Kap. 104 Vertrauen

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Nasuada pov

An diesem Tag, oder schlichtweg bei einem der unumgänglichen Gespräche, denn in Tagen dachte ich schon längst nicht mehr, hatte ich nicht die Nerven für lange Propagandareden gehabt. Bei jeder kleinen Unstimmigkeit oder aushebelbaren Rechtfertigung des Königs hatte ich jede Schlagfertigkeit in die Hand genommen, die ich aufbieten konnte. Ich wusste, dass mein Körper davon Schaden nahm, aber dieser war ohnehin schon enorm. Es würde weder nennenswert schneller noch besser verheilen, wenn ich vorsichtig wäre und versuchte, ihn nicht zu wütend zu machen. Bisher war sowieso jedes Gespräch in Folter oder zumindest dem entsprechenden Versuch geendet.

Sehr schnell merkte er auch, dass mich dieser Gedanke nicht so schreckte, wie er das gerne hätte. „Dann werden wir wohl in Zukunft andere Wege gehen müssen", murmelte er vor sich hin. Leider kannte ich ihn zu gut um zu glauben, dass er mir damit sagen wollte, dass er und ich getrennte Wege gehen würden. Es bedeutete, dass er andere Arten der Folter versuchen würde. Für diesen Besuch ließ er es sich jedoch nicht nehmen, Murtagh noch einmal zu seinem Folterknecht zu machen.

Als dieser jedoch das glühende Eisen auf meine Haut drückte, war das Ziehen Schwächer als sonst. Es wäre mit Sicherheit immernoch schrecklicher Schmerz, aber weniger schrecklich als ich es gewohnt wäre. Ich hatte gesehen, dass das Eisen auch heute rot glühte, aber in irgendeiner Form schien es auch ohne die Magie weniger schlimm zu sein. Einen Vorteil, mir das anmerken zu lassen, sah ich allerdings nicht und so zog ich mein übliches Schauspiel der Schmerzen durch. Noch dazu war das dazugehörige Gefühl ja trotzdem noch da, sodass ich nicht ins blaue raten musste, wann ich anzufangen hatte.

Anders als ich es gewohnt war, kam Murtagh dieses Mal sehr kurz nach der Aufwartung durch Galbatorix alleine. Er hatte mich häufiger besucht, seit dem einen Mal, da er betrunken gewesen war und in diesem Zustand seine ersten Widerstände gewagt hatte.

Immer wieder war er in meine Zelle gekommen, egal wie oft Galbatorix es als ‚Halle der Wahrsagerin' bezeichnete, für mich war es nicht mehr als eine Sonderzelle für eine spezielle Gefangene mit Sonderbehandlung im negativen Sinne. Voller Stolz hatte er mir jedes Mal berichtet, wie viel sich an seinen Befehlen missverstehen ließ. Der Fortschritt war wirklich von Mal zu Mal zu spüren. Seine Körperhaltung war das vielleicht bildlichste und unmissverständlichste Zeichen dafür. War er am Anfang noch wie ein alter Mann mit Rückenschmerzen gelaufen, als würde die ganze Welt ihn nach unten ziehen, so stand er inzwischen fast aufrecht und ab und an rutschte sogar ein Lächeln über seine Lippen.

Ich hörte ihm jedes Mal aufmerksam und interessiert zu. Es war fast wie bei einem kleinen Jungen, der gerade lernt auf seinen eigenen Beinen zu laufen. Und irgendwie traf es dieses Bild ja auch. Er war zurecht stolz auf jeden einzelnen Schritt und die etwas kindliche Freude daran war sehr erfrischend zu beobachten. Nicht nur sprang seine neu gewonnene Energie zu Teilen auf mich über, was mich bei meiner eigenen Weiterentwicklung leistungsstärker machte, nein, es gab mir noch dazu das Gefühl, nun wirklich jede mir gegebene Möglichkeit zu nutzen, das Imperium niederzureißen. Ein Mal mehr stellte ich mir vor, wie dieser Krieg enden könnte. Es ließ sich kaum in Worte fassen, wie sehr ich es genießen würde, den König persönlich zu sehen, wie er realisieren würde, dass meine Gefangenschaft ihm nicht geholfen, sondern ihn geschwächt hatte.

Ich mochte meinen Geist schützen können, aber ab und an geraten die Gedanken dennoch auf Abwege. Zurück zum Thema. Murtagh kam gefühlt nur wenige Minuten, nachdem ich eine Ohnmacht vorgetäuscht hatte, erneut durch die Tür und band mich von dem Stein los. Ich musste garnicht mehr fragen, es war das erste, was er inzwischen automatisch beim Betreten der Zelle tat.

Wir setzten uns nebeneinander an die der Tür gegenüberliegende Wand und schwiegen beide für eine Zeit. Es war inzwischen fast ein unausgesprochenes Ritual. Er hatte mir einmal gestanden, dass er in dieser Stille seine Gedanken ordnete. Weg von den Befehlen und all den Dingen, auf die man als dem König Untergebener zu achten hatte, hin zu einer speziellen Art von Offenheit, in der er bereit war, über Dinge zu sprechen, die er sonst in der hintersten Ecke seines Verstandes versteckte und hoffte, dass niemand über sie sprach. Das reichte von seiner Kindheit bis hin zu seinen neu gefunden Widerständen.

Die Macht ist mit mir, oder?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt