen Teams die beschleunigte Alterung der Klone stoppen konnte.
Alle hatten ihr damals geholfen, den Kampf gegen Vader und Sidious zu gewinnen.
Im Inneren wusste sie, dass da draußen eine neue Macht schlummern musste, eine neue Gefahr.
Aber sie konnte sich sicher sein, dass sie auch dieses Mal auf ihre Freunde zählen konnte. Wie jedes Mal.

Secrets of the Force - Tano Chronicles Part 1Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt