☽ ⋆ 𝐋 ⋆ ☾
Zayn war hartnäckig und ich das Gegenteil von unauffällig gewesen. Nach Stunden frustrierender Gruppenarbeit, in der sich fünf selbstüberzeugte Literaturstudenten nicht in einer einzigen Sache hatten einig werden können, war Zayn überzeugt gewesen, dass wir nur Ausgleich in Form eines entspannten, gemeinsamen Abends finden würden. Ohne die anderen drei Gruppenmitglieder, versteht sich. Pizza bei mir. Und das sollte ihm zugestanden werden; es wäre notwendig gewesen. Hitzige ›Angels in America‹-Diskussionen machten meinen Namen zum Schimpfwort und ließen Köpfe rollen. Auch die schönsten Engel konnten da nicht schlichten.
Doch dann war da Harry. Ich konnte Zayn nicht in meine Wohnung einladen, wenn Harry eine halbe Stunde später klingeln würde – oder womöglich schon vor meiner Haustür saß und geduldig darauf wartete, dass ich zurückkehrte. Unvereinbar. Ich hatte Harry versprochen, niemandem von seinem Geheimnis oder der Tatsache, dass er jetzt temporär bei mir übernachtete, zu erzählen. Nicht mal Zayn. Zayn, der mehr oder weniger alles über mich wusste. Zayn, der mir ›Please, please, Louis, I'm begging, baby, please‹ falsch ins Gesicht zitieren konnte, um mich doch zu Pizza zu überreden, obwohl das gesetzlich verboten sein sollte. Zayn, der mich öffentlich verteidigt hatte, als die Sache mit Francis und den Kleidern passiert war und ich mir den Schatten eines unüberwindbaren Rufes angeeignet hatte. Zayn, der für meinen Namen einen immer-laut-gestellten Klingelton hatte, damit er bereit war, wenn der Tag kam, an dem meine Welt unterging.
Aber Zayn musste Harrys Grenzen respektieren – ohne auch nur von ihrer Existenz zu wissen. Hilfe. Harry hatte gerade mal eine Nacht bei mir verbracht und schon wuchs mir die Verantwortung über den Kopf. Und dabei war ich nicht mal derjenige von uns, der sich in der schwierigen Situation befand.
Jedenfalls hatte ich Zayn nur mit eiserner Sturheit letztendlich abwimmeln können.
Argument 1: Wir würden uns morgen, Mittwoch, sowieso wie immer treffen.
Argument 2: Ich war zu hungrig, um die Pizzalieferungszeiten abzuwarten.
Argument 3: Ich hatte Kopfschmerzen und wollte so schnell wie möglich schlafen gehen – und das war nicht mal eine Lüge gewesen.Zurück in meiner Wohnung hatte ich lange geduscht, in stillem Nervenkitzel, dass Harry jederzeit klingeln konnte. Aber die Warnung, dass ich spät zurück sein könnte, schien gewirkt zu haben. In Schlafanzug und Wollpullover aß ich ein paar aufgetaute Reste und begann zu hoffen, dass Harry bald auftauchen würde. Ich wollte wirklich schlafen gehen. Verzweifelt leerte ich Wasserglas nach Wasserglas, um die nagenden Kopfschmerzen zu ertränken. Bis auf eine schleichende Übelkeit zeigte das keinen Effekt.
Ich machte es mir nur halbbequem auf dem Bett und ließ das helle Deckenlicht an; nur um nicht Gefahr zu laufen, einzuschlafen. Mit Notizblock und Bleistift auf dem Schoß begann ich zu lesen. Es war kaum Mitte November, aber die Weihnachts-Deadlines streckten schon jetzt ihre gnadenlosen Finger nach mir aus. Ich hatte mir heute den gefürchteten Überblick verschaffen. Drei Essays, eine Vergleichsanalyse, ein Vortrag, das verfluchte Kreativprojekt und nicht zu vergessen; das Gedicht, für das ich bisher nur Ideen kopiert hatte. Großartig. Aber nicht nur, dass ich all diese Dinge noch schreiben musste...ich hatte noch nicht mal mit der meisten erforderten Literatur begonnen. Also meine Rechnung von heute: ich musste, um überhaupt mit dem Denken beginnen zu können, noch 2470 Seiten lesen, die meisten mindestens doppelt. Das bedeutete 60 Seiten täglich, beginnend heute, um nur einmal durch alles durchzukommen. Weil das nicht reichen würde und ich dann auch noch das nicht zu unterschätzende Schreiben schaffen musste, waren es mindestens 110 Seiten täglich. Bisher war ich heute auf 73 gekommen, und viel weiter wäre optimistisches Wunschdenken. Ich war müde und hinter meiner Stirn pulsierte der Schmerz. Bis Weihnachten gäbe es definitiv keine Freizeitlektüre für mich.
DU LIEST GERADE
wait for me in the sky
FanficHarry ist Louis' Schutzengel. Die Erde ist nicht der richtige Ort, um gegen die Regeln des Himmels zu verstoßen. Oder vielleicht doch?