81 - Gebrochen

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Heiße Wassertropfen prasselten auf meine Schultern und ich bemerkte, wie der warme Dampf die Fenstergläser des Badezimmers beschlagen ließ und somit die Welt außerhalb des Raumes von mir abschirmte. Durch die trüben Fensterscheiben konnte ich nur noch die verschwommene Dunkelheit erkennen, die sich bereits seit mehreren Stunden über Hogwarts gelegt hatte und das Schloss mit ihren festen Klauen umfing.

Trotz des warmen Wassers, das mich umgab und langsam beruhigend meine Haut umschmeichelte, begann ich bei dem bloßen Gedanken an den heutigen Abend zu frösteln. Kalte Schauer fuhren mir den Rücken hinab und ließen mich bis ins Mark erzittern und überall auf meiner Haut spürte ich die Abdrücke von Coles Händen wie Nadeln, die mir ein lebenslanges Zeichen eingraviert hatten.

Mein Blick schweifte zu den Waschbecken und der Front mit den vergoldeten Spiegeln und augenblicklich wurde mir speiübel, da ich daran denken musste, wie Cole mich vorhin kraftvoll gegen die Wand gedrückt hatte. Jede einzelne Kachel der Fliesenwand erinnerte mich schmerzlich daran, wie ich, bedrängt von ihm, stumm und wie versteinert dagestanden hatte und in eine tiefe Trance versunken war.

Unweigerlich musste ich husten, da ich seinen stechenden Geruch noch immer in meiner Nase spürte und ihn trotz des fruchtig riechenden Duschbades nicht loswerden, geschweige denn vergessen konnte. Er hatte sich eingebrannt, mich gebrandmarkt, mich bis in die Tiefen meines Herzens verletzt. Wie sollte ich jemals wieder die Hände eines Mannes auf meiner Haut spüren können, ohne dabei an Coles kalte und drängende Finger zu denken? Ich wusste es nicht. Eigentlich wusste ich gar nichts mehr. Mein Kopf fühlte sich leer gefegt an und so, als ob jemand jede Ecke eines Zimmers aufgeräumt und alle meine Gedanken, Wünsche und Träume aus dem Fenster geworfen hätte, um sie danach auf den Sperrmüll zu stellen…

Ich schien in einer Trance zu schweben und nahm nur noch das heiße Wasser wahr, das versuchte, mein erkaltetes Herz aufzutauen und es wieder weich und angenehm zu machen. Doch es fühlte sich an, als würde in meiner Brust nur noch ein Stein liegen, der dumpf gegen meinen Brustkorb hämmerte und vergessen hatte, was Liebe, Freude und Geborgenheit waren. Zu dem warmen Wasser, was aus dem Duschkopf meine Haut besprenkelte, gesellten sich heiße Tränen der Verzweiflung, die meine Wangen benetzten und stumm und langsam an meinem Kinn hinab in die Kuhle meiner Schlüsselbeine ronnen.
Es schien, als hätten meine Lippen verlernt, zu lächeln, meine Ohren vergessen zu hören und als wären meine Augen vor Schmerz erblindet.

Ein schmerzhaftes Pochen in meinem Kopf durchbrach die Stille und mir wurde schwindelig, weshalb ich mit einer Hand nach dem Duschkopf griff, der sich jedoch mit einem lauten Geräusch von der Wand löste und dafür sorgte, dass ich jeglichen Halt verlor und auf dem nassen gefliesten Boden ausrutschte.

Als mein Kopf hart gegen die kalte Wand stieß und mein Körper auf die Fliesen prallte, spürte ich plötzlich nichts mehr - keinen Schmerz, keine Trauer, kein Leid. Es war, als hätte ich bereits zu viel gefühlt, um je wieder irgendeine Emotion spüren zu können.

Ich sank wimmernd an der Wand zusammen und vergrub meinen Kopf zwischen den Knien, während ununterbrochen Wasser aus dem Loch in der Wand, wo vorher der Duschkopf gewesen war, spritzte. Das Wasser besprenkelte die Wände um mich herum und besprüht die Spiegel über den Waschbecken. Eigentlich hätte ich nur nach meinem Zauberstab greifen und mit einem Zauber das Wasser bändigen müssen. Doch ich schaffte es nicht, mich aufzuraffen und einen Fuß vor den anderen zu setzen. Zu groß war der Schmerz, den ich plötzlich bei dem Gedanken an Draco fühlte.

Wir waren uns nahe gewesen. Näher, als ich jemandem je gewesen war. Mein Blick hatte genau in seine Seele gesehen und ich wusste – ich meinte, zu wissen – wer er wirklich hinter seiner kalten Fassade war.

Doch warum hatte er mich vor allen anderen abgewiesen, mir dabei in die Augen gesehen und mir das schmerzhafteste, was es für mich gab direkt ins Gesicht gesagt? Er hatte etwas tief in mir getroffen und verletzt – vielleicht für immer.

𝐓𝐡𝐞 𝐍𝐞𝐰 𝐂𝐡𝐨𝐬𝐞𝐧 𝐎𝐧𝐞 (𝐃𝐫𝐚𝐦𝐢𝐨𝐧𝐞 𝐅𝐅)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt