24. Dezember 2015: Tony

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Teil 1
Anmerkung: (d/n) = dein Name, (d/h/f) = deine Haarfarbe
Zeitliche Einordnung: Nach Marvel's The Avengers

24. Dezember 2014

Du kanntest Tony Stark bereits aus den Medien. Wer nicht. Ehemaliger Waffenmogul, dann Entführungsopfer und jetzt Superheld und Teil der berüchtigten Avengers. Seine spektakuläre Karriere inspirierte so manchen und faszinierte auch dich. Außerdem machte sich seine Lebensgeschichte sehr gut auf den Titelblättern der Klatschpresse - ein Faktor, den du als Journalistin nicht außer Acht lassen konntest. „Tony Stark spendet 1 Millionen Dollar zum Wiederaufbau unserer Stadt!", „Tony Stark: Erst Waffenhändler, nun Pazifist?" oder „Die dunkle Seite des Stark-Imperiums: Eltern des Milliadär-turned-Superhero starben bei tragischem Auto-Unfall." Solche Überschriften findet man überall und kurz nach dem Angriff auf New York durch Loki und seine unheimlichen Alien-Verbündete war es noch schlimmer. Natürlich wurden über die anderen beteiligten Helden genau solche Stories verfasst; jeder von ihnen hatte enormes Potential um die Verkaufszahlen zu steigern und ein gutes Jahr lang nach dem Angriff waren du und deine Kollegen damit beschäftigt sämtliche Biografien und Fakten zu den Helden zu recherchieren. Jetzt hatte sich der Trouble etwas gelegt, doch eine Persönlichkeit lässt dich seit jeher nicht los: Tony Stark. Was einen Millionär wie ihn dazu bewegt seinen Konzern völlig umzukrempeln und den Waffen abzuschwören, was er während seiner Entführung und schließlich bei der Invasion New Yorks erlebt hat und sowieso seine Familiengeschichte - das alles klingt für dich nach einer wahnsinnig spannenden Story. Ganz insgeheim erhoffst du dir, eines Tages (vielleicht sogar mit Tony Stark persönlich) eine Biografie über den „Ironman" zu verfassen, doch noch bist du dir nicht sicher, wie realistisch diese Vorstellung ist. Du bist zwar eine renommierte Reporterin der New York Times, aber du kannst dir trotzdem nicht vorstellen, dass sich jemand wie Tony Stark auf dich einlassen würde - rein beruflich, natürlich. Doch die Vorstellung, irgendwann deinen Plan in die Realität umzusetzen begleitet dich täglich, sodass du - fast unterbewusst - oft Entscheidungen triffst, die es dir vielleicht ermöglichen, die Biografie über Ironman tatsächlich eines Tages zu verfassen.
So auch heute. Als du und deine Kollegen beim morgendlichen Meeting die Themen für den bevorstehenden Tag durchgeht, springt dir sofort ein möglicher Termin ins Auge: Iron Man weiht Rockefeller Weihnachtsbaum ein. Dir ist sofort klar, dass du diese Story übernehmen willst und meldest dich aufgeregt, noch bevor deine Kollegen sich überhaupt Gedanken machen können, welches Tagesthema sie für heute übernehmen. Die Einweihung soll um 18 Uhr Abends stattfinden; um diese Uhrzeit ist es jetzt Ende Dezember schon lange dunkel und der Weihnachtsbaum wird hell erleuchtet gut zur Geltung kommen. Auch wenn es erst 8 Uhr morgens in eurer Redaktion ist, bist du schon etwas aufgeregt, was den Abend angeht und freust dich fast wie ein kleines Kind auf den Baum und natürlich noch mehr auf die Chance, Tony Stark sehen zu können. Vielleicht kannst du ihn ja sogar interviewen...
Also bereitest du dich den Rest des Tages vor, notierst potenzielle Fragen und schreibst schon mal den Aufhänger der Story. Sie soll nicht lang werden, eher nur ein kurzer Bericht, aber vielleicht kann man ja noch mehr daraus machen. Die New Yorker lieben Tony Stark und du bist dir sicher, dass du noch ein paar relevante Fakten herausbekommen kannst.
Nach einiger Recherche, einem kurzen historischen Abschnitt zur Tradition des Rockefeller Weihnachtsbaum und dem obligatorischen Beantworten und Schrieben duzender E-Mails, verabschiedest du dich um 16 Uhr von deinen Kollegen und fährst kurz in dein Apartment nach Hause, um dich umzuziehen, da du dir sicher bist, dass du lange in der Kälte stehen wirst. Während die meisten arbeitenden Leute schon früher als du in den Feierabend gegangen sind, um am Heiligabend mit ihren Familien zusammen zu sein, hast du nichts anderes für heute Abend vor. Deine Kollegen waren sogar überrascht, dass du freiwillig die Geschichte über den Rockefeller übernimmst, da das bedeutete, dass du auch nach Feierabend recherchierst und die Story bis morgen fertig haben muss, aber anders als sie, hast du keine Familie, mit denen du den Abend verbringen kannst. Deine Mutter ist derzeit mit ihrem neuen Freund in Miami, sie mag den kalten Winter in New York überhaupt nicht und so hattet ihr euch geeinigt, dass du zumindest an Silvester in Florida treffen werdet. Aber dir macht das nichts aus; in New York ist man nie alleine und im Gegensatz zu deiner Mutter findest du die Stadt um diese Zeit ganz besonders bezaubernd. Und jetzt hast du ja eine Beschäftigung für heute Abend.
In der Subway strömen dir Menschen mit geröteten Wangen entgegen, einige von ihnen noch mit Einkaufstaschen und Päckchen unterm Arm, andere laufen in die selbe Richtung wie du, viele sind Eltern mit ihren Kindern an der Hand. Bei der Station des Rockefeller Centers steigst du aus, es ist erst viertel nach Fünf, aber du magst es, gerne früh bei einem Event zu sein, damit du genug Zeit hast, die Eindrücke in dich aufzunehmen und dich zu orientieren. Mit deinem Presse-Ausweis bekommst du meistens ohnehin einen guten Platz in der Menge, aber du bist nicht die Einzige, die schon so früh da ist. Als du von der 6th Avenue aus zu dem Freiluft-Forum gehst, kannst du den riesigen Weihnachtsbaum schon sehen und darunter bereits sehr viele Schaulustige, die noch Angestellte dabei beobachten, alles vorzubereiten. Der Baum ist schon prächtig geschmückt, mit riesigen, glänzenden Kugeln und überdimensionalen Schleifen und steht eigentlich schon seit Anfang Dezember hier, aber jetzt zur Feier des Heiligabend soll wohl Iron Man, der Held der Stadt noch seinen Segen geben. Neben dem Baum erblickst du auf dem Boden auch einen beeindruckenden, funkelnden Stern, der wohl noch an der Spitze des Baumes fehlt. Dieser scheint wohl Teil der Einweihung zu sein, denn er steht am Ende eines roten Teppichs, den die Angestellten gerade noch ausrollen. Eifrig machst du dir Notizen und drängst dich anschließend durch die immer größer werdende Menge, um so weit wie möglich nach Vorne zu kommen.
„Mommy, Mommy, wann kommt Iron Man?", hörst du einen kleinen Jungen neben dir quengeln, während er aufgeregt an dem Ärmer seiner Mutter zupft, die gerade damit beschäftigt ist, ihrem anderen Kind, einem pausbackigen Kleinkind seine Mütze zurecht zu rücken. Ja, gute Frage, wann kommt Iron Man?, fragst du dich. Du hast für das Event keine Agenda gefunden, also musst auch du dich überraschen lassen. Obwohl es in dem Menschengedränge recht warm ist, merkst du schon auf Dauer die Kälte und wippst leicht hin und her, um dich etwas zu bewegen. Vielen Zuschauern geht es wohl ähnlich; du siehst dich um und notierst dir: „Ein Event, das nicht nur Kinderaugen glänzen lässt: Viele New Yorker scheinen sich im traditionsbehafteten Rockefeller-Centre versammelt zu haben, um gemeinsam mit einem gefeierten Helden die Weihnachts-Feiertage einzuläuten."
Auch du stehst hier nicht zum ersten Mal. Du bist zwar nicht aus New York City selbst, aber kannst dich daran erinnern, dass du als Kind mit deinen Eltern das erste Mal die Stadt um die selbe Zeit besucht hattest und schon damals völlig fasziniert gewesen warst. Für dich stand fest: Du wirst eines Tages in dieser Stadt leben. Dieser Traum ist nun in Erfüllung gegangen und jedes Jahr verspürst du um die selbe Zeit das, was andere vielleicht kitschig als „Magie des Weihnachten" bezeichnen. Genau hier fühlst du dich wohl und erinnerst dich lächelnd daran, wie du damals den Weihnachtsbaum des Rockefeller-Centers das erste Mal gesehen hast. Bestimmt ist dieser Ort, dieser Baum für viele New Yorker mit schönen Erinnerungen verbunden. „Viel Nostalgie", schreibst du gerade auf, da ertönt eine Ansage aus einem der Lautsprecher, die um das Forum aufgestellt wurden. „Ladies and Gentlemen, herzlich willkommen zur diesjährigen Einweihung des Rockefeller Weihnachtsbaums!", begrüßt euch eine sympathische Stimme, die du sogleich zu einem Moderator in dunkelrotem Anzug zuordnen kannst, der mit einem Mikrophon auf eine Tribüne vor dem Baum tritt.
Die Zuschauern jubeln jetzt schon begeistert. „Heute Abend dürfen wir einige besondere Gäste begrüßen, tolle musikalische Vorführungen, eine kurze Vorlesung ankündigen und schlussendlich - als großes Finale - den berühmten IronMan!" Die Menge klatscht. Sofort ertönt im Anschluss weihnachtliche, feierliche Musik - live gespielt von einer Blaskapelle, die nun hinter dem Stamm des Baums nach vorne marschiert kommt. Die Stimmung ist heiter, schon ist die Kälte vergessen und die Kinder klatschen in ihre kleinen behandschuhten Hände. Ein Chor folgt auf die Blaskapelle und singt Gospel-Versionen von Weihnachtsliedern. Jetzt wippen die Zuschauer rhythmisch im Takt und flüstern sich gegenseitig Sachen zu, einige haben Tassen mit heißen, dampfenden Getränken in der Hand. Langsam fühlst du dich ein wenig einsam; du bist nicht immer alleine bei deinen Recherchen, manchmal kommt auch ein Fotograf mit, der hier und da Aufnahmen knipst, aber meist ist dieser sowieso huschend zwischen den Menschen unterwegs und nicht an deiner Seite. Und bei dem Event hatte dein Kollege aus verständlichen Gründen schon Feierabend gemacht; heute nutzt die New York Times wahrscheinlich Bilder von unabhängigen Fotografen, die in schwarz gekleidet mit ihren Teleobjektiven am Rand der Veranstaltung umherschwirren. Mit einem stummen Lächeln auf den Lippen blickst du umher, lauschst der Musik und checkst immer wieder mal dein Handy.
Es sind schon 20 Minuten vergangen, jetzt tritt der Moderator in Begleitung einer jungen Frau wieder auf den roten Teppich. „Sehr schön, sehr schön, meine Damen und Herren, einmal Applaus bitte für unsere Nachwuchs-Poetin, die uns jetzt ein paar Worte der Besinnung vor dem großen Finale vorliest. Viel Vergnügen!"
Räuspernd nimmt die junge Frau das Mikrophon entgegen und beginnt andächtig ein wunderschönes, selbstgeschriebenes Weihnachts-Gedicht vorträgt- Stille fällt sonst über das Forum, der Lärm der Stadt scheint im Hintergrund zu verblassen. Du notierst dir ein paar der Zeilen, du möchtest sie vielleicht in deinem Bericht zitieren. Dein Atem schwebt in der Kälte in einer weißen Wolke vor dir und du blickst nun ebenfalls mit leuchtenden Augen auf den Baum, dessen Lichterketten - zuvor noch dunkel und zwischen den Nadeln versteckt - langsam beginnen zu leuchten, tausendfach reflektiert durch die schimmernden Christbaumkugeln. Ist Weihnachten nicht wirklich die schönste Zeit des Jahres?
Als das Gedicht endet und langsam der Applaus einsetzt, die Autorin sich verbeugt und dem Moderator das Mikrophon zurückgibt, hast du schon fast vergessen weshalb du hier bist, doch der Moderator erinnert das Publikum zum dritten Mal an diesem Abend, was sie noch zu erwarten haben: „Und jetzt, der legendäre Mann in Rot und Gold, Mann in Eisen, Held der Stadt... Iron Man!"
Das war dramatisch denkst du, aber dein herz beginnt trotzdem vor Aufregung zu klopfen. Wo ist Tony Stark? Wird er auch von hinter dem Baum in einem schicken Anzug hervorkommen? Da hörst du ein Rauschen von Oben. Die Menge legt die Köpfe in den Nacken und versucht eine Quelle dem Geräusch zuzuordnen, die sich sogleich blicken lässt. Wie ein Komet schießt eine Gestalt in rot-goldenem Anzug hinter dem Hochhaus hinter dem Rockefeller Centre hervor, fliegt direkt am Baum vorbei, dreht eine Runde darum und landet schließlich schwungvoll auf dem Teppich. Jubelrufe kommen auf, die Leute klatschen übermütig und auch der Moderator klatscht begeistert in die Hände, als sich langsam die Maske der glänzenden Rüstung hebt und ein kantiges Gesicht mit Bart darunter zum Vorschein kommt. Da ist er. Tony Stark. „Guten Abend, New York!", ruft er in die Menge und hebt seine eiserne Hand zum Gruß. Aus den Kameras der Fotografen hagelt es ein Blitzgewitter. Auch du erinnerst dich an deine Journalistenrolle und kritzelst eifrig auf deinem Notizblock herum, drängst dich ein Stückchen weiter nach vorne. „Frohe Weihnachten!" Mit diesen wenigen Worten stapft der Superheld auf den funkelnden Weihnachtsstern zu, packt ihn mit beiden Händen und hebt wieder vom samtenen Teppich ab. Mit mehreren Umdrehungen um den nun immer heller strahlenden Baum fliegt er zur Spitze des Baumes, die in schwindelnder Höhe liegt. Wieder recken sich alle nach oben, nach dem Superheld, dem krönenden Abschluss und eine spannungssteigernde Musik ertönt aus den Lautsprechern. In dem Moment wo Tony Stark die Spitze erreicht und den Stern feierlich darauf setzt, erreicht die Musik und das Event seinen Höhepunkt und Funken sprühen aus Feuerwerk-Anlagen neben dem Baum. Die Menge rastet fast aus und dir werden die Menschen langsam zu viel. Du willst noch die letzten Momente abwarten, damit du nichts verpasst, wird er wieder nach unten fliegen? Werden ihm Reporter Fragen stellen können? Doch sobald der Stern sitzt und die Funken weniger werden, dreht der Iron Man noch eine Runde um sein Werk, dann fliegt er wieder in die Richtung aus der er gekommen war. Das war es dann wohl.
Das Publikum klatsch noch ein paar letzte Klatscher, macht Selfies und schlürft die Glühwein-Tassen leer, dann zerstreut sich die Menge langsam. Du bist ehrlich gesagt etwas enttäuscht. Die Show war toll, natürlich, aber du hattest mehr von dem Auftritt Tony Starks erwartet, deinem Superhelden. Er schien wohl nicht mehr Zeit für diese Einweihung zu haben. Auch verständlich. Aber somit war deine Chance, ihn auch nur eine Frage zu stellen mit den Feuerwerkskörpern erloschen.
Du hast alle Informationen, die du für diesen Beitrag brauchst, aber dennoch bist du einer der letzten, die noch unter dem Baum stehen. Etwas ratlos blickst du erneut zur bekrönten Spitze und fühlst dich auf einmal einsamer denn je. Das war es dann wohl mit dem diesjährigen Heiligabend, eigentlich dem ganzen Weihnachten, denn auch für Christmas-Morning hattest du nichts geplant außer endlich mal Ausschlafen und vielleicht ein selbstgemachtes Frühstück im Bett. Ich könnte jetzt nach Hause gehen, denkst du, da fällt dein Blick auf das Gebäude hinter dem Baum, das sogenannte Comcast Building. Du weißt, dass es dort oben beim „Top of the Rock" eine bekannte Bar gibt, die eine wunderschöne Aussicht über die Stadt zu bieten hat. Warum nicht dort den Abend verbringen? Was soll ich zuhause?
Der Aufzug bringt dich nach ganz Oben und seine Türen öffnen sich direkt in die Bar hinein. Eigentlich wird nicht jedem der Zutritt gewährt, aber jetzt an Heiligabend ist die Bar ohnehin nicht so gut besucht, alle sind daheim und feiern gemeinsam das frohe Fest - du und ein paar wenige Andere sind die Ausnahme. Zur Not hätte dir bestimmt dein Presse-Ausweis der New York Times weitergeholfen. An einer Garderobe gibst du deinen voluminösen Wintermantel ab und machst dich etwas unentschlossen langsam auf in Richtung der Bar. Schnell öffnest du einen weiteren Knopf deiner Bluse, du bist nicht gerade schick angezogen, aber wer konnte schon ahnen, dass du hier landen würdest. Schnell bindest du deine (d/h/f) Haare zu einem Pferdeschwanz hoch und trägst ein bisschen Lippenstift auf - so - das muss passen.
„Einen Whiskey Sour, bitte.", bestellst du beim Barkeeper, der aufgrund mangelnder Kundschaft sofort damit beginnt, dir deinen Drink zu machen. Es ist wirklich leer hier oben, aber gut, neben der Tatsache, dass heute Heiligabend ist, musste man auch die Uhrzeit beachten. Es ist erst 19 Uhr Abends, das Event hat gerade mal eine Stunde gedauert. Die wahre Kundschaft würde wohl erst viel später auftauchen, spät nach Mitternacht vielleicht, aber dann würdest du schon längst in deinem kuscheligen Bett in deinem gemütlichen Apartment liegen.
Der Alkohol wärmt dich wieder ein bisschen auf und du wendest dich der Aussicht zu, die hinter einer breiten Glasfront zu sehen ist. Es bietet sich der phänomenale, bekannte Blick auf das Empire State Building - ein Anblick, der dich ebenfalls bezaubert hat, als du ihn das erste Mal in deiner Jugend erblicken durftest. Da kommen viele Erinnerungen hoch, denkst du und nimmst einen weiteren Schluck deines Cocktails.
Neugierig, wie du als Journalistin bist, kannst du deinen Blick von der Aussicht losreißen und dafür auf die anderen wenigen Gäste der Bar richten: Ein Pärchen, er ungefähr doppelt so groß und breit wie sie, blond und in high heels; eine Gruppe junger Mädchen, von denen du nicht sicher bist, wie diese hier Zutritt bekommen konnten, da sie ununterbrochen kichern und Selfies mit ihren Getränken machen und schließlich drei Männer in Anzügen, die Aussehen, als würden sie gerade ein Bussines- Meeting veranstalten. Du kommst dir etwas fehl am Platz vor, allerdings kennst du dieses Gefühl, bist du doch oft nur die beobachtende Person, die versucht mehr über andere herauszufinden.
Du willst gerade der Aussicht erneut deine Aufmerksamkeit widmen, da fällt dir eine weitere Person am anderen Ende der Bar-Theke auf, die sich über die ganze Länge des Raums erstreckt: Ein Mann in einem Anzug mit einem Bart, an die Theke gelehnt, in Gedanken versunken sein Glas Whiskey on the Rocks betrachtend. Du traust deinen Augen nicht, bist dir sicher, du verwechselst die Person in dem gedimmten Licht der Bar. Doch als der Mann zu dir blickt, als hätte er deine Augen auf seiner Statur bemerkt, bleibt dir kein Zweifel: Es ist Tony Stark.
Hierhin war der Superheld vom Dienst also verschwunden. Er hatte also nicht wirklich etwas besseres an diesem Heiligabend zu tun - genau wie du. Bevor du darüber nachdenken kannst, was du tust, schnappst du dir dein halb leeres Glas und schreitest die Theke entlang zu ihm herüber. „Sie sehen so aus, als könnten Sie etwas Gesellschaft vertragen", sagst du, als würde es keine Rolle spielen, dass vor dir eine der bekanntesten Personen der Stadt, ja vielleicht sogar der Welt vor dir sitzt. Er hebt eine Augenbraue. „Tu ich das?", fragt er und schwenkt sein Glas. Er hat seit dem Moment, als er ebenfalls zu dir herüber gesehen hatte, seinen Blick nicht von dir gewendet. Vielleicht versucht er herauszufinden, ob du ein nerviger Groupie bist, oder er dich von irgendwoher kennt.
„Das waren doch Sie, die den Baum dort unten gerade eingeweiht hat, richtig?", übergehst du seine rhetorische Frage und versuchst ein Gespräch zu beginnen. Ihr scheint schließlich beide aus dem selben Grund hier zu sein. „Jup", antwortet der Millionär kurz und leert dann seinen Whiskey in einem Zug. Er scheint nicht so gut gelaunt zu sein, wie die Menge, die er noch vor einer viertel Stunde bespaßt hatte. Auch stellt er keine Gegenfrage. Du versuchst es nochmal: „Ich bin (d/n), von der New York Times und - keine Sorge, ich will sie nicht belästigen, ich habe alle Informationen zu meinem Bericht über heute Abend schon", sagst du schnell, als er erneut eine Augenbraue hebt. „Wenn ich die Möglichkeit gehabt hätte, Ihnen dort unten eine Frage zu stellen, dann wäre das nur eine gewesen." „Und die wäre?", fragt dein Gegenüber nur mittelmäßig interessiert und winkt den Barkeeper her, um ein neues Glas Whiskey anzufordern. „Ich hätte gefragt, was sie heute Abend noch so vor haben.", antwortest du. Das hättest du ihn tatsächlich gefragt, wenn du die Chance gehabt hättest. „Aber diese Frage hat sich jetzt wohl erübrigt." Schweigen. „Ich hab wohl das selbe vor wie Sie.", antwortet er schließlich und prostet dir mit seinem neuen Glas Whiskey zu. Du erwiderst seine Geste lächelnd.
„Haben Sie keine Familie, mit der sie heute Abend feiern können?", fragt Tony Stark unvermittelt. Du schüttelst den Kopf. „Nein, meine Mutter ist in Florida mit ihrem neuen Freund und... mein Vater lebt nicht mehr.", antwortest du. „Kommt mir bekannt vor. Letzteres zumindest.", mein Tony. Das war dir natürlich bekannt, aber dir war bis jetzt nie bewusst gewesen, dass ihr diese traurige Tatsache gemeinsam hattet. „Also bleibt es bei einem... was trinken Sie da?" „Einen Whiskey Sour" „Also bleibt es bei einem Whiskey Sour für heute?" „Oder bei zwei.", sagst du in Anbetracht deines nun ebenfalls leeren Glases. „Gut, also zwei. Noch einen Whiskey Sour bitte für die Dame!", meldet er dem Barkeeper. „Wie sagten Sie gleich, wie Sie heißen?" „(D/N)", antwortest du mit einem erneuten Lächeln und streckst ihm deine offene Hand hin. Er schüttelt sie. „Tony. Stark."

Ein drittes Glas Whiskey Sour und ein alsbald viertes Glas Whiskey on the Rocks (Tony Stark trinkt schneller als du, vermutlich, weil du mehr redest) später, ist das Gespräch endlich in vollem Gange. Erst hattet ihr euch zögerlich über das vergangene Event unterhalten, dann auch über andere Dinge, deinen Job, den Avengers-Turm, der nach dem Angriff vor zwei Jahren nun endlich wieder vollständig repariert ist, über die Stadt an Weihnachten und schließlich auch über Aspekte des Superhelden-Seins. Auch wenn du Tony liebend gerne sofort alle Fragen stellen würdest, die du über ihn und die anderen Avengers hast, aber du willst nicht gleich mit der Türe ins Haus fallen. Also gehst du es langsam an und der Alkohol hilft definitiv das Gespräch anzukurbeln und deine Aufregung zu kaschieren.
„Wie ist der Freund Ihrer Mutter so? Ist er ein Arschloch?", fragt Tony Stark dich und reckt sein Kinn interessiert nach vorne. Was für eine direkte Frage. Du lachst. „Nein, es geht eigentlich. Ich bin froh, dass sie ihn hat und er scheint sie glücklich zu machen." „Mh, verstehe. Das ist natürlich was Schönes."
Du nickst. Niemals hättest du gedacht, dass du eines Tages mit Tony Stark an einer Bar sitzen und dich über die Beziehung deiner Mutter unterhalten würdest. Wenn du ihr das später erzählen wirst, wird sie dir nie glauben.
„Sind Sie glücklich?", fragt Tony daraufhin. Die Frage überrascht dich fast noch mehr. „Ich? Also... ich denke schon, ich kann mich nicht beschweren...", stammelst du etwas unvorbereitet vor dich hin. „Also ich bin in keiner Beziehung, falls Sie das meinen, aber falls sie das nicht meinen, äh, doch, würde ich schon sagen. Ich lebe in meiner Traum-Stadt und habe meinen Traum-Job, was will man mehr?" Du merkst, wie deine Wangen rot werden, deine Antwort ist dir etwas peinlich. „Was ist mit Ihnen? Sind Sie glücklich?", fragst du also schnell.
Er überlegt eine Weile, als hätte er noch nie darüber nachgedacht. Dann setzt er zu einer Antwort an. „Ich... ich kann mich auch nicht beschweren. Ich bin Millionär, habe eine Beschäftigung, die mich erfüllt, bin ein gefeierter Held, darf mit tollen Menschen zusammen arbeiten. Aber ich schlafe seit zwei Jahren schlecht bis kaum und sitze am Heiligabend alleine in einer Bar. Beantwortet das Ihre Frage?" mit seinen brauen Augen und ernster Mine sieht er dir direkt i deine (d/A/f) Augen. Sie haben einen Ausdruck von Traurigkeit und Einsamkeit in sich. Du seufzt und weichst seinem Blick aus. Du weißt genau, wie er sich fühlt.

Mittlerweile ist es fast Mitternacht und du hast so viel geredet, wie lange schon nicht mehr. Tony ist tatsächlich ein sehr guter Zuhörer; er ist gar nicht so voreingenommen, wie es den Anschein macht. Und er hat natürlich auch Unmengen von interessanten Sachen zu erzählen: Von Reisen bis hin zu Missionen mit den Avengers, von denen er dir zwar keine Details erzählen darf, aber sie dennoch so spannend beschreibt, dass du ihm stundenlang zuhören könntest. Zwischendurch habt ihr Hunger bekommen und habt euch spontan Burger in einer Fastfood-Kette neben dem Comcast Building geholt. Jetzt schlendert ihr zu zweit durch die verlassenen Straßen, langsam in Richtung deiner Wohnung. Er hatte angeboten, dich nach Hause zu bringen, als dir langsam aufgefallen ist, wie spät es eigentlich war und du noch deinen Bericht schreiben musstest. Bald steht ihr vor der Eingangstür des Apartmentkomplexes in dem du wohnst, natürlich nicht zu vergleichen mit dem Avengers-Turm, zu dem Tony zurückkehren wird. Seinen Iron Man Anzug hat er in der Garderobe der Bar gelassen, wo das Personal versicherte gut darauf aufzupassen, bis er ihn abholen würde.
„Scheint so, als müsste ich mich verabschieden.", meinst du uns zückst deinen Haustürschlüssel aus der Jackentasche. „Sieht ganz so aus. Danke, dass Sie mir Gesellschaft geleistet haben." „Gerne.", antwortest du und schenkst ihm noch ein letztes Lächeln. „Nächstes Jahr wieder?", scherzt er halbherzig und du grinst. „Sie können mich ja anrufen.", meinst du grinsend und kramst eine Visitenkarte heraus, di e du ihm zwinkernd überreichst. „(d/N), Freie Journalistin der New York Times. Gute Nacht, (D/N)." „Gute Nacht."

Als du in der Früh aufwachst, fragst du dich, ob du gestern Abend geträumt hast. Doch als du noch etwas verschlafen auf dein Handy schaust, weißt du, dass das was du erlebt hast real war. „Merry Christmas", steht da in einer Nachricht auf deinem Display - von Tony Stark.

Avengers One Shots - Christmas EditionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt