KAPITEL 26

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Ashley

Zwei Stunden später saßen wir auf der dunkelblauen Couch im weitläufigen Wohnzimmer von Chases Tante und sahen uns einen Film an, von dem ich im Grunde kaum etwas mitbekam, während Samy und Shira ihre Runden im Garten drehten. Die Pizza war längst aufgegessen und hatte mich für einen kurzen Moment einfach nur glücklich gemacht, weil sie genauso fantastisch gewesen war, wie Chase zuvor angedeutet hatte. Doch das Glück war ziemlich schnell verflogen, als mir die neue Nachricht auf dem Sperrbildschirm meines Handys ins Auge gesprungen war. Seitdem lag die Pizza wie ein Stein in meinem Magen und drohte, jeden Moment wieder den Weg nach draußen zu finden. Ich war gut darin, mein Unwohlsein zu verstecken, doch wenn ich meinen verdammten Mageninhalt vor Chase auf den teuren Laminatboden erbrechen würde, dann würde selbst er merken, dass etwas nicht stimmte. Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich es noch durchalten würde, hier zu sitzen und so zu tun, als wäre alles gut, wenn es das offensichtlich nicht war. Seit der Nachricht hörte mein Herz nicht mehr auf, im Höchsttempo zu schlagen, und meine Hände, die sich um mein Handy krampften, waren klamm und kalt. Ich spürte den Angstschweiß, der mir zwischen den Schulterblättern hinabrann und kleine Schauer durch meinen Körper sandte. Ich war so sehr auf meine Angst konzentriert, dass ich sogar Chase ausblendete, der seelenruhig neben mir saß und gebannt auf den Fernseher blickte, in dem irgendein Star Wars Film lief, den er so oder so schon auswendig kennen musste. Ich wusste, dass er diese Filme liebte, doch ich hatte in diesem Moment nichts dafür übrig.

Ich schluckte hart, um die Übelkeit zu vertreiben, und rutschte auf der Couch herum, während in meinem Kopf ein Summen einsetzte und Bilder durch meinen Kopf schossen, die die Übelkeit noch verstärkten und mir all meine Selbstkontrolle abverlangten. Als sich im Fernseher dann auch noch zwei aufgelöste Charaktere, deren Namen ich schon wieder vergessen hatte, weinend in die Arme fielen, wurde mir alles zu viel. Mit meinem Handy in der Hand sprang ich auf und murmelte ein leises »Bin gleich wieder da.«, ehe ich ins Badezimmer sprintete und die Tür hinter mir verschloss, sodass ich alleine war. Dann stürmte ich zum marmornen Waschbecken und spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht, um meinen surrenden Kopf abzukühlen. Mein Herz raste wie wild und die Übelkeit war nach wie vor da, während ich leise keuchte und meine Hände zitterten. Aus dem Spiegel blickten mich ein paar moosgrüner Augen an, die vor Angst geweitet waren und in einem Gesicht saßen, das viel zu blass war. Im hellen Licht des Bads wirkte ich wie ein Gespenst. Zitternd stützte ich mich mit den Händen neben dem Waschbecken ab und senkte den Kopf, um tief durchzuatmen. Meine Beine fühlten sich an wie Wackelpudding und schienen unter mir nachgeben zu wollen. Wider besseren Wissens griff ich schließlich nach meinem Handy und tippte auf die Nachricht, die mich so sehr aus dem Konzept gebracht hatte. Sobald mein Blick auf das leicht verwackelte Foto einer mir viel zu bekannten Person und die dazugehörige Textnachricht fielen, durchzuckte mich eine weitere Welle der Angst.

Unknown: Ist sie nicht hübsch, deine Schwester? Wäre doch wirklich schade, wenn sich das ändern würde, oder nicht? So unschuldig und unwissend lebt sie ihr Leben in San Francisco und hat keine Ahnung, was ihre kleine Schwester ihr für Ärger einhandeln könnte. Ich würde es wirklich schade finden, ihr weh tun zu müssen, kleine Furie, aber nach wie vor stehe ich hier mit leeren Händen und warte auf mein Geld. Du lässt mir keine andere Wahl. Mach nicht den gleichen Fehler wie deine nichtsnutzige Mutter. Es könnte die gute Brianna in Gefahr bringen, und das wollen wir doch nicht, oder? Ich gebe dir vier Wochen. Danach ist meine Geduld endgültig ausgeschöpft.

Keuchend glitt mir das Handy aus der Hand und landete auf den weißen Fliesen, als ich mir die Hände vor den Mund schlug, um meinen Schrei zu ersticken. Ich konnte nicht mehr. Meine Beine sackten unter mir weg und ich landete neben meinem Handy auf dem Boden, während erneut eine Welle schrecklicher Bilder durch meinen Kopf schossen. Auf jedem einzelnen von ihnen sah ich meine tote Schwester. Das, wovor ich seit Monaten Angst hatte, war geschehen: Jenkins hatte sie gefunden und war auf dem besten Weg, ihr Leben genauso zu zerstören. Wegen mir. Weil ich es niemals schaffen werde, Amelias Schulden bei ihm zu begleichen. Es ist deine Schuld. Du bist schuld, dass Brees Leben enden wird. Du. Du. Du. Stöhnend vergrub ich meine Hände in meiner orangenen Haarpracht und legte den Kopf auf meine angezogenen Knie. Meine Brust fühlte sich eng an und ich konnte es noch immer nicht fassen, dass ich es nicht geschafft hatte, meine Schwester aus all der Scheiße rauszuhalten. Vier Wochen. 28 Tage. 672 Stunden. So lange blieb mir, um Brees Leben zu retten, nur dass ich genau wusste, dass es zu wenig Zeit war. Ich würde das Geld niemals zusammenbekommen. Eine weitere Welle der Angst schnürte mir meine Kehle zu. Ich spürte, wie mir das erste Mal seit vielen Jahren Tränen in die Augen traten und einen Weg nach draußen finden wollten. Gerade, als ich bereit war, es wirklich zu zulassen, klopfte es plötzlich an der Badezimmertür. Erschrocken sah ich hoch.

BREAK THROUGH THE WALLSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt