59 - Delirium

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„Hermione, geht es dir gut?" drang Harrys besorgte Stimme an mein Ohr und ich nickte abwesend, während ich mich weiter aufrichtete und den Blick erneut zu Dumbledore gleiten ließ. Als würde er meine Augen auf sich spüren, erhob er überzeugt die Stimme.

"Harry, ich denke, du hast noch etwas zu erledigen."

Dumbledores Blick deutete auf den blonden Slytherin, der nah an der Kante des Sofas stand und mit starren Augen die runzeligen und vermutlich bereits Jahrhunderte alten Buchrücken in den deckenhohen Regalen fixierte.

Plötzlich schien es Harry wie Schuppen von den Augen zu fallen und er wandte sich Malfoy zu, der immer noch demonstrativ an dem Gryffindor-Schüler vorbeischaute. Langsam erkannte ich, wie Harry einen Schritt auf den Blondschopf zuging und ihm zögerlich die Hand entgegenstreckte. Ich wusste genau, wieviel Überwindung es Harry kosten musste, seinem Erzfeind die Hand zu reichen.

Doch Harry schien auch bewusst zu sein, dass er ohne Malfoy sicherlich nicht mehr am Leben wäre. Ein leises Dankeschön konnte ich Harrys Lippen entnehmen und da Malfoy die Situation scheinbar ebenso unangenehm empfand wie Harry, nickte er nur halbherzig und nahm den Dank meines Freundes an.

Scheinbar froh darüber, dass ihr Händeschütteln endlich vorbei war, wichen die beiden Jungen voneinander zurück, die Blicke starr in unterschiedliche Richtungen gewandt und die Rücken kerzengerade, als hätte sie jemand in Statuen verwandelt.

Ein verächtliches Schnauben, welches ich aus Snapes Richtung vernahm, durchbrach die Stille und der Lehrer für Zaubertränke machte auf dem Absatz kehrt und verließ nach einem eindringlichen Blick in Dumbledores Richtung mit wallendem Umhang das Büro durch die schwere hölzerne Türe.

Auch ihm musste die Situation sichtlich unangenehm gewesen sein, weshalb er sich vermutlich lieber wieder seinen Tränken im Kerker widmete, als Zuschauer einer erzwungenen Entschuldigung Harrys an Malfoy zu sein.

„Nun ich denke, Sie sollten alle erst einmal die Ereignisse und Erkenntnisse des heutigen Tages verdauen und sich ein wenig ausruhen, bevor wir weiteres Vorgehen besprechen." verkündete der Schulleiter mit sanfter Stimme und nickte auffordernd in Richtung der Tür.

Glücklich, der seltsamen Situation zu entkommen, ergriff ich Harrys Arm und zog ihn zum Ausgang, während ein Blick über meinen Rücken mir verriet, dass Malfoy uns ebenso folgte. Seine Augen funkelten, ich verlor mich ungewollt in dem stürmischen Grau und ein Schauer lief mir den Rücken hinab. Schnell zwang ich mich, nach vorne zu schauen und war unfassbar froh, als die frische Luft des Treppenhauses mich umfing und meine warmen Wangen kühlte.

Während ich an Harrys Seite die Treppen hinablief, vernahm ich neben mir einen herben Geruch, der mir nur zu bekannt vorkam und kurz darauf spürte ich einen Luftzug neben mir, als der blonde Slytherin mit schnellen Schritten an mir vorbei die Treppe hinunter lief.

Ohne sich umzudrehen, setzte er seinen Weg fort und schien es dabei sehr eilig zu haben, aus meinem Sichtfeld zu gelangen. Immer noch in Gedanken versunken, bemerkte ich plötzlich, wie sich Harrys Hand aus meiner löste und er mit großen Sätzen, immer mehrere Stufen auf einmal nehmend, die Treppen hinab und Malfoy hinterher lief.

Verwundert und das Schlimmste vermutend, folgte ich ihm und blieb in einiger Entfernung stehen, um zu beobachten, wie Harry den Blondschopf beim Arm griff und somit zum Stehen brachte.

„Was ist passiert? An dem Tag auf dem Astronomieturm?" vernahm ich Harrys keuchende Stimme.

Mit einem Grinsen auf dem Gesicht erhob der Slytherin das Wort.

„Potter, ich dachte, du wärst etwas schneller da oben." schnaubte Malfoy belustigt und deutete dabei auf Harrys Kopf.

Selbst aus meiner Entfernung konnte ich erkennen, wie Harrys Fäuste sich ballten und blanke Wut in ihm aufstieg.

„Potter, ich habe es dir doch schon erzählt. Aber wenn du es unbedingt noch ein zweites Mal hören willst, dann sei es dir gegönnt. Deine Freundin hat mich geküsst - das ist geschehen auf dem Astronomieturm."

Harrys Mine verdunkelte sich augenblicklich bei der Erinnerung an den Kuss zwischen mir und dem Slytherin.

„Malfoy, das weiß ich bereits. Falls du dich erinnerst, hast du es mir selbstgefällig und detailreich berichtet. Ich will wissen, was neulich passiert ist. Bevor du und meine Freundin beide im Krankenflügel gelandet seid."

Harrys Stimme klang ungewöhnlich kalt und wutverzerrt. Warum zur Hölle hatte Malfoy auch erneut den Kuss erwähnen und somit Harry auf eine unfassbare Art provozieren müssen? Er war wirklich dreist und unverschämt.

Doch die sonst so gelassene Art des Slytherins schien aus der Fassung zu geraten und ich erkannte, wie er innerlich einen Kampf ausfocht und mit sich selbst rang, ob er dem Gryffindor die Wahrheit erzählen sollte und sich somit verletzlich machen würde. Bisher hatte niemand erfahren, was wirklich an jenem Abend auf dem Turm geschehen war und Malfoy an den äußersten Rand seines Lebens gebracht hatte. Doch würde der Slytherin es seinem Erzfeind erzählen?

Während ich, hinter einer Säule versteckt, immer noch in Gedanken versunken war, vernahm ich Malfos leise Stimme und erkannte, wie er sich widerwillig in Harrys Richtung neigte und ihm ein paar Worte zuflüsterte.

Nicht alle Worte konnte ich hören, doch eines klang ganz klar und hallte in meinem Kopf nach: Todesser.

𝐓𝐡𝐞 𝐍𝐞𝐰 𝐂𝐡𝐨𝐬𝐞𝐧 𝐎𝐧𝐞 (𝐃𝐫𝐚𝐦𝐢𝐨𝐧𝐞 𝐅𝐅)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt