𝐕𝐈

219 35 102
                                    

𝐋 ⋆

Der Tag bis jetzt war wirklich nicht glänzend verlaufen. Da fand ich es nur fair, dass das Universum den hübschesten Jungen auf der Welt geschickt hatte, um sich weniger als drei Meter entfernt von mir mit Edeline Fernsby zu unterhalten.

Ich hatte den beiden keine Beachtung geschenkt – bis sie angefangen hatten, über mich zu reden. Und jetzt wo die Professoren wieder aus den Tiefen des Hörsaals aufgestiegen waren und Edeline sich verzogen hatte, war mir nicht groß eine andere Wahl geblieben, als ihren Gesprächspartner anzusprechen.

Ich war nicht sicher, ob ich in einer anderen Situation mutig und motiviert genug gewesen wäre, unaufgefordert auf ihn zuzugehen – ich hoffte, dass die Antwort dazu Ja wäre – aber Edeline hatte mich ja quasi dazu gezwungen.

Also war ich zu ihm gegangen. Dicke, braune Locken kringelten sich um das Gesicht mit den weich kontierten Wangenknochen und den riesigen Augen. Barfuß stand er auf dem glatten Steinboden. Er war so in seine Studie des Studenten-Professoren-Auflaufs im Erdgeschoss gewesen, dass er nicht gemerkt zu haben schien, dass ich neben ihn getreten war. Oder er hatte es sich nicht anmerken lassen und mich ignoriert, um mir zu zeigen, dass er nicht mit mir reden wollte. Auch wenn die vollen, leicht geöffneten Lippen jetzt ein anderes Bild malten, würde das erklären, wieso er mir auch nach einer guten halben Minute noch nicht geantwortet hatte.

Hatte ich ihn so aus dem Konzept gebracht oder wollte er wirklich unter keinen Umständen ein Wort mit mir wechseln?
Oder war er nur sozial ungeschickt genug, um nicht zugeben zu wollen, dass er mich akustisch nicht verstanden hatte? Wie Zayn manchmal.

»Hey, tut mir leid, wenn ich dich überrumpelt habe.«, setzte ich vorsichtig ein zweites Mal an. »Störe ich? Ich will dich nicht von deiner Vorlesung abhalten oder so. Ich komme auch nicht gerne zu spät.«

Seine Wimpern senkten sich so langsam auf seine Wangen, dass ich für einen Moment glaubte, ich würde träumen. Vielleicht würde sich der Boden unter unseren Füßen gleich in warmen Honig verwandeln und den Jungen vor mir mit Haut und Haaren verschlucken.
Aber dann sprach er endlich. Ich wagte nicht einmal zu atmen.

»Du störst nicht.«

Hey, das war doch schon mal ein Anfang. Wenn er vielleicht noch einen Satz mehr sagen würde, müsste ich mich nicht mehr wie ein Vollidiot fühlen. Aber Smalltalk-Etikette war ihm entweder egal oder unbekannt. Ziemlich wahrscheinlich ersteres. Und das bedeutete entweder, dass er ein arrogantes Arschloch oder klug genug war, um sich den Erwartungen der Gesellschaft zu widersetzen.

Und weil ich ignorant genug war, um einen Wink mit dem Zaunpfahl unbeachtet zu lassen, setzte ich meine Hoffnung auf letzteres.

»Ich bin Louis.«, berichtete ich, auch wenn Edeline Fernsby mich bereits vorgestellt hatte.

Keine direkte Reaktion von ihm. Natürlich; er hatte schon eine Einführung bekommen. Aber dann lächelte er seicht. »Hallo Louis.«

Grübchen wie Mondkrater und, Hilfe, süße Zähne.

Ich räusperte mich leise. Gesellschaftserwartungen hin oder her, es war schon praktisch, eine Vorstellung nicht unerwidert zu lassen. Wollte er mich doch abwimmeln?

Dieses Mal entschloss ich mich dazu, seine stumme Bitte nicht zu übergehen. Ich brauchte seinen Namen nicht, um meinen eigenen Mund zu benutzen.

wait for me in the skyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt