Der Brief

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Jonah konnte die erste Nacht kaum schlafen. Das Training hatte ihm totalen Spaß bereitet und er konnte es kaum erwarten, weiter zu trainieren.

Lucy und Jonah übten weitere zwei Wochen, in denen Jonah immer besser wurde und im letzten Kampf sogar Lucy hätte besiegen können. Jonah war in dieser Zeit so beschäftigt gewesen, dass er vollkommen verdrängt hatte, dass in zwei Tagen sein 18. Geburtstag sein würde. Erst als Lucy ihn darauf ansprach, fiel es ihm wieder ein.

"Hey Jonah, sag mal weißt du eigentlich wo du wohnen wirst wenn du 18 bist?"

Jonah hatte darauf keine Antwort. Er hatte keine Freunde, bei denen er vorerst bleiben könnte, seine Eltern waren tot, das Waisenhaus würde ihn zum schnellsten Zeitpunkt rauswerfen und andere Verwandte hatte er auch nicht...

"Nein...daran habe ich noch gar nicht gedacht", antwortete er.

"Verstehe." Lucy schien zu überlegen.

"Ich werde mal gucken was sich da machen lässt. Zur Not kannst du für kurze Zeit bei mir wohnen, denn sobald du die Roboterarena bestanden hast, wirst du auch Geld verdienen und kannst dir dann eine eigene Wohnung besorgen."

Jonah schaute sie an. Sobald er die Roboter also besiegt hatte, würde er ein ausgebildeter Agent sein und sein erstes eigenes Geld verdienen. Diese Nachricht spornte ihn an, weiterhin alles zu geben, um so schnell wie möglich zur Prüfung zugelassen zu werden.

"Was glaubst du, wie lange es noch dauern wird, bis ich die Prüfung machen kann?", fragte er.

"Hm, bei deinen Fortschritten würde ich sagen, in wenigen Monaten schon. Vielleicht einen oder zwei, aber mehr denke ich nicht."

Jonahs Geburtstag kam schneller als er gedacht hätte. Obwohl es sein 18. Geburtstag war und er jetzt endlich erwachsen war, war Jonah an diesem Tag alleine. Genau wie an jedem seiner Geburtstage nach dem Tod seiner Eltern. Doch er machte sich daraus nichts. Er genoss seinen Tag und konzentrierte sich mal nur auf sich selbst.

An diesem Tag war es sehr heiß, sodass Jonah allein beim Gehen ins Schwitzen kam. Als er endlich an dem Grab seiner Eltern ankam, musste er sich erstmal hinsetzen und sich kurz ausruhen.

Er schloss die Augen und rief in Gedanken seine Eltern an. Jonah liebte diese Tage. Hier fühlte er sich seinen Eltern am nächsten, obwohl sie doch so weit weg waren...

Jonah spürte einen Luftzug neben sich und die Bank wackelte kurz.

Sofort öffnete er die Augen und erkannte eine schwarz gekleidete Frau neben sich sitzen.

"Lucy!", rief er überrascht.

"Hi Jonah. Alles Gute zum Geburtstag!"

"Danke."

"Woher wusstest du, dass ich hier bin?", fragte Jonah.

"Ich war eben beim Waisenhaus. Dachte du wärst da, aber Frau Gokes hat mich hierhin geschickt."

Frau Gokes...Sie würde Jonah am Meisten vermissen, sobald er aus dem Waisenhaus raus war. Lucy deutete auf das Grab seiner Eltern.

"Ein schönes Grab", sagte sie und betrachtete den verzierten Grabstein und die bunten Blumen darum.

"Danke. Ich pflege es so gut ich kann."

Die beiden saßen eine Weile schweigend nebeneinander und genossen die unendliche und zugleich traurige Ruhe des Friedhofes. Irgendwann kramte Lucy in ihrer Handtasche und beförderte einen Briefumschlag heraus.

"Der ist für dich, Jonah. Frau Gokes hat ihn im Waisenhaus entgegen genommen und ihn mir mitgegeben", flüsterte sie und überreichte ihm den Brief.

Jonah war verwirrt. Von wem würde er denn einen Brief erhalten? Er hatte noch nie einen bekommen...Er öffnete ihn gespannt und las den Text vor:

"Hi Jonah,

ich wünsche dir alles Gute zu deinem heutigen Geburtstag! Endlich bist du 18 Jahre alt und kannst machen, was du willst. Mir sind in der letzten Zeit so viele positive Dinge passiert und mir ist klar geworden, dass ich das eigentlich alles dir zu verdanken habe!

Ich habe einen tollen Hund, der mich bedingungslos liebt, ich habe eine Ausbildung als Computerfachmann begonnen und mein Leben läuft einfach nur perfekt!

Wie sieht es mit dir aus? Immer noch das alte, unaufgeräumte Zimmer und deine Raubzüge (XD)?

Ich hätte es ja nie geglaubt, doch es ist (leider) so: ich vermisse dich mein Freund und ich hoffe wir sehen uns bald mal wieder!

Ok, ich rede wieder viel zu viel... Genieße heute DEINEN Tag und lass dich nicht mehr von Frau Derens ablenken, beschimpfen oder runtermachen, du bist jetzt FREI und wie ich dich kenne hast du bestimmt schon die Koffer gepackt und ziehst heute noch aus dem verdammten Waisenhaus aus, oder??

Naja, ich wünsch dir was und bis hoffentlich bald!

Dein (nerviger) Freund und ehemaliger Zimmergenosse Karl :-)"

Jonah war sprachlos. Karl hatte sich an seinen Geburtstag erinnert und das machte Jonah glücklich wie lange nicht mehr. Vielleicht hatte er ja doch einen Freund...

Er starrte die ganze Zeit auf die Zeilen, die Karl mit seiner ordentlichen Schrift geschrieben hatte und war vollkommen in Gedanken versunken, dass er Lucys Worte erst später wahrnahm.

"Jonah?"

"Äh...ja?"

"Da hast du aber einen guten Freund!", sagte Lucy und lächelte ihn an.

"Ja das habe ich!", antwortete er und nun musste auch er lächeln.

Danke für den Brief, Karl! Ich werde dich auf jeden Fall besuchen, sobald es sich ergibt, dachte sich Jonah, faltete den Brief sorgfältig, steckte ihn wieder in den Umschlag und verstaute ihn sicher in seiner Hosentasche.






Agent J8 - the mysterious womanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt