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( 13. November. 2021, Chicago )

Elena's Sicht:

Der Regen prasselt auf meinen eh schon völlig durchnässten Körper. Für alle anderen Menschen hier wäre es kalt und sie würden frösteln, doch dank dem Vampir sein, spüre ich die Kälte nicht.

Ich steige von der Metallleiter herunter, die zu meinem Apartment führt. Meine Absätze erschweren mir den Abstieg etwas, aber was soll ich sagen. Vampirinnen leben in High Heels.

Ich wohne nicht im schönsten Viertel Chicagos, aber was solls. Besser als auf der Straße.

Ich ziehe mir meine Kapuze über meine braunen langen Haare und gehe Richtung Hauptstraße, die nur 300 Meter von meinem Apartment entfernt ist. Typisch Vampire halt.

Nur nach wenigen Metern des Laufens, höre ich eine leises Schluchzen aus der engen Nebengasse.

Es war sehr leise, also spitze ich meine Ohren, um es besser hören zu können. Wieder ein schluchzen. Ich atme tief durch, um etwas rieche zu können. Ich rieche einen blumigen Duft, also ein Mädchen. Ich rieche die Trauer und die Angst des Mädchens, welche schon fast zum Greifen nahe ist. Langsam gehe ich in die dünne Gasse rein in der nur vereinzelt Mülltonnen herum stehen und Müllsäcke liegen.

Langsam gehe ich die enge Mauern entlang, als ich ein kleines Mädchen weinend hinter einer Mülltonne sitzen sehe. Die Beine angewinkelt und den Kopf auf den Knien gestützt, weint das vielleicht 8 jährige Mädchen hier, mitten in Chicago. Einem der ärmsten und gefährlichsten Viertel der Stadt und einem so regnerischen Tag. Aber vor allem, was macht sie allein hier, um diese Uhrzeit? Es ist kurz nach Mitternacht.

Als ich näher trete, rieche ich etwas, was mich zurück schrecken lässt. Sie ist ein Werwolf....

Aber ich kann das kleine Mädchen doch nicht bei so einer kälte alleine hier lassen. Auch wenn ich ein Vampir bin und sie ein Werwolf, sie ist doch so unschuldig. Und falls sie ein anderer der Vampire findet die hier leben, wird sie nicht mehr lange leben. Das weiß ich mit Sicherheit, den kein anderer Vampir würde sich so etwas entgehen lassen.

Mit einem seufzen ergebe ich mich und gehe langsam auf sie zu. Meine hohen Schuhe klappern von den kahlen Wänden wieder, worauf das Mädchen ihren Kopf hebt.

Rote, geschwollene und verweinte Augen blicken mir entgegen in denen so viele Emotionen spielen, wie ein Sturm. Ich kniee mich vor das Mädchen und sehe sie mit dem sanftesten Blick an, den ich besitze. Auch wenn ich ein Vampir bin, bin ich nicht herzlos.

Kurz kommen die Erinnerung hoch, als ich in ihrem Alter war, aber diese Unterdrücke ich schnell wieder.

" Was machst du hier allein und in der Kälte?"

Meine Stimme ist leise, aber sie hört mich trotzdem. Sie wischt sich über die Nase und blickt mich hilfesuchend an.

" Mein... mein Bruder war plötzlich weg. Ich wollte ihn suchen, aber... ich.. ich konnte ihn nicht finden."

Immer wieder wird ihre süße Stimme von einem Schluchzer unterbrochen und wieder fließen Tränen aus ihren Augen. Ihre Tränen vermischen sich mit den fallenden Regentropfen vom Himmel.

Langsam und bedacht drücke ich das Mädchen gegen mich. Ihre Halsschlagader direkt vor meinen Lippen, so das ich ihr Herz pochen spüre, macht mein Verlangen nach ihrem Blut nicht kleiner.

Dazu weiß ich, wie köstlich Werwolf Blut ist....

Ich halte die Luft an und löse mich von dem kleinen Mädchen, dass noch immer weint. Gottseidank sind ihre Tränen schon weniger geworden.

" Weißt du wo du wohnst, Kleine?"

Nachdem sie nickte, sagte das Mädchen mir zitternd ihre Adresse, worauf ich sie am Arm nach oben ziehe und seufzend mit ihr Richtung U-Bahn laufe. Still und schweigend folgt sie mir. Ich rieche ihre Angst und ihre Zweifel, dennoch versuche ich mich aus ihrem Kopf raus zu halten. Was mir schwerer fällt, als gedacht.

Wir steigen in die nächste Bahn Richtung ihrer Straße. Wahrend der Fahrt halte ich sie in den Armen. Sie klammert sich an meinen Oberarm, so als würde ich sie vor allem beschützen können. Ich versuche ihr das Gefühl von Schutz zu geben, so gut ich kann.

Nach ein paar Minuten Fußweg kommen wir vor einem großen Mehrfamilien Haus an, welche für Werwölfe typisch sind. Alle zusammen in einem Haus.

Vor ihrer Tür angekommen, blickt sie kurz zu mir rauf, bis sie die Klingel drückt und sich mit einem leichten Lächeln zu mir dreht. Die Trauer in ihr ist verschwunden, so wie die Angst.

" Ich bin übrigens Marie."

Sagte das Mädchen mit einem zuckersüßen Lächeln und blickt mich mit einem Funkeln an.

Langsam dringen Schritte von drinnen zu mir und ich rieche mehr Werwölfe.

" Ich bin Elena."

Antworte ich dem Mädchen, mit einem Lächeln, welches echt ist. Ich lächle sie echt und aufrichtig an.

Als die Tür langsam aufgeht, verschwinde ich in Sekunden schnelle, wie es nur Vampire können. Marie dreht sich verwirrt nach hinten, aber sie wird sofort von einer Frau, die aus dem Haus kommt in den Arm gezogen. Wahrscheinlich ihre Mutter. Sie wird ins Haus gezogen, sieht sich aber trotzdem noch nach mir und versucht etwas in der Nacht zu erkennen.

Als sich die Tür schließt, verschwinde ich in den Schatten und dem Regen der Nacht.

Chicago's Night GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt