Kap. 73 Verbunden

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Eragon pov

Während sich in meinem Körper zwei Stimmen anschrieen, ob ich vor Nervosität und Unsicherheit zusammenbrechen oder vor Freude Luftsprünge vollführen sollte, hatte mein Kopf entschieden, dass beides keine gute Idee war und somit dafür gesorgt, dass ich still liegen blieb. Ich brauchte fast fünf Minuten, bevor sich das Chaos in meinem Kopf langsam soweit gelegt hatte, dass auch mein Magen einsah, dass sich übergeben hier nicht die richtige Vorgehensweise wäre. Ich versuchte, mich bewusst zu entspannen, und merkte erst dabei, dass jeder einzelne Muskel stärker angespannt war, als vor einem Kampf um Leben und Tod.

Ich fühlte mich, im wahrsten Sinne des Wortes, gelassener, sobald ich spürte, dass mein Körper wieder frei von der reflexhaften Anspannung war. Ganz einfach. Einatmen, ausatmen, nach oben schauen und in die unendlichen Weiten starren. Alle Sorgen schienen plötzlich nicht mehr so wichtig.

Ich genoss es voll und ganz, in den darauffolgenden Minuten, einfach stumm im Gras zu liegen und in den Himmel zu starren, während die Hand der Frau, die ich, wie ich mir schon vor langem hatte eingestehen müssen, liebte auf meinem Arm lag. Ich hoffte, dass, wenn überhaupt, sie als erste etwas sagen würde, da ich zu viel Angst hatte, den Moment zu ruinieren. Ich gab mir jedoch alles Mühe, diese Angst in den Hintergrund zu schieben, sofort wenn sie auftauchte, da sie mir sonst vermutlich alles nehmen würde, was ich an diesem Augenblick genoss.

Das funktionierte, wen überrascht es, natürlich nicht so richtig. Ich brauchte lange, bis mir auffiel, dass dagegen ankämpfen mich nicht weiterbringen würde. Es gab nur einen Weg daran vorbei. Wie Oromis mich einmal gelehrt hatte, wenn auch nicht für diesen Zweck, so konnte man Zweifel und Ängste nicht einfach abstellen. Man musste sie begrüßen, sich eingestehen und akzeptieren. Nur dann konnte man von selbst tief im Inneren spüren, dass man das meiste genau dann verlor, wenn man sich zu sehr und zur falschen Zeit mit den Ängsten beschäftigte. Die Lösung war nicht perfekt, aber sie sorgte dafür, dass ich trotzdem weiter den Moment auskosten konnte.

Es folgten wieder mehrere Minuten, in denen ich, und von dem was ich aus dem Augenwinkel sah und spürte auch Arya, einfach ins endlose Blau hinauf blickten. Leider spürte ich dann nicht viel später, wie sie ihren Arm vorsichtig zurückzog. In dem Moment reagierte mein Unterbewusstsein gepaart mit meinen Gefühlen um ein Vielfaches schneller, als mein logischer, kritischer Verstand das hätte tun können. Ich würde normalerweise leider sagen, aber das wäre in diesem Fall im Nachhinein betrachtet falsch.

Ich griff blitzschnell nach ihrem Arm und hielt ihn fest. Als ich einen Augenblick später realisierte, was ich soeben getan hatte, ließ ich schnell wieder los, da ich wusste, dass es eine unangemessene Geste gewesen war. Fieberhaft dachte ich nach, wie ich die Situation noch retten konnte und nahm schließlich all meinen Mut zusammen, um auf Gedankenebene zu fragen: „Tut mir leid für diese vorschnelle Reaktion, aber können wir diesen Moment vielleicht noch etwas länger währen lassen? Ich kann nicht ausdrücken, wie sehr ich das gerade genossen habe."

Wenn ich sage ‚all meinen Mut', dann meine ich in diesem Fall genau das. Es ist eine Sache, den Mut zu einer körperlichen Auseinandersetzung zu haben, aber das ist garnichts im Vergleich zu dem Mut, den man benötigt, um sich so weit zu öffnen und sich so verwundbar zu zeigen. Es mag Menschen geben, für die das anders ist, aber für mich persönlich war es so.

In diesem Fall wurde es jedoch in Form von einem fast erleichtert wirkenden Lächeln entlohnt. Obwohl ich das instinktiv ausgeschlossen hätte, weil es so ungewohnt war, hatte ich das Gefühl, als wäre auch Arya ein nennenswerter Teil ihrer sonst an den Tag gelegten Selbstsicherheit verloren gegangen. „Wenn es dich so freut, gerne doch.", antwortete sie ebenfalls über unsere geistige Verbindung. Nach einem kurzen Zögern, welches ich ebenfalls auf diese Weise wahrnahm, ergänzte sie schließlich noch: „Ich war mir bloß nicht sicher, ob es dir auch so geht und in diesem Moment wollte ich dir deine Privatsphäre in deinen Gedanken lassen." Ich nickte dankbar, unsicher ob ich meiner Stimme, und sei es nicht der realen sondern geistigen, trauen konnte.

Die Macht ist mit mir, oder?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt