Kapitel 32

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Pov Marlon
Amy hat nicht gelogen, als sie meinte, Zeit zu brauchen und Abstand von mir zu nehmen. Selbst als das Wochenende nach der Party vorbei war und wir uns am Montag in der Schule wiedergesehen haben, haben wir kaum ein Wort miteinander gewechselt. Lediglich in unseren gemeinsamen Kursen, in denen wir nebeneinander sitzen, waren wir gezwungen uns über die Unterichtsthemen auszutauschen, was allerdings auch nur so knapp wie möglich geschehen ist.
Die Pausen haben wir ohne Ausnahme getrennt verbracht, sie mit ihren, ich mit meinen Freunden. Und würde ich sagen, dass mir diese Funkstille nicht zusetzt, würde ich lügen. Die Momente, in denen ich mein Handy in den letzten Tagen in der Hand hatte und kurz davor war Amy zu schreiben, kamen nämlich so oft vor, dass ich sie schon nicht mehr zählen kann. Knapp eine Woche nichts mit ihr unternommen und auch anderweitig nichts von ihr gehört zu haben, hat mir gezeigt, wie sehr ich sie brauche.
Auch wenn ich diese Woche so oft im Teufelstopf war wie lange nicht mehr und Fußball gespielt habe, um mich abzulenken, hat mir jede ruhige Minute wieder die Erkenntnis gebracht, wie sehr ich sie vermisse und wie leer ich mich ohne sie fühle.
Es ist fast schon erbärmlich wie oft ich mich in der letzten Woche dabei ertappt habe aufgrund ihrer Distanz zu mir schlecht gelaunt zu sein. Und noch erbärmlicher ist der Stich in meinem Herzen, den ich jedes Mal wenn ich sie mit anderen Leuten zusammen gelacht hat, verspürt habe. Es schien, als würde sie mich nicht brauchen und würde nicht so sehr darunter leiden, mich nicht um sich zu haben, wie es andersherum ist.
Und als ob das nicht alles wäre, habe ich sie sich in letzter Zeit ein paar Mal auf dem Schulhof mit Fabi unterhalten sehen, was meine Wut wieder hochsteigen lassen hat.
Einzig und allein weil ich weiß, dass die Chance darauf, dass unsere Freundschaft wieder so wird wie sie mal war noch nicht komplett bei Null liegt, halte ich mich zurück und sage ihr nichts dazu.
Ich habe mittlerweile zwar verstanden, dass sie tun und lassen kann was sie möchte und das mein Verhalten unmöglich war, doch weh tut es trotzdem, sie mit ihm zusammen zu sehen. Vorallem weil es ausgerechnet Fabi ist und Amy weiß, dass ich momentan nicht gut auf ihn zu sprechen bin.
Besonders nachdem sie mir indirekt eröffnet hat, dass sie mit ihm schlafen würde. Schon allein bei dem Gedanken daran schleichen sich Bilder in meinen Kopf, bei denen mir schlecht wird.
Schnell verdränge ich sie wieder und schmeiße meinen Stift, den ich unbewusst viel zu krampfhaft festgehalten habe auf meine ungemachten Englischhausaufgaben vor mir und stehe auf, um aus meinem Zimmer raus und in den Flur zu laufen.
Das einzige, was mir gerade helfen kann, um das bittere Gefühl loszuwerden, ist Ablenkung. Und da wir Donnerstagnachmittag haben und Alkohol zu diesem Zeitpunkt nicht die beste Idee ist, muss wohl erneut das Fußballspielen herhalten.

Ich klopfe kurz an der Zimmertür meines Bruders, bevor ich ohne Aufforderung die Tür aufdrücke und dann doch erstaunt im Türrahmen stehen bleibe.
Leon liegt auf seinem Bett, zusammen mit Evi. Extrem eng aneinander gekuschelt.
"Das ist nicht euer Ernst, oder?", entfährt es mir, bevor ich die Aussage überdenken konnte. Leons Kopf schnellt nach oben und als hätte er mich gerade erst bemerkt, weiten sich seine Augen. Auch Evis Blick huscht kurz zu mir, bevor sie ihren Kopf scheinbar erschöpft wieder in Leons Brust vergräbt.
"Was ist?", kommt es genervt von meinem Bruder.
"Ihr wollt mir andauernd erzählen, wie ich mit Amy umgehen sollte und tut auf Beziehungsratgeber aber kuschelt dann wie ein Pärchen, obwohl ihr beide in Beziehungen seid?", fahre ich die beiden vorwurfsvoll an und schaue dann direkt Leon in die Augen. "Besonders du."
Möglicherweise ist meine Aussage nicht ganz fair, aber da die kalte, unkontrollierbare Seite aus mir heraus spricht, konnte ich sie nicht verhindern.
"Jetzt mach aber mal halblang", fordert Leon aufgebracht und richtet sich auf, um Evi kurz etwas ins Ohr zu flüstern und dann aus dem Bett aufzustehen. Ohne ein weiteres Wort aber jedoch mit wutverzerrter Miene läuft er auf mich zu, umgreift unsanft meinen Arm und zieht mich grob hinter sich her in den Flur hinaus. Ich erhasche bloß einen letzten Blick auf Evi, die jetzt zusammengekauert auf dem Bett sitzt, bevor die Tür auch schon hinter uns ins Schloss fällt.
Leons stechender Blick auf mir bringt mich dazu, ihn anzusehen, obwohl ich es zuerst vermeiden wollte. Und am besten auch hätte lassen sollen, denn die Enttäuschung steht ihm ins Gesicht geschrieben.
"Was soll der Scheiß?", fragt er bitter.
"Du weißt ganz genau, dass Evi und ich nur beste Freunde sind."
Ich presse die Lippen so doll aufeinander, bis es wehtut und lasse dann einen leisen Seufzer los. Leon hat natürlich recht. Doch trotzdem bin ich zu stolz, um das zuzugeben.
"Das wirkte aber gerade ziemlich anders", grummele ich daher und wende den Blick auf den Boden. Von Leon höre ich bloß ein gereiztes Stöhnen, bevor auch schon ein leichter, zuckender Schmerz durch meinen Oberarm fährt und ich erschrocken aufsehe.
"Hast du mich gerade etwa geboxt?", will ich ungläubig wissen, obwohl ich die Antwort schon seiner geballten Faust entnehmen kann. "Ja", nickt er. "Das hast du auch verdient."
"Hä?"
"Du checkst auch gar nichts mehr, oder? Nur weil es dir scheiße geht, behandelst du die Leute um dich herum wie Müll", wirft er mir vor und sieht mich strafend an.
"Mir geht es nicht scheiße", presse ich hervor, doch Leon hebt sofort die Hände, um mich zu unterbrechen.
"Mein Gott, ich bin doch nicht blöd. Seit einer Woche bist du wie ausgewechselt. Du verschanzt dich in deinem Zimmer, redest kaum und bist viel schlechter gelaunt als sonst." Sein Blick wird minimal weicher und etwas sanfter fügt er hinzu: "Das ist definitv nicht der Marlon, den ich kenne. Natürlich geht es dir scheiße."
"So auffällig?", grummele ich.
"Absolut", bestätigt er. "Egal was passiert ist, du solltest mit Amy reden anstatt deinen Frust die ganze Zeit über an Leuten auszulassen, die nichts dafür können."
Wie macht er das?
"Vielleicht hat es ja gar nichts mit Amy zu tun", spreche ich trotzig, doch mein unüberzeugter Tonfall verrät mich sofort und Leon zieht leicht belustigt eine Augenbraue hoch. "Wie gesagt, ich bin nicht blöd", grinst er. "Du warst am Morgen nach deiner Party bei ihr und bist so, seitdem du zurückgekommen bist."
Ich bringe bloß einen missmutigen Laut zustande, den ich selbst nicht definieren kann. Es nervt mich, dass mein kleiner Bruder versucht mich zu belehren, aber dennoch weiß ich insgeheim, dass an seinen Worten etwas dran ist. Sein Blick liegt forschend auf mir, doch weil ich nichts weiter antworte, fängt er schon wieder an zu reden.
"Eigentlich bin ich der unfreundliche Bruder, schon vergessen?", versucht er zu scherzen. "Also reiß dich gefälligst zusammen."
Ich schlucke schwer, bevor ich wohl oder übel nicke.
"Aber sie will ja nicht reden, sie will Abstand", erkläre ich mürrisch.
"Dann respektier das und gib ihr den Abstand."
"Und wenn ich sie dadurch verliere?", rutscht es mir flüsternd raus, mit dem Bild von Amy und Fabi im Hinterkopf.
Die Frage war mehr an mich selbst als an meinem Bruder gerichtet, aber seinem Augenrollen nach zu urteilen scheint er sie trotzdem gehört zu haben.
"Du machst es dir viel zu kompliziert. Rede mit ihr und gesteh ihr deine Gefühle, sonst verlierst du sie vielleicht wirklich", meint er leise und ich sehe ihn skeptisch an.
"Ich habe keine-"
Leons Kopfschütteln lässt mich augenblicklich verstummen.
"Willst du sie jetzt wirklich noch leugnen? Nach dieser Woche?"
Langsam nicke ich. Verstehend. Und daraufhin schüttele ich den Kopf.
Ich weiß, was er mir sagen will und verstehe sofort, was er meint. Nach dieser Woche, in der ich mich anscheinend abgeschottet habe und so schlecht drauf war, dass sogar Leon es extrem aufgefallen ist, kann ich meine Gefühle für Amy wohl wirklich nicht mehr leugnen. Obwohl ich nichts lieber tun würde.
"Na siehst du", lächelt mein Bruder zufrieden, da mein Schweigen ihm wohl Antwort genug ist. "Dann musst du um sie kämpfen, Marlon. Und damit solltest du so schnell wie möglich anfangen, denn in diesem Zustand bist du wirklich nicht mehr zu ertragen."
"Als ob ich soo schlimm war", versuche ich mich rauszureden, merke aber schnell, dass es sinnlos ist.
"Doch, das warst du. Du hast gar nichts mehr mitbekommen. Auch nicht, dass es manchen Leuten um dich herum ebenfalls beschissen geht", widerspricht Leon, diesmal wieder mit deutlichem Vorwurf in der Stimme und nickt in Richtung seiner geschlossenen Zimmertür, hinter der sich Evi verbirgt.
"Ich habe sie nur getröstet." 
Und in diesem Moment realisiere ich.
"Hat sie sich immer noch nicht mit Markus vertragen?", will ich wissen und als Leon den Kopf schüttelt, kommen die Schuldgefühle wieder in mir hoch und ein beklemmtes Gefühl macht sich in meiner Brust breit. "Scheiße", fluche ich, mich an mein Gespräch mit Markus auf der Party zurückerinnernd. Ohne auf Leons verwirrte Miene zu achten, stoße ich die Tür auf und stürme wieder zurück in sein Zimmer, geradewegs in Richtung Bett. Vielleicht kann ich wenigstens eine Sache wieder gut machen...

Evi sieht überrascht aus, als ich mich neben sie setzte und sie erst einmal eine Weile mustere. Meine Brust wird eng, als mir der erschöpfte Ausdruck ihrer Augen auffällt und ihre rötlichen, leicht angeschwollen Wangen mich realisieren lassen, dass sie geweint hat. Vorsichtig umgreife ich ihr zarte, kalte Hand.
"Rede mit Markus. Bitte", wispere ich.
Evi atmet tief ein und wendet dann den Blick ab, doch bleibt still.
"Egal was zwischen euch passiert ist und egal was er dir gesagt hat, er liebt dich über alles", erkläre ich ihr in der Hoffnung, zu ihr durchdringen zu können.
Und nach ein paar Sekunden haben meine Worte tatsächlich die gewünschte Wirkung, da Evi kurz darauf wieder aufsieht und mich durch traurige Augen anschaut, was mir fast das Herz bricht.
"Woher willst du das bitte wissen?", fragt sie matt und ich beginne, zu lächeln.
"Er hat es mir gesagt. Rede vernünftig mit ihm und gib ihm eine Chance, sich zu erklären. Du willst das was ihr habt doch nicht einfach wegwerfen, oder?"
Zwar bin ich mir nicht sicher ob Markus überhaupt eine vernünftige Erklärung für das hat, was er scheinbar zu Evi auf der Party gesagt hat, aber trotzdem hoffe ich inständig, durch meine Worte helfen zu können.
"Er hat dir wirklich gesagt, dass er mich liebt?", flüstert sie ungläubig, doch das hoffnungsvolle Funkeln in ihren Augen verrät mir, dass wir uns auf einem guten Weg befinden. Von daher nicke ich stürmisch.
"Und wie er das hat. Du hast ihm echt den Kopf verdreht und ich glaube, das weißt du selbst eigentlich auch", zwinkere ich und drücke wie zur Bestätigung leicht ihre Hand. Evi lächelt leicht in sich hinein.
"Und du bist dir ganz sicher?"
"Absolut. Ich habe ihn noch nie so offen und ehrlich über seine Gefühle reden hören", gebe ich zu. Spätestens als ich mich in ihrer stürmischen Umarmung wiederfinde, weiß ich einfach, dass meine Worte ihren Zweck erfüllt haben und als ich einen Blick an die Tür zu Leon wage und dieser mich dankbar anlächelt, wird mir wieder ein wenig leichter ums Herz. Schon allein zu wissen, dass ich Evi und Markus in ihrer Beziehung gerade möglicherweise ein wenig geholfen habe, lässt mich mich augenblicklich, zumindest für diesen Moment, besser fühlen.
Denn wenigstens die beiden sollen weiterhin glücklich miteinander sein.

Amy und Marlon halten wohl tatsächlich Abstand und Marlon scheint es so sehr zuzusetzten, dass er seinen Frust an anderen auslässt...
Was haltet ihr davon, wie Leon ihm das klargemacht hat und auch von dem Gespräch der beiden generell?
Und wie findet ihr das Ende mit Evi und dem, was Marlon zu ihr meinte?
Bin gespannt, was ihr zu dem Kapitel sagt, also lasst gerne Feedback und einen Stern da, wenn es euch gefallen hat❤❤

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