Jonah rannte durch die Menschenmenge, verfolgt von fünf Männern.
Von überall her konnte er wütende Rufe hören; einige Leute drehten sich verwundert nach ihm um und mussten im nächsten Augenblick schon wieder Platz machen, um nicht nochmal umgerannt zu werden.
Doch das machte Jonah schon seit langer Zeit nichts mehr aus. Er war es gewohnt, ständig davonlaufen zu müssen. Deshalb lachte er insgeheim darüber, wie sich die anderen aufregten.Ein großer Vorteil erwies sich jedoch diesmal darin, dass Jonah sich in dieser Stadt - seiner Heimatstadt Belaqua - sehr gut auskannte. Er war sich somit sicher, seine Verfolger leicht abhängen zu können.
Er bog nach rechts in eine kleine Gasse ein und kurz darauf nochmal nach rechts.
Mit einem kurzen, starken Sprung stieß er sich von der linken Wand ab und bekam das Geländer eines kleinen Balkons auf der anderen Seite der Gasse zu fassen.
Er zog sich hinauf, kletterte über das Balkongeländer und sah gerade noch, wie seine Verfolger um die Ecke stürmten, als er sich vor die durch eine Rollade verschlossene Balkontür stellte, um nicht gesehen zu werden. Die Männer blieben kurz stehen, fluchten und sahen sich dabei suchend um.
Jonah hoffte inständig, dass sie ihn nicht sehen würden und versuchte deshalb, seinen Atem zu beruhigen."Hier ist er nicht! Los, wir gehen. Viel weiter kann er noch nicht gekommen sein! Beeilung!", hörte er einen der Männer seinen Kollegen zurufen.
"Der kann was erleben wenn ich ihn erwische!", fügte ein Weiterer immer leiser werdend hinzu.
Jonah wagte sich deshalb, kurz um die Ecke zu blicken und sah, wie die Fünf unter dem Balkon herstürmten und danach nach links verschwanden.Er atmete auf. Nochmal Glück gehabt. Nach ungefähr einer Minute kletterte er wieder hinab auf den Boden und lief in die entgegengesetzte Richtung.
Nach einiger Zeit erreichte er das Waisenhaus.
Er hasste diesen Ort über alles und war deshalb auch nur abends zum Schlafen dort.
Seit er 10 Jahre alt ist wohnt er hier, nachdem seine Eltern damals vor seinen Augen brutal ermordet worden waren.
Ginge es nach ihm, würde er super allein zurecht kommen aber das war ihm mit seinen 17 Jahren noch nicht erlaubt...Jonah hatte so gut wie keine Freunde und sogar die Mitarbeiter des Waisenhauses mochten ihn nicht, obwohl sie sich bemühten, jeden Einzelnen der dort Wohnenden gleich zu behandeln.
Jonah Farris war bekannt als "der Junge, der immer nur Ärger macht und nicht 'vermittelt' werden kann"; ein typischer hoffnungsloser Fall also.
Tatsächlich war er schon in etlichen Familien gewesen, aber niemand hielt es länger als 3 Monate mit ihm aus. Dieser Status hielt ihn jedoch nicht davon ab, weiterhin Leute zu beklauen oder sie auszuspionieren.So kam es, dass er sich fast täglich eine Verfolgungsjagt einholte.
Aber er würde erst dann damit aufhören, wenn er ausreichende Anhaltspunkte über die Mörderin seiner Eltern herausgefunden hatte. Er war sich sicher, sie eines Tages hinter Gitter zu bringen und wenn es das Letzte ist, was er tun würde.Jonah öffnete die Tür des Haupteinganges, nickte Frau Gokes freundlich zu und stieg die Treppe zu den Zimmern hinauf.
Wenigstens Eine, die nett zu mir ist, dachte er sich und tatsächlich war Frau Gokes jemand, mit dem Jonah gut zurecht kam.
Dies änderte sich jedoch sehr rasch, als die Leiterin des Waisenhauses ihm auf der Treppe entgegenkam:
"Ach, sieh mal einer an wer da... 5 Minuten vor Bettruhe auch mal hier ankommt", sagte sie ein wenig wütend und genervt von ihrer Uhr aufschauend.
"Was soll nur aus dir werden, Jonah..?"
Jonah wollte einfach an ihn vorbeigehen, doch sie blockierte ihm mit ihrem Arm den Weg. Extra natürlich. Er blickte sie deshalb nur emotionslos an und sie lieferten sich unbewusst ein Duell, wer zuerst weggucken würde.
Jonah kam es wie eine Ewigkeit vor, als die Leiterin endlich nachgab. Er hatte gewonnen.
Ein kleiner Sieg, der für Jonah jedoch wichtig war, denn Frau Derens hatte ihn schon immer niedergemacht und Jonah wusste ganz genau, dass er sie umso mehr aufregte, wenn er nicht auf ihre Fragen antwortete.
Als sie das auch vestanden hatte, ließ sie ihn widerwillig durch.Jonah betrat sein Zimmer, welches er mit seinem Mitbewohner Karl teilte.
Karl war ein typischer Streber und überhaupt nicht so wie Jonah gestrickt.
Karl war dünn, zierlich und relativ klein für einen 16-jährigen Jungen, trug eine viel zu große Brille und hatte immer top gekämmte Haare.
Jonah war das komplette Gegenteil von ihm:
Er war um die 1,85 m groß, stark durch seine vielen Kämpfe mit anderen Jungen und Gegnern und seine dunklen, fast schwarzen Haare waren selten ordentlich gekämmt.
Seine leuchtend hellbraunen Augen hatte er von seinem Vater geerbt und waren sehr selten.Wie fast jeden Abend lag Karl schon im Bett und Jonah durfte bloß nicht zu viel Licht anmachen und Lärm verursachen, sonst durfte er sich wieder eine Predigt von ihm anhören.
Also setzte Jonah sich auf sein Bett, knipste eine kleine Lampe an und kramte die geklauten Papiere aus seinen Hosentaschen.
Er entfaltete diese und begann zu lesen.
Plötzlich blendete ihn ein starkes Licht.
Jonah kniff die Augen vor Schmerz zusammen und hielt sich den Arm schützend vor sein Gesicht.
"Was hast du da?". Es war Karl. Natürlich.
Wird von jedem kleinsten Geräusch wach und will alles sofort wissen...
"Geht dich nichts an", erwiderte Jonah genervt.
"Und mach die blöde Taschenlampe endlich aus!", fügte er hinzu.
Nach kurzem Zögern erlosch das Licht und Jonah konnte Karl jetzt erkennen. Sogar nach dem Schlafen sah Karl noch schick und ordentlich aus. Jonah fragte sich immer wieder, wie er das nur schaffte.Karl versuchte ein bischen ungeschickt einen Blick auf Jonahs Diebesgut zu erhaschen, doch als er den Blick sah, den Jonah ihm zuwarf, sagte er rasch:
"Okay, ich geh ja schon...".
Karl war in der Hinsicht ein echt nervender Mitbewohner. Jonah fühlte sich ständig von ihm beobachtet und sein vieles Gequassel nervte ihn sehr. Trotzdem war Karl jemand, mit dem Jonah sich ganz gut verstand.Jonah blickte noch einmal auf die Papiere, doch er hatte richtig gelesen: Keine brauchbaren Hinweise auf den Aufenthaltsort der von ihm gesuchten Mörderin.
Frustriert zerknüllte er die Papiere und seufzte. Er warf sie ein paar Meter weg, legte sich auf sein Bett und starrte die Zimmerdecke an.
In Gedanken redete er mit seinen Eltern, wie er es fast jeden Abend tat.
Jonah wusste, dass sie immer zu ihm herunter blickten und ihn beschützten."Jonah?", flüsterte Karl aus seinem Bett am anderen Ende des Zimmers.
Jonah wurde aus seinen Gedanken gerissen.
Ein kurzes Schweigen aus Karls Richtung.
"Morgen kommen wieder ein paar Familien, die ein Adoptivkind suchen. Ich hab das Gefühl ich werde endlich ein Zuhause finden...".
Das hoffe ich auch..., dachte Jonah und musste grinsen. Wie schön es doch wäre, wenn er das Zimmer für sich allein hätte. Er stellte sich ganz genau vor, wie er alles einrichten würde.
Außerdem müsste er seine ganzen Beweise dann nicht mehr heimlich auswerten und vor allem die..."Hörst du mir überhaupt zu?!", unterbrach Karl seine Gedanken.
"Was?", sagte Jonah.
"Ich habe gehört wie Frau Derens gesagt hat, dass sie dich unbedingt vermitteln will und alles dafür tun wird, dass du diesmal für immer in einer Familie bleibst. Sie hasst es, dass du ihr so ein schlechtes Image einbringst und will dich deshalb loswerden", erwiderte Karl.
"Diese alte Hexe...", fluchte Jonah wütend vor sich hin. Er konnte es kaum glauben. Frau Derens wusste ganz genau, dass Jonah keine Adoptivfamilie wollte und dennoch versuchte sie ihn also so schnell wie möglich einfach zu vermitteln."Naja, ich wäre ja froh, wenn sich jemand so viel Mühe macht, um mir ein schöneres Leben zu ermöglichen. Ich fände es ja mega cool, wenn...", fing Karl an zu erzählen, doch Jonah war schon längst in seiner eingenen Welt und hörte ihn nicht mehr.
Wenn es eines gab, wozu es gut ist, Karl als Mitbewohner zu haben, dann war das, dass Jonah die Fähigkeit entwickelt hatte, einfach abzuschalten und nichts mehr in seiner Umgebung wahrzunehmen, was ihn nicht interessierte.Jonah war also in seiner eigenen kleinen Welt und dachte darüber nach, wie er am Besten den morgigen Vorstellungen vor den Familien entkommen konnte.
Doch noch ahnte Jonah nicht im geringsten, was sich morgen alles noch ereignen würde...
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Agent J8 - the mysterious woman
ActionJonah Farris, Waise seit dem 10. Lebensjahr, gerät durch Zufall in die Fänge von "Akira" und wird dort zu einem Agenten ausgebildet. Agentin Lucy begleitet Jonah durch die oftmals schmerzhafte und harte Ausbildung und gemeinsam mit ihr versucht er...