𝐗𝐋𝐕𝐈𝐈𝐈

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☽ ⋆ 𝐇 ⋆ ☾

Es war kompliziert mit Louis. Obwohl er die Supervision so einfach akzeptiert hatte und sein Herz mittlerweile nach ein paar Minuten mit mir nur noch ein bisschen schneller schlug, machte er es mir schwer.
Er hatte nie Zeit für mich. Sein Verbot, ihn in die Gesellschaft anderer Menschen begleiten zu dürfen, gefiel mir gar nicht. Auch wenn ich seine Begründungen verstand; Vertrauen und Lügen.

Ich respektierte seine Bitte, obwohl sie gegen meine Bestimmung verstieß, primär aus zwei Gründen: Er half mir ehrlich und ambitioniert bei der für ihn bestimmten Aufgabe; mich für die Augen der Menschen mehr ihren Erwartungen anzupassen. Außerdem schien er dadurch auch genau daran zu arbeiten; mich kompatibel für die Bekanntschaft seiner ihm emotional verbundenen Menschen zu machen.

Ich konnte nur hoffen, dass er für diese Anpassung nicht mehr allzu viel Zeit benötigen würde. Denn auch wenn ich mit meiner wenigen Zeit auf der Erde direkt nach der Anordnung zur Supervision bisher durchgekommen war, würde dieser Zustand womöglich nicht mehr lange anhalten.

Die letzten Tage hatte nur Liam sich danach erkundigt, wie meine Aufenthalte abgelaufen waren. Mit einer Stimme wie immer, als wäre es pures persönliches Interesse in ihm. Ich wusste nicht, wie sehr er verpflichtet war, offizielle Rückerstattung einzuholen. Und was ich noch viel weniger wusste; wann und wie eingegriffen werden würde, wenn ich meinen Auftrag nicht gut oder ausreichend erledigte. Ich wollte die Maßnahmen, wie auch immer sie aussehen könnten, nicht erleben.

So hatte ich eine Maßnahme getroffen, um die Maßnahmen vorzubeugen. Ich hatte Louis im Schlaf besucht. Sobald er in den ersten Tiefschlaf verfiel, war ich an seiner Seite gewesen. Wirres Haar zeichnete das Kissen wie Blitze einen Nachthimmel, er lag auf dem Bauch, atmete ruhig mit aufgedunsenen Lippen. Ich war lange nicht mehr während seines Schlafes auf der Erde gewesen und als ich vor seinem Bett kniete, erinnerte ich mich an Regeln. Je näher ich ihm physisch war, desto stärker wog sein Schlaf in meinen Knochen. Es war verlockend, mich zu ihm zu legen, die Augen zu schließen, und zum ersten Mal seit vielen Jahren zu schlafen, wie, als ich noch jünger und kleiner gewesen war.

Schlaf war wie ein tiefer Schatten, eine mächtige Pause, dunkelste Wolken am Horizont und die Grenze zur Nacht nicht erkennbar. Engel waren nicht auf ihn angewiesen und er war für uns nicht erstrebenswert. Schlaf schluckte Zeit wie ein hungriger Blauwal, Stunde um Stunde um Stunde um Stunde, und so hatte ich wie alle anderen gelernt, den hypnotisierenden Wellen aus Louis' Hirnelektrizität zu widerstehen. Aber es war schwieriger, wenn ich ihm so nah war. Der langsame Schlag seines Herzens echote lauter und länger, der warme Atem zog Schleifen um mein Gesicht und beschlug die Fenster.

Ich verbrachte die Nacht mit ihm, beobachtete das Leben seiner Augen unter ihren Lidern, Härchen seiner Wangen und die Teile seines Beines, die sich immer wieder unter der Decke hervorkämpften. Als meine eigene Beherrschung schwächelte, mein Bewusstsein dunkler und schwerer wurde, lenkte ich mich ab, indem ich Louis' Wohnung ein bisschen inspizierte.

Ich ließ mich langsam auf Luft über die Möbel tragen; der Schrank, der Tisch mit den Kerzen, zum Schluss Louis' Bett. Zentimeter trennten uns, aber seine Wärme griff nach mir in Schwaden. Sein Sog war so groß, dass ich wieder ein bisschen Abstand gewinnen musste. Auf dem Boden standen Schüsseln, leer bis auf Fett, das ich sogar aus der Luft schmecken konnte. Zwei Gläser waren daneben verlassen worden, winzigste Lachen dunkel und sauer. Zwei Gabeln. Ich war nicht fließend verständig genug, um die Szene zu begreifen.

Ich blieb glatte sechs Stunden und als ich in den Himmel zurückkehrte, wusste ich sofort, dass es eine gute Idee gewesen war. Sechsstündige Supervision befriedigte und bestätigte. Ich nahm meine Aufgabe ernst. Zufrieden widmete ich mich den himmlischen Archiven.

wait for me in the skyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt