64 - Wärme und Verständnis

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Mein genervter Blick blieb an dem Blondschopf hängen, der bereits ohne sämtliche Magie und nur mit einem Lappen bewaffnet einen Kessel schrubbte. Himmel, warum tat er dies so gefügig, anstatt sich ausgiebig darüber zu beschweren, dass es doch in Hogwarts sicherlich Personal geben müsste, das für das Putzen von Kesseln verantwortlich war.

Verwundert über die Konzentration mit der er den Lappen über das Messing gleiten ließ, griff ich nach einer weißen Schürze und ging langsam zu ihm hinüber, ohne ihn dabei aus den Augen zu lassen. Stumm blieb ich neben ihm stehen und griff über seine Hand hinweg nach einem zweiten Lappen, mit dem ich begann, einen Kessel direkt vor mir zu schrubben.

Ein leises Scheuern von Lappen auf Metall war das einzige Geräusch, was die knisternde Stille zwischen uns durchbrach. Schweigend standen wir so nah beieinander, dass unsere Arme sich bei jeder Bewegung fast berührten. Doch unsere Stimmen schienen versiegt, die Situation unangenehm doch gleichzeitig auch so vertraut.

Um mich abzulenken, begann ich, schneller und schwungvoller den Kessel vor mir zu bearbeiten und Malfoy stieß ein raues Lachen aus, als er meinen wenig euphorischen Gesichtsausdruck dazu sah. Unweigerlich stimmte ich mit einem stummen Grinsen ein und blickte den Blondschopf skeptisch und gleichzeitig belustigt an.

„Du bist also nicht nur in der Schule ein Streber, sondern willst scheinbar auch bei Hausarbeiten stets die Beste sein.", spottete Malfoy und nun konnte ich mir mein lautes Lachen nicht verdrücken. Wer hätte ahnen können, dass der sonst so kalt wirkende Slytherin tatsächlich Humor hatte...

Während ich immer noch lachend seine Augen fixierte, spürte ich plötzlich einen stechenden Schmerz in meiner rechten Hand und griff reflexartig danach. Ein großer blutiger Schnitt zog sich von der einen Seite meines Handrückens zur anderen und ich spürte einen brennenden Schmerz. Bevor ich begriff, was passierte, hatte sich Malfoy zu mir hinab gebeugt und meine blutende Hand ergriffen, die er nun mit konzentriertem Blick studierte.

„Verdammt, ich muss mich am Metall geschnitten haben." stieß ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hindurch, als Malfoy mich bereits bestimmt zu dem Regal mit Gläsern verschiedener Flüssigkeiten zog. Während er gekonnt eine Phiole mit den Zähnen öffnete und mir etwas von der gelblichen Flüssigkeit auf die Hand tröpfelte, fand ich endlich den Mut, ihn das zu fragen, was mich bereits seit einiger Zeit zum Nachdenken brachte.

„Was ist in der Nacht auf dem Astronomieturm geschehen?" fragte ich ihn mit leiser Stimme und war sogleich fasziniert davon, wie sanft er meine Hand hielt und besorgt betrachtete.

„Hat dein Freund dir das nicht etwa haarklein berichtet? Sicher fand er seine Freude daran, jedes Detail auszuschlachten.", gab der Slytherin mit rauer Stimme von sich, während er mit zwei Fingern über meinen Handrücken strich und die glitzernde Flüssigkeit auf meiner Wunde verteilte.

„Nein." war alles, was ich herausbrachte und augenblicklich spürte ich Malfoys fragenden Blick, weshalb ich bestimmt meinen Kopf in den Nacken legte und zu ihm hinauf blickte. Ich hielt seinen Augen stand, die an meinen hafteten und erklärte ihm, dass Harry mir nichts erzählen wollte. Niemals hätte ich gedacht, dass ich Draco Malfoy jemals mein Herz ausschütten würde. Doch das, was ich ihm nun erzählte kam dem schon ziemlich nahe.

„Er will mich schützen und traut es mir nicht zu, dass ich verarbeiten kann, was dir zugestoßen ist. Dabei muss niemand auf mich aufpassen." stieß ich hervor.

„Ja Granger, wir haben es alle verstanden. Du bist ein großes Mädchen."

Auch wenn mir die Erinnerung an Harrys Worte weh tat, musste ich vor Lachen losprusten, nachdem ich Malfoys schnippischen Worte vernommen hatte. Ein ungebändigtes und wahres Lachen entwich mir und ich warf dem völlig perplexen Blondschopf neben mir einen belustigten Blick zu, für den ich ein verwundertes Grinsen erntete. Schließlich waren belustigte Blicke eher Malfoys Ding, als meines.

Nach ein paar Sekunden, fasste ich mich jedoch wieder und fragte Malfoy eindringlich ein zweites Mal, was geschehen war. Endlich rückte er mit der Sprache heraus und erzählte mit rauer Stimme, wie er auf dem Turm von Todessern angegriffen wurde, die ihn - eindeutig in der Überzahl - allesamt mit Flüchen attackiert hatten. Während er mir das Geschehen bildlich schilderte, glaubte ich, ab und zu einen Schimmer von Angst in seiner sonst so festen Stimme erkennen zu können, was mir aus irgendeinem Grund ein Stechen ins Herz versetzte.

Mir wurde bewusst, dass Leute aus den Reihen seines Vaters ihn angegriffen hatten und ohne Probleme getötet hätten. Ein kalter Schauer fuhr mir über den Rücken und mir wurde gleichzeitig schlecht, als ich versuchte, mir vorzustellen, wie sich Malfoy, für den seine Familie so viel bedeutete, nun fühlen musste, da sie ihn verraten hatten.

Ohne wirklich zu wissen, was ich tat, nahm ich mit meiner unverletzten Hand die seine und drückte sie fest, um ihm ein Gefühl des Trostes und der Zuversicht zu geben. Doch bereits Sekunden später wurde mir klar, was ich da tat und ich zog meine Hand so eilig zurück, dass ich mit dem Ellenbogen ein paar Gläser des Regals zu Boden fegte.

„Granger, nicht dein Tag oder?", vernahm ich erneut die tiefe Stimme Malfoys, ich schüttelte gedankenversunken den Kopf und wir beide bückten uns, um die Scherben vom Steinboden aufzusammeln.

Erneut war das Klirren der Scherben auf dem kalten Boden das einzige Geräusch, das an den Kerkerwänden wiederzuhallen schien. Doch der Blondschopf durchbrach die Stille.

„Ich verstehe ihn nicht. Harry meine ich. Er hätte es dir sagen sollen. Schließlich hast du mehr Gehirn als er und der Rotschopf zusammen und ohne dich wären sie bestimmt schon draufgegangen - nicht, dass das traurig wäre..." gab Malfoy mit ungewohnt warmer Stimme von sich und sprach damit das aus, was ich bereits seit Tagen dachte und leider nie gehört hatte. Unweigerlich musste ich grinsen.

𝐓𝐡𝐞 𝐍𝐞𝐰 𝐂𝐡𝐨𝐬𝐞𝐧 𝐎𝐧𝐞 (𝐃𝐫𝐚𝐦𝐢𝐨𝐧𝐞 𝐅𝐅)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt