KAPITEL 4

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Ashley

Der Geruch, der mich beim Betreten unseres Hauses empfing, ließ mich angewidert die Nase verziehen, während sich in mir der Wunsch breit machte, einfach wieder zu verschwinden und Bree anschließend irgendeine Lüge aufzutischen. Aber nun war ich hier und würde nicht eher gehen, bis ich mir sicher war, dass meine verdammte Mutter noch am Leben war und sich nicht tot gesoffen hatte. Ich schloss die Tür hinter mir, die noch genau dieselbe war wie vor sechs Jahren, nur dass sie ihre besten Zeiten eindeutig schon hinter sich hatte, was auch für den Rest des Hauses galt. Mom war zwar nach dem Verschwinden meines Erzeugers hier wohnen geblieben, weil das Haus längst abbezahlt gewesen war, aber sie hatte nicht einen Finger gerührt, um das Haus in Stand zu halten. Der Garten sah aus wie ein verfluchter Urwald, während das Innere und Äußere des Hauses dreckig und verkommen war und sich kaum noch zum Leben eignete. Nicht, dass meine Mutter das störte, denn sie bekam ohnehin nicht allzu viel mit, aber ich war mir der gaffenden und abschätzigen Blicke der neugierigen Nachbarn mehr als bewusst, wenn ich herkam. Das änderte jedoch nichts daran, dass mir der Zustand des Hauses genauso egal war wie meine Mutter. Sollte sie doch in diesem Wrack leben. Ich stieß ein Schnauben aus, als mein Blick auf die Fotowand traf. Jegliche Fotos mit Sawyer Thompson waren verschwunden, doch die mit meiner Schwester und mir waren geblieben, als wären wir dieser Frau wirklich wichtig, was natürlich absoluter Bullshit war. Ich war mir manchmal nicht mal sicher, ob sie überhaupt wusste, dass sie zwei Töchter hatte. Der Stoff und der Alkohol vernebelten ihr nicht nur ihre verdammten Sinne.

Ich war gerade einmal einige Schritte in Richtung Wohnzimmer gegangen, in dem ich meine Mutter vermutete, als sich die Tür von diesem öffnete und jemand heraustrat, der einen penetranten Geruch nach Gras und einem teuren Männerparfüm mit sich brachte, den ich leider viel zu gut kannte. Noch im selben Moment trafen meine Augen auf den schmierigen Blick von LaRoy Jenkins, einem Mann, von dem ich gehofft hatte, ihn nie wiedersehen zu müssen. Aber für gewöhnlich bekam ich nie das, was ich wollte, und so war es auch heute nicht anders, nur dass dieses Aufeinandertreffen etwas war, das mich das letzte Mal beinahe mein Leben gekostet hatte. »Nah sieh einer an, wen haben wir denn da«, sagte der Latino mit dem dichten, dunklen Bart und ebenso dunklen Haaren. Sein Mund, an dessen Unterlippe ein silbernes Piercing befestigt war, verzog sich zu einem Grinsen, das selbst mir eine Gänsehaut bescherte. »Wenn das nicht meine kleine orangehaarige Furie ist.« Er schloss die Tür des Wohnzimmers hinter sich.

Mein Blick glitt über seine Arme, die voll und ganz von Tattoos überzogen waren, hinauf zu seinem Gesicht, dass der einzige Beweis dafür war, dass Jenkins deutlich älter war, als er aussah und durch die Gegend lief. Er mochte Macht haben, war aber einige Jahre älter als meine Mutter. »Jenkins«, erwiderte ich unter zusammengebissenen Zähnen. »Was hast du hier zu suchen?« Meine Worte waren messerscharf.

Er schnalzte mit der Zunge und kam einige Schritte auf mich zu. »Na, na, na. Warum denn so unfreundlich? Begrüßt man so etwa einen alten Freund?«

Ich versteifte mich und versuchte, mein immer schneller schlagendes Herz unter Kontrolle zu bekommen. Er durfte unter gar keinen Umständen merken, wie sehr mich sein Auftauchen aus der Fassung brachte. »Wir sind keine Freunde und waren aus auch nie«, knurrte ich.

Er lachte und kam noch näher. Ich musste all meine Kraft aufbringen, um nicht automatisch einen Schritt zurückzutreten. »Oh das sehe ich anders, kleine Furie.« Sein Geruch nach Gras vernebelte meinen Verstand. Ich konnte kaum atmen. Erst jetzt fiel mir auf, dass Jenkins high war. Seine dunklen Pupillen waren winzig. Aber es wunderte mich kein bisschen. Er war genauso krank wie meine Mutter, vielleicht sogar noch viel schlimmer. Er und seine Gang, die Silverhaven Kings, vertickten das Zeug an jeder Ecke, als wäre es ein verdammtes Grundnahrungsmittel. Jenkins war gefährlich und die Silverhaven Kings womöglich noch viel mehr.

BREAK THROUGH THE WALLSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt