Die Option

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Die Arena wurde wieder mit Licht ausgestattet. Jonah hielt sich den Arm schützend vor sein Gesicht, da ihn die Lampen sehr blendeten. Als er den Arm wieder runternahm, sah er eine ausgestreckte Hand und als er erkannt, dass es Lucys war, nahm er sich und sie half ihm hoch.

Erst jetzt merkte er, wie erschöpft er war und langsam meldeten sich auch wieder seine Schmerzen. Jonah untersuchte seinen Arm und sah zu seinem Entsetzen, dass sich dort ein tiefer Schnitt über den kompletten Unterarm zog, der stark blutete.

"Das sieht nicht gut aus...", sage Lucy und deutete auf seinen Bauch. Jonah sah an sich hinab. Sein Shirt hatte quer über seinen Bauch einen Riss und der Stoff darum war bereits rot verfärbt. Jonah zog sein T-Shirt hoch und sah die Schnittwunde. Sie war riesig und zog sich von seiner rechten oberen Seite zur linken unteren Seite des Bauches. Was Adrenalin für eine Kraft hat, dachte er sich und sah Lucy an.

"Los, der Direktor möchte dich sprechen!", rief sie und zog Jonah zum Ausgang der Arena.

"Willkommen zurück, Mr. Farris!", begann der Direktor.

"Sie haben erfolgreich die 9 Roboter besiegt, Sie sind jedoch relativ schwer verletzt, wie ich sehe. Unter normalen Umständen würden Sie deshalb die Prüfung eigentlich nicht bestanden haben, es gibt jedoch noch eine andere Option, der Sie zustimmen können oder nicht."

"Worin besteht diese Option?", fragte Jonah.

"Nun ja, Ihre Wunden werden wohl genäht werden müssen und wenn sie das Nähen ohne Betäubung aushalten, wird die Prüfung als bestanden angesehen. Es ist allein Ihre Entscheidung, wenn sie das nicht wollen, müssen Sie es nicht machen."

Jonah sah kurz zu Lucy hinüber, die ihn mit leicht ängstlichem Blick ansah, dann sah er sich nochmal seinen Arm an und sagte daraufhin:

"Ich wähle die Option!"

"Prima, dann wollen wir doch direkt mal anfangen, oder?", rief der Direktor, der übrigens wie Jonah sich dachte ein kleiner, etwas dickerer Mann mit braunen, kurzen Haaren, einer Brille und dem Aussehen nach wohl in den 40ern war.

"Bring' ihn in die Krankenstation!"

Lucy brachte Jonah in ein kleines Zimmer, das direkt neben der Arena war. Dort stand eine Behandlungsliege und ein Arzt und eine junge Ärztin bereiteten gerade schon alles vor.

"Viel Glück, Mr. Farris!", sagte der Direktor, der ihnen kurz darauf gefolgt war, verließ den Raum und schloss die Tür.

Die Ärztin deutete auf die Liege. Jonah ging dorthin und legte sich auf den Tisch, der jedoch kein gewöhnlicher war. Er hatte jeweils für Hände und Füße Gurte zum Festmachen.

Die Ärztin begann sofort, die Gurte um seine Füße zu machen, als Jonah plötzlich rief:

"Was soll das hier werden?!"

"Es ist nur zu deinem Besten, glaub mir!", sagte Lucy sofort und drückte ihn wieder runter.

Also ließ Jonah sich festbinden und dann begannen die Ärzte auch schon mit ihrer Arbeit. Allein das Säubern der Wunden brannte schon höllisch und nun war auch Jonah froh, dass er festgebunden war, weil er sonst wohl längst die junge Ärztin, die seine Wunde nicht gerade sanft reinigte, weggestoßen hätte.

Der erste Teil war nach wenigen Minuten geschafft, doch als nun der Arzt mit einer gefühlt riesigen Nadel auf Jonah zukam, bekam dieser es mit der Angst zu tun. Der Arzt tippte mehrmals auf die Spitze der Nadel, wie als ob er nochmal überprüfen müsste, dass diese auch schön spitz ist.

"Bereit?", fragte er Jonah. Der Arzt, großgewachsen, weiße Haare und eben wie ein typischer Arzt aussehend, hatte beschlossen, mit der Schnittwunde am Bauch zu beginnen.

Jonah nickte, legte seinen Kopf ab und schloss die Augen. Er spürte Lucys Hand auf seinem unverletzten Arm und dann stach die Nadel auch schon zu. Es tat höllisch weh und da er nun schon etwas länger nicht mehr kämpfte, war das Adrenalin auch schon so gut wie verschwunden, sodass die Schmerzen jetzt doppelt waren: Die Schmerzen der Wunden und die des Nähens.

Er starrte die Decke an und versuchte, die Schmerzen irgendwie zu unterdrücken, als ihm der Rat seines Vaters wieder einfiel. Dieser hatte ihm damals eine Technik gezeigt, wie man durch intensives Denken an etwas, was einem persönlich sehr wichtig ist und dazu noch eine bestimmte Atemtechnik, Schmerzen unterdrücken bzw. ausblenden konnte, doch damals war Jonah gerade mal sieben oder acht Jahre alt gewesen und hatte diese Übung für sehr langweilig empfunden und nicht wirklich ernst genommen.

Jetzt hoffte er inständig, dass sein Vater Recht gehabt hatte und dachte an seine Eltern, seine Kindheit, sogar an Karl, das Haus seiner Familie, das tägliche Training mit seinem Vater nach dessen Arbeit...und schon kurz darauf spürte er so gut wie gar keinen Schmerz mehr. Er war in einer Art Traumwelt angelangt, in der nur noch seine Gedanken eine Rolle spielten...

Jemand strich ihm durch die Haare und da "wachte" er wieder auf. Lucy sah ihn verwundert an.

"Geht es dir gut, Jonah?"

Jonah sah sie verdutzt an. Er konnte noch gar nicht richtig einordnen, ob er jetzt wieder in der Realität war oder noch in seiner Traumwelt.

"Was hast du da die ganze Zeit bitte gemacht? Du hast ja keinen Mucks von dir gegeben!?" Lucy schien vollkommen verwirrt zu sein.

Währenddessen machte die Ärztin Jonah wieder los. Er setzte sich auf und begutachtete seine Wunden. Beide waren perfekt zugenäht, der Schmerz kam nun auch wieder zurück aber er war erträglich...An das Nähen seiner Wunde am Arm konnte er sich sogar gar nicht mehr erinnern.

Danke Dad, sagte Jonah sich in Gedanken und musste lächeln.

Die Tür öffnete sich und der Direktor kam hinein. Er kam zu dem Behandlungstisch und begutachtete ohne ein Wort zu sagen Jonahs Wunden. Dann zog er sich kurz mit den Ärzten in eine Ecke zurück, wo diese miteinander flüsterten. Jonah sah Lucy an, die ihn immer noch völlig erstaunt ansah und dann wieder zurück zum Direktor. Dieser stand inzwischen neben ihm und starrte wiederum Jonah an und nach einer gefühlten Ewigkeit rief er:

"Herzlichen Glückwunsch, Mr. Farris, Sie haben die Prüfung bestanden!"






Agent J8 - the mysterious womanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt