Kap. 134 Unvernunft

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Roran pov

Ich erwachte in einem Zelt, dessen leinene Seitenwände mir irgendwie sauberer erschienen als alle, die bei den Varden über die Zeit verstaubt worden waren. Mein erster Gedanke war, ob das hier das Nachleben war. Es schien alles so rein, sauber und makellos zu sein, wie es immer in den Geschichten erzählt wurde, in denen Leute versuchten zu erklären, was nach dem Tod kommen würde. Außerdem würde es sehr gut dazu passen, was in den letzten Momenten vor meiner Bewusstlosigkeit geschehen war. Ich hatte schließlich gespürt, wie unzählige Knochen gebrochen waren, warum also nicht auch ein paar, ohne die man nicht leben konnte?

Dann versuchte ich, mich zu bewegen und aufzublicken, und augenblicklich war mir klar, dass ich keines falls tot war. Zum einen bezweifelte ich, dass man im Nachleben ein blutbeflecktes Leinenhemd tragen würde und zum anderen waren dutzende Stellen an meinem Körper taub und quasi alle anderen schmerzten unterschiedlich stark. Mein Kopf und meine Brust waren dabei am schlimmsten, die Füße spürte ich überhaupt garnicht. Als ich wieder still lag, pochte nur noch mein Kopf unangenehm und ich stöhnte genervt auf. Das tat zwar wieder an verschiedenen Stellen in Brust, Nacken, Hals und Kopf weh, aber so vollkommen hilflos hier in Unwissenheit zu liegen war schon nach wenigen Sekunden oder Minuten unerträglich.

Zu meinem, hoffentlich, Glück schien ich allerdings laut genug gewesen zu sein, um die Aufmerksamkeit von jemandem auf mich zu ziehen. Von irgendwo hinter meinem Kopf, den ich der Schmerzen wegen weder heben, noch drehen wollte, betrat eine Person, die ich für den Moment nicht sehen konnte, das Zelt. „Wie fühlt Ihr Euch, Hammerfaust Elda?", wollte er wissen.

Trotz des stechenden Schmerz in Arm und Brust rieb ich mir die Schläfe und antworte: „Nur Hammerfaust oder einfach Roran bitte, alles ist gut, solange bis ich mich bewege." Er nickte verstehend. „Das war zu erwarten. Eure Nervenbahnen und Muskeln wurden an vielen Stellen stark geschädigt oder sogar zerrissen und zerstört. Wir haben sie neu gebildet, aber noch sind sie sehr empfindlich." Ich sah ihn vermutlich reichlich verwirrt an. „Wie lange wird das dauern? Und was sind Nervenbahnen überhaupt?"

Er musterte mich nachdenklich und zuerst wusste ich nicht, ob ich jetzt etwas unfassbar dummes gefragt hatte. Irgendeine Entscheidung schien er für sich selbst treffen zu müssen. Als er dann lächelte, kam ich zu dem Schluss, dass er die Entscheidung getroffen hatte, die besser für mich war. „Verzeiht mir, wer lange nur mit fachkundigen Heilern arbeitet, verliert nach einer Zeit den Bezug dazu, welches Wissen jeder besitzt. Einfach erklärt sind das Fasern, die jeden Teil von Eurem Körper mit dem Kopf verbinden, Reize wie Schmerz oder auch der den Druck einer einfachen Berührung dorthin weiterleiten und dann Befehle für Bewegungen zurück senden. Sind sie beschädigt, könnt Ihr entweder Teile Eures Körpers nicht mehr zielgerichtet bewegen oder empfindet an den falschen Stellen Schmerz."

Er ließ diese Erklärung, die ich tatsächlich zu großen Teilen verstanden hatte, für einen Moment sacken, bevor er fortfuhr: „Die Heilung hängt von Euch ab. Eigentlich führt regelmäßige Nutzung dazu, dass sich die Norm schneller wieder einstellt, aber zur gleichen Zeit können starke Belastungen auch am Anfang noch dazu führen, dass wieder Schäden entstehen, die wieder geheilt werden müssten. Das würde dann wieder länger dauern."

Er kniff ein Auge zu und schien nachzudenken oder etwas weiter einzuschätzen. „Wir haben allem Gewebe magische Kraft verliehen, damit Euer Körper sich selbst schneller wieder vervollständigt. Wenn alles ideal läuft, könnt Ihr vielleicht morgen schon wieder mit Stützen und Hilfe laufen. Vielleicht von jetzt an zwei Tage bis Ihr vorsichtig auch ohne weitere Hilfe auf den Beinen bleiben könnt. Sport, Training oder körperliche Arbeit frühestens in einer Woche."

Die ersten beiden nie wieder, letzteres erst wieder wenn wir zurück im Palancar-Tal wären, war das erste, was mir zu dieser letzten Aufzählung in die Gedanken kam. Schließlich hatte ich nie vorgehabt, nach dem Ende dieses Krieges jemals wieder irgendjemanden wirklich zu bekämpfen außer vielleicht betrunken in Morns Taverne, aber niemals wieder ein Leben nehmen. Niemals wieder.

Die Macht ist mit mir, oder?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt