𝐗𝐈𝐈

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Wie jeden Montag – Mittwoch, Donnerstag, Freitag – klingelte der Wecker zu früh. Es war Oktober und die Decke meiner Wohnung nicht mehr nachtschwarz, also schälte ich mich träge aus dem Bett. Durch meinen Kiefer zog ein Stechen, als hätte ich einen meiner Albträume gehabt, dabei konnte ich mich nicht mal daran erinnern, überhaupt geträumt zu haben.

Mit meinen warmen Augenlidern so gesenkt wie möglich hievte ich meinen zu müden Körper ins Bad. Die Party hatte Samstagabend stattgefunden, damit man den ganzen Sonntag zum Auskurieren des Schlafmangels und Alkoholmissbrauches hatte, aber ich war nicht mehr 16 und so funktionierte das Leben ganz einfach nicht. Zayn und ich hatten meine Wohnung 5:21 Uhr aufgeschlossen, nachdem wir Schritte zählend den ganzen Weg vom Grove bis hierher gelaufen waren – warum, wenn Zayn direkt nebenan wohnte? Ich hatte nicht den winzigsten Ansatz einer Ahnung.

Irgendwie hatten wir es betrunken geschafft, über 40 Minuten für den Weg zu brauchen. Wie war es möglich, das Gefühl zu haben, als würde man tanzen, wenn man eigentlich in jede sechste Hausecke rannte?

Aber nichts davon war das Schlimmste gewesen. Das hatte nämlich Punkt 8:00 Uhr morgens auf uns gewartet; in Form von Zayns aufbrausender Klaviersonate, dem mörderischen Klingeln seines Handyweckers, weil er sich in genau anderthalb Stunden mit Niall zu einem Frühstücksdate hatte treffen wollen. Nicht im Traum hätte ich damit gerechnet, dass Zayn tatsächlich hingehen würde. Zweieinhalb Stunden Schlaf reichten nicht aus, um...nach dem vergangenen Samstagabend auf ein viertes Date zu gehen. Oder war es das fünfte? Ich sah nicht mehr durch.

Zayn hatte sich jedenfalls stöhnend aufgerappelt, wie der tapfere, irre Masochist, der er anscheinend war. Ohne wirklich darauf Rücksicht zu nehmen, dass es keinerlei Grund für mich gab, auch an den Datevorbereitungen teilzuhaben, hatte er in aggressiver Lautstärke – zumindest für meinen alkoholverdrehten Kopf – Kaffee gekocht und geduscht. Als er um kurz vor 9 Uhr die Wohnung verlassen hatte, war es unmöglich für mich gewesen, wieder einzuschlafen. Wieso mein eigener Körper sich selbst sabotierte, war mir ein Rätsel.

Dann hatte ich den ganzen gestrigen Tag lang gelesen. Fürs Schreiben oder großes Denken hatte meine Konzentration nicht gereicht. Am Nachmittag war ich für ein paar Stunden im Sitzen mit Kopf auf der Schreibtischplatte eingeschlafen; zu kurz, um den fehlenden Schlaf nachzuholen, und zu lang, um dann abends zu vernünftiger Zeit einzuschlafen. Das Leben war kompliziert.

Es war nicht einfacher dadurch geworden, dass ich mich mit jeder verstreichenden Minute auf die Art einsamer gefühlt hatte, die Einen mit müden, verkaterten Kopfschmerzen verfolgte, wenn der beste Freund gerade auf einem Date mit einem Jungen war, für den er sogar Schlaf opferte. Wenn der Verstand nicht genügend Energie hatte, um Gedanken zu formen, dann blieb nur noch, wonach das Herz sich gerade sehnte. Und zu meinem Pech war das im Moment jemand, der meine Hand halten würde.

Vielleicht war das der unterschwellig stärkste Grund dafür, wieso ich es jetzt schaffte, mir mit kaltem Wasser den zu kurzen Schlaf aus den Augen zu waschen. Ich hatte mich einsam gefühlt; was teilweise gut, teilweise schlecht war. Einsamkeit schlitzte einem erst das Herz, dann das Gehirn auf. Es war ätzend. Aber gleichzeitig machte Einsamkeit verzweifelt – was sich erstmal nicht besonders positiv anhörte, aber es brachte eine ungewohnte Konsequenz mit sich. Ich wurde mutiger und leichtsinniger und...naja; verzweifelter eben. Einsamkeit und Verzweiflung konnten meinen Verstand und soziale Beklommenheit so weit übertönen, dass ich mich traute, Schritte zu gehen, für die ich sonst zu verängstigt war. Oder zu vernünftig.

wait for me in the skyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt