𝐗𝐗𝐗𝐈𝐈𝐈

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Fast wäre ich zu spät gewesen. Aber zu meiner Verteidigung; das Seminar war überzogen worden, hatte am anderen Ende des SAB stattgefunden und Zayn hatte mich noch in Planungen für heute Abend verwickeln wollen. Ich hatte mich losgerissen.

Fürs Focus E musste ich ein paar Treppen hochlaufen, immer unangenehm in Eile, der Rucksack auf meinem Rücken sprang mit jeder Stufe, das Wasser gluckerte verloren in meiner halbvollen Flasche. Auf geradem Flur lief ich noch schneller durch den Vormittagstrubel und war pünktlich.

Ich sah ihn nicht sofort. Der Raum war gut gefüllt zu dieser Produktivitätshochzeit, 10:30 Uhr. Ein Summen zog sich um die verstreuten Tische wie ein verirrter Frühlingstag. Danny saß weit hinten in einer Ecke, Blick und Finger träge verloren auf seinem Handydisplay. Ich begann den Slalom um Menschen und Plastikmöbel, um zu ihm zu gelangen.

»Hi.« So selbstverständlich wie möglich glitt ich auf einen der giftgrünen Stühle neben Danny. Jedes Gespräch mit ihm in der Uni, in tagesbelichteter Alltäglichkeit, nüchterner Öffentlichkeit, fühlte sich wie ein Trick an. Als würden die Wände um uns herum sich in wenigen Minuten als Pappkulissen herausstellen.

Scherzfrage: Was haben Daniel Pereira und Louis Tomlinson gemeinsam?
Grelle Bühnenscheinwerfer, verzerrte Statistengesichter, enttäuschte Kritiken.
Antwort: Gar nichts.

Was natürlich nicht stimmte. Und es traf mich hart, als Danny lächelnd aufsah. In einer Parallelwelt, in der wir nicht so betrunken und sexuell ausgehungert gewesen wären, hätten wir gute Freunde sein können. Er war einer dieser Menschen, die verdienterweise zufrieden mit sich selbst und einfach angenehme Gesellschaft waren. Aber die Chance hatten wir verpasst.

»Hey Louis.« Er rückte seinen Stuhl ein Stück ab, öffnete den Winkel zwischen unseren Beinen, um mich frontaler ansehen zu können. Auf dem Knie seiner schwarzen Jeans offenbarte sich ein zweifellos selbstbemalter Stoffflicken, der in bunten Formen seine Liebe für Yayoi Kusama widerspiegelte. Was ich natürlich nicht hätte zuordnen können, wäre ich nicht schon in den Genuss seines ehrlichen Schocks gekommen, als ich bei unserem ersten Kennenlernen nichts mit dem Namen anfangen konnte und er mir eine zehnminütige, wirre Einführung gegeben hatte, Vodka in seinem Atem, Bass explosiv um uns herum, grellrote Perücke auf seinem Handy, das er jetzt schwarz werden ließ.

Mit sehr aktivem Willen wandte ich den Blick von seinem Knie ab. »Tut mir leid, bin ich zu spät?«, erkundigte ich mich, wohl wissend, dass ich es nicht war.

Er checkte die Uhrzeit nicht. »Ich bin nur zu früh.«, beschwichtigte er. Dass er so früh am Morgen überhaupt schon existierte. Er war noch viel weniger ein Frühaufsteher als ich. »Du hattest einen Kurs bis jetzt..?«

»Zwei.« Unterstützend hob ich zwei Finger.

Einer der asymmetrischen Mundwinkel zuckte höher. »Shakespeare I und Shakespeare II

Ganz vielleicht hatte ich mich mehr als einmal bei ihm darüber aufgeregt, wie überrepräsentiert Shakespeare in diesem Studium war, einer der wenigen Kurse, die Pflicht für alle waren. Danny, der Weise, hatte die Essenz erkannt; Shakespeare lohnte sich nur für die pausenlosen Sexwitze. Dass er nebenbei die gesamte englische Sprache revolutioniert hatte, war nebensächlich. »Renaissance und GSK

»GSK?« Er hob eine Hand. Etwas weißes, krustiges warf sein Handgelenk in Falten und hatte sich unter seinen Nägeln festgesetzt. »Warte, lass mich raten! Das S für Shakespeare, selbstverständlich, daraus besteht euer ganzes Studium... Also...Größenwahn, Shakespeare und...K, was könnte... Größenwahn und Shakespeare in der Kirche.«

wait for me in the skyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt