Chicago's Night Girl

18

( 3.1.2022, Warschau )

Tylers Sicht:

Langsam öffne ich meine Augen und blinzle ein paar Mal gegen die einfallende Sonne.

Warte, ich fühle mich so, als wäre ich gerade erst eingeschlafen.

Langsam klärt sich meinen Sicht und ich erblicke Elena vor mir.

Ihre Haare wehen leicht herum und sitzen dennoch wie immer perfekt. Ihr Blick liegt auf mir.

Ich liege auf irgendeiner Bank und sie sitzt neben mir.

Langsam richte ich mich etwas auf und stütze mich auf meinen Armen hinter mir ab.

Ich erblicke einen Pavillon aus weißem Holz in dem ein Divan , dessen Still aus dem Barock ist, steht auf dem ich liege.

Ich setze mich entgültig auf und blicke zu Elena welche noch immer kein Wort gesagt hat. Schweigend und mit einem offenen Blick blickt sie zu mir.

An den Säulen des Pavillons ranken hohe rote Rosen und wenn ich nach rechts blicke erblicke ich eine Burg von mir, welche wie aus dem Mittelalter wirkt.

" Elena?"

Ich stelle meine Füße auf dem Boden ab und blicke mich weiterhin aufmerksam um, als ich erst jetzt bemerke das Elena gar keine ihrer normalen Sachen trägt und ihre Augen nicht bernsteinfarben sind, sondern Blau.

Sie trägt ein weiß/ blaues Kleid, welches nicht aus dem 21 Jahrhundert stammt.

" Elena, wo sind wir?"

Frage ich sie völlig überfordert von den ganzen fremden Eindrücken.

" Wenn wir es genau nehmen in meinem Kopf. Aber auf einfach erklärt, in einer meiner Erinnerung. Wir sind im früheren Polen."

Verdutzt blicke ich sie an.

Sie ist wirklich hier? Ich dachte das ist ein Traum. Und was meint sie mit früheren?

" Also bist du wirklich hier?"

Sie nickt nur mit einem eher kindlichen Lächeln. Sie sieht anders aus. Jünger, kindlicher, so unerwachsen. Irgendwie sieht sie so unglaublich unschuldig aus, noch voller Lebensfreude.

" Ich meine... Wie?"

Stotterte ich vor mich hin.

" Du hast nach mir gerufen und mir deinen Geist geöffnet. Das was du siehst ist eine Erinnerung von mir aus dem Jahr.... 819 vor Christus."

Geschockt reiße ich meinen Augen auf. 819 v.Chr.? Was und Wie?

" Warte, wenn das eine von deinen Erinnerungen ist, bedeutet das du etwas 1200 Jahre alt sein musst?."

" 1203 Jahre."

Korregiert sie mich schnell

" Warte, das bedeutet wir sind im Mittelalter und.."

Sie legt einen ihrer zarten Finger auf eine Lippen um mich zu unterbrechen.

" Lass es mich dir zeigen und den Sinn hinter dem allen erklären."

Sie erhebt sich in ihrem Bodenlangen Kleid und zieht mich an meiner Hand hoch.

Ihre Haut ist genauso zart, wie sonst, dennoch wirkt sie viel jünger, obwohl sie nicht viel verändert aussieht.

Langsam führt sie mich aus dem Pavillon raus und geht mit mir zu dem Eingang von der Burg.

Sie öffnet das schwere dunkle Tor aus Holz und führt mich in das Innere.

Ich fühle mich wie in einer Geschichtsstunde.

" Mein Vater war ein Graf, meine Mutter eine Wirtshaustochter. Ich war weder gewollt noch geplant, dennoch holte mein Vater mich nach meiner Geburt in seine Burg. Niemand außer unsere engsten Vertrauten wussten, dass meine wahre Mutter eine Wirtshaustochter war."

Langsam führte sie mich in eine Art Gemäldegalerie.

Die Wände sind mit vielen gemalten Gemälden verziert, welche Landschaften zeigen, oder Männer in einer Schlacht oder in einer Uniform von damals.

Noch immer meine Handhaltend führt sie mich zu einem sehr großen Bild, welches fast bis zur Decke geht. Darauf gemalt sind ein schon etwas älterer Mann, mit 7 weiten jungen Männern, die im Gesicht ähneln und drei Frauen darauf.

Fast alle darauf sind schon erwachsen, bis auf eines der Mädchen.

Sie klammert sich an die Hand des einen jungen Mannes an. In einem langen Kleid, langen dunkel braunen Haaren und strahlend Blauen Augen steht Elena da und wurde gemalt.

Jeder würde sie sofort erkennen.

" Wie hießen deine Geschwister?"

Fragte ich sie schließlich und bestaune weiterhin das Bild.

Alle ihre Geschwister ähneln ihr im Gesicht. Die Haare und die Augen.

Elena muss ein lebendes Geschichtsbuch sein. Sie ist verdammt noch mal 1203 Jahre alt. Allein diese paar Fakten die ich in diesen paar Minuten über sie erfahren habe, machen sie nur noch interessanter für mich.

" Es ist mir peinlich das zu sagen, aber ich weiß es nicht mehr."

Mein Blick schnellt zu ihr rüber. Schüchtern steht sie neben mir und krallt sich jetzt in meinen Oberarm.

" Wie konntest...?"

" Du die Namen deiner Familie vergessen? Ganz einfach, selbst wenn du ein Vampir bist. Zeit lässt einen Vergessen."

Ihre Stimme klingt sehr traurig. Langsam lege ich meinen Arm um sie und sie drückt sich sofort gegen mich. Dieses Gefühl und diese Berührungen fühlen sich gut an.

" Wie alt bist du in dieser Erinnerung?"

" 16."

Ich blicke zu ihr runter. Sie sieht echt niedlich aus. Auch wenn sie als Vampir nicht viel älter aussieht ist es dennoch anders.

Kurz betrachten wir noch das Bild, bis sie mich raus auf einen Balkon führt, wo sie mit mir auf die Landschaft blickt.

" Tyler, ich habe dich hier hergebracht damit du etwas weißt. Auch so sehr du deine Familie gerade hasst, irgendwann wirst du diese Worte bereuen und irgendwann kannst du dich nicht mehr entschuldigen. Nutze die Zeit mit ihnen, sie ist begrenzt...."

Langsam verschwimmt Elena und alles vor meinen Augen....

Verschwitzt schrecke ich in meinem Bett hoch und blicke mich keuchend um. Ich bin in meinem Zimmer.

Die Sonne ist am Aufgehen und ich höre leise Stimmen von unten. Schnell schlage ich meine Decke zur Seite und laufe die Treppe hinunter. In der Küche sitzen meine Eltern.

Mum weint am Tisch und Vater steht hinter ihr und versucht sie zu Trösten.

Langsam steht Mum auf als sie mich bemerkt und auch in mir steigen langsam Tränen auf.

" ..Nutze die Zeit mit ihnen, sie ist begrenzt...."

Schießt es mir durch den Kopf.

" Es tut mir leid."

Sage ich leise, aber sie hören mich. Mum weint weiterhin und auch Dad scheint zu kämpfen. Mum öffnet leicht ihre Arme und ich renne fast schon auf sie zu und umarme sie. Auch Dad umarmt uns von der Seite.

" Es tut mir leid."

Wiederhole ich ein paar mal, aber Mum sagt immer wieder das es okay ist.

Danke, Elena....