𝐗𝐋𝐕

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Bis abends war es kälter geworden, und klarer, und dunkel. Herbst, der sich wie Winter anfühlte, badete den Abend in Nacht. Ich war längst durchgefroren – meine Mum hatte mich für meine Kleiderwahl getadelt. Und für meine tiefen Augenringe und die Selbsterniedrigung, was das Kreatives-Schreiben-Projekt anging. Und für meine Zappeligkeit. Die war das einzige, für das ich mich nicht rechtfertigen konnte. Es war gewesen, als würde ein kleiner Engel zwischen den Wänden meines Schädels Fangen mit meinen Gedanken spielen. Ein kleiner Engel, der lernen wollte, ein Mensch zu sein. Ich hatte mich nicht mehr als eine Minute am Stück konzentrieren können und meine Beine hatten auf ihrer eigenen Party getanzt.

Auf der Rückfahrt im Bus war es nicht besser geworden. So lange stillsitzen; unmöglich. Dann auch noch zu versuchen, ein wenigstens mittelmäßiges Gedicht zu schreiben, während ich alle paar Sekunden hatte aufsehen müssen, falls sich ein Schwarzfahrer in Weiß gerade wie Angst über luftdichte Wege eingeschleust hatte.

Unbrauchbare Schnipsel unbrauchbarerer Gesamtergebnisse:

𝗟𝗼𝗻𝗴𝗶𝗻𝗴 𝗳𝗼𝗿 𝘁𝗵𝗲 𝘀𝗶𝗴𝗵𝘁,
𝗮𝗹𝗹 𝗹𝗼𝘃𝗲𝗹𝘆 𝗮𝗻𝗱 𝗹𝗮𝗿𝗴𝗲,
𝗺𝗶𝘀𝘁𝗼𝗼𝗸 𝗹𝗼𝗻𝗴𝗶𝗻𝗴 𝗳𝗼𝗿 𝗳𝗿𝗶𝗴𝗵𝘁,
𝘀𝗹𝗲𝗲𝘃𝗲𝘀 𝘀𝘁𝗶𝗳𝗳 𝘄𝗶𝘁𝗵 𝘀𝘁𝗮𝗿𝗰𝗵.

und:

𝗜 𝗹𝗼𝗼𝗸 𝗮𝘁 𝘆𝗼𝘂𝗿 𝗳𝗮𝗰𝗲,
𝗶𝘁'𝘀 𝗵𝗼𝗿𝗿𝗶𝗯𝗹𝗲,
𝗶𝘁'𝘀 𝗽𝗿𝗼𝗹𝗶𝗳𝗶𝗰,
𝗼𝗿 𝗺𝗮𝘆𝗯𝗲 𝘁𝗵𝗮𝘁'𝘀 𝗺𝘆 𝗴𝗮𝘇𝗲
𝗼𝗻 𝘆𝗼𝘂.

oder – nachdem ich ein bisschen zu lange über Zayns Chaosgedichte seines fünfzehnjährigen Ichs nachgedacht hatte:

𝗕𝗹𝗶𝗻𝗸,
𝗲𝘅𝗰𝗲𝗽𝘁,
𝗱𝗼𝗻'𝘁 𝗼𝗽𝗲𝗻 𝘆𝗼𝘂𝗿 𝗲𝘆𝗲𝘀
𝗷𝘂𝘀𝘁 𝘆𝗲𝘁
𝘁𝗵𝗮𝘁'𝘀 𝗶𝘁,
𝗷𝘂𝘀𝘁 𝗱𝗮𝗿𝗸𝗲𝗿.
𝗠𝘆 𝗯𝗿𝗮𝗶𝗻 𝘀𝗸𝗶𝗽𝗽𝗶𝗻𝗴 𝗼𝘃𝗲𝗿 𝘁𝗵𝗲 𝘀𝘁𝗼𝗻𝗲𝘀 𝗼𝗳 𝗮 𝗿𝗶𝘃𝗲𝗿 𝗰𝗮𝗹𝗹𝗲𝗱 𝗳𝗲𝗮𝗿.
𝗪𝗵𝗼𝗼𝗽𝘀. 𝗦𝗹𝗶𝗽𝗽𝗲𝗱.
𝗜𝘀𝗻'𝘁 𝗶𝘁 𝘀𝗰𝗮𝗿𝗶𝗲𝘀𝘁, 𝘁𝗵𝗼𝘂𝗴𝗵,
𝘁𝗵𝗮𝘁 𝘁𝗵𝗶𝘀 𝗶𝘀 𝘄𝗵𝗲𝗿𝗲 𝗜 𝗳𝗲𝗲𝗹 𝗺𝗼𝘀𝘁
** ****

und als meine Kreativität besondere Höhen erreicht hatte:

𝗜𝘁'𝘀 𝗰𝗼𝗹𝗱 𝗼𝘂𝘁𝘀𝗶𝗱𝗲,
𝗺𝗼𝗿𝗲 𝗻𝗲𝗲𝗱 𝘁𝗼 𝗯𝗲 𝗯𝗼𝗹𝗱 𝗼𝘂𝘁𝘀𝗶𝗱𝗲.

Und das waren nicht mal die schlimmsten. Unvereinbare Zeilen und Wörter, deren Niederschreiben ich mir nie wieder verzeihen können würde. Wer das zu einem akzeptablen Gedicht machen konnte, war ein Held.
Es hatte eine Zeit gegeben, zu der ich auf dem Rücksitz eines Autos sitzen und schreiben konnte, als würden die Worte erst ab einer gewissen Mindestgeschwindigkeit greifbar werden. Als würde ein Blechdach über meinem Kopf mich vor all dem Nonsens in meinem Kopf beschützen wie vor einem Gewitter. Aber die Zeit war vorbei. Und Gedichte hatte ich noch nie schreiben können. Wie lächerlich von mir, zu denken, dass es etwas war, das ein Unikurs mir einfach so beibringen konnte.

Der einzige Trost; ich hatte noch einen Monat, um ein Endergebnis abzuliefern. Das war eine Menge Zeit, aber ich hatte trotzdem Panik. Kreative Inspiration war nichts Lineares und hielt sich nicht an Zeitpläne. Aber vielleicht würde ich Glück und einen halbwegs brauchbaren Einfall bis dahin haben. Deadline war erst in fünf Wochen. Aber schon jetzt war es dunkel, und kalt, und klar.

wait for me in the skyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt