KAPITEL 9

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Ashley

Ich wusste in der Sekunde, in der ich aus dem Treppenhaus in den Gang trat, das etwas nicht stimmte. Und diese schlimme Vorahnung wurde mir nur bestätigt, als meine braune, morsche Wohnungstür in meinem Sichtfeld auftauchte. Meine Wohnungstür, die nicht wie erwartet geschlossen war, sondern einen winzigen Spalt offen stand, sodass es kaum jemand bemerkte, der nicht darauf achtete. Aber ich schloss meine Tür immer ab und überprüfte das meistens noch einige Male, sodass dies nur eins heißen konnte: jemand war ohne mein Wissen in meiner Wohnung gewesen. Mein Herzschlag beschleunigte sich unwillkürlich, während ich vorsichtig eine Hand den Türgriff legte. Das Holz der Tür war an der Seite des Türgriffs zersplittert, als wäre sie aufgebrochen worden, doch aus der Wohnung drang kein Geräusch an mein Ohr. Obwohl ich es nicht wollte, konnte ich nicht verhindern, dass meine Finger feucht wurden und leicht zitterten, als ich die Tür langsam öffnete. Auf den ersten Blick war alles normal, doch schon beim zweiten Hinsehen fielen mir die umgefallenen Kartons neben der Wohnzimmertür auf, aus dem allerhand Sachen herausquollen und sich über den Boden verteilten. Die Schubladen des Schrankes neben der Tür waren aufgerissen und der Boden dreckig, als wäre jemand mit seinen Straßenschuhen dort hineingelaufen. Und dann waren da noch die kaputten Bilderahmen, die quer auf dem Boden zerstreut waren. Ihr Glas war zersplittert und lag nun gefährlich glänzend neben der Tür zum Wohnzimmer.

Ich bekam kaum mit, wie meine Füße mich in die Wohnung trugen, drauf bedacht, mir nicht wehzutun. Die Tür ließ ich offen, während ich auf wackligen Beinen und mit rasendem Herzen den Flur entlang lief. Zum Wohnzimmer, um zu schauen, ob noch mehr Chaos angerichtet wurde. Bis jetzt schien es mir nur ein harmloser Einbruch zu sein. Doch in der Sekunde, in der ich einen Blick in mein Wohnzimmer warf, änderte sich alles. Ich fror in meiner Bewegung ein und spürte, wie Übelkeit sich in mir breit machte, als mein Blick auf die weiße Wand über meinem Sofa traf. Eine Wand, die nun nicht mehr weiß war. Ich schlug mit zitternd eine Hand vor den Mund und biss mir schmerzhaft auf die Zunge, um nicht laut auf zu keuchen oder zu schreien. Das Herz in meiner Brust schien stehen zu bleiben, genauso wie der Rest der Welt. Ein Piepen setzte in meinen Ohren ein, während ich zu begreifen versuchte, was hier vor sich ging. An der weißen Wand prangte in dicken Lettern, dessen Farbe an frisches Blut erinnerte, ein unsauberer Schriftzug, der mir das Blut in den Adern gefrieren und mich erzittern ließ. You will pay for it, schrie mir die Wand entgegen. Fünf Worte, die eine Handschrift trugen, die ich nur allzu gut kannte, auch wenn ich mir wünschte, es nicht zu tun. Ich konnte meinen Blick nicht von den leuchtend roten Worten abwenden, auch wenn das Chaos im Wohnzimmer noch weiterging. Doch mein Kopf war darauf fokussiert, zu verstehen, was dort vor mir an der Wand stand und die genaue Handschrift von LaRoy Jenkins trug. Ich konnte nicht anders, als hart zu schlucken. Plötzlich machte mein Handy ein Geräusch, das mich zusammenzucken ließ. Eine Nachricht. Mit zittrigen Fingern angelte ich es aus meiner Tasche und erstarrte.

Unknown: Ich bin mir sicher, dass du mein kleines Geschenk an dich schon gefunden hast, kleine Furie. Sieh es als Erinnerung daran, dass du mir verdammt noch mal mein Geld beschaffen wirst. Ich habe deiner nichtsnutzigen Mutter genug Zeit gegeben, um ihre Schulden zu begleichen, aber sie hat mich an der Nase herumgeführt. Etwas, das ich absolut nicht leiden kann. Ich will mein Geld zurück haben un du wirst es mir besorgen. Aber ich werde ganz sicher nicht noch weitere fünf Monate darauf warten, also sieh zu, dass du es mir beschaffst, sonst könnte ich mich eventuell vergessen. Auf deinem Couchtisch findest du einen Zettel mit der höhe der Summe. Ich werde dich dann zu gegebener Zeit finden.

Ohne weiter darüber nachzudenken, lief ich zum Tisch, schnappte mir den Zettel und ging langsam zurück in den Flur, um so viel Abstand wie möglich zwischen mich und die Worte an meiner Wand zu bringen. Erst dann öffnete ich mit zitternden Händen den weißen Zettel und keuchte laut auf, als ich die Summe sah, die mir von dem Zettel direkt ins Gesicht springen zu schien. Kurz wurde mir schwarz vor Augen, sodass ich mich am Türrahmen abstützten musste. Mein Kopf schwirrte und mir war kotzübel. Immer und immer wieder flogen meine Augen über die Zahl, aber ich konnte es einfach nicht begreifen. Die Summe war so überirdisch hoch, dass ich sie niemals würde zurückzahlen können. Nicht, wenn ich nicht eine Bank ausrauben oder es plötzlich einen Geldregen geben würde. Und in dem Moment, in dem ich realisierte, dass dies vermutlich mein Todesstoß war, brach die Wut in vollen Zügen über mich herein. Wut auf meine verdammte, nichtsnutzige Mutter, die mir nichts als Schwierigkeiten bereitete. Wut auf Jenkins, dieses kranke Schwein. Wut auf mich selber, weil ich niemals stark genug sein würde, um Typen wie Jenkins von mir fern zu halten. Ich stieß einen Wutschrei aus, zerknüllte den Zettel und warf ihn in mein Wohnzimmer, das ich vermutlich nie wieder betreten würde, weil meine drogen- und alkoholsüchtige Mutter es geschafft hatte, mir auch dieses Zuhause zu nehmen. In meinen Ohren rauschte das Blut, während ich nicht wusste, wo ich mit meiner Wut hin sollte. Ich ballte meine Hand zu einer Faust, holte wütend aus und...

BREAK THROUGH THE WALLSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt