KAPITEL 27

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Ashley

Ich erzählte Chase alles und doch wieder nichts. Auch wenn ich wollte, dass er alles wusste und meine dunkelsten Geheimnisse kannte, gab es doch Dinge, die ich ihm nicht erzählen konnte. Doch das hielt mich nicht davon ab, ihm dennoch meine Geschichte zu erzählen. Ich erzählte ihm von dem Tag, an dem Sawyer ohne ein Wort verschwand und Amelia in ein tiefes schwarzes Loch aus Drogen, Alkohol, Trauer und Wut fiel. Ich erzählte ihm, wie unsere Mutter sich von Tag zu Tag veränderte, und von den vielen Männern, die sie über die Jahre mitgebracht hatte und von denen einer schlimmer und gefährlicher als der andere gewesen war. Dass einige dieser Männer ihre Spuren auch auf mir hinterlassen und mich für immer gezeichnet hatten, war einer der Dinge, über die ich nicht gern redete, doch auch das erzählte ich Chase, weil er es verdient hatte, all die Wahrheiten über mich zu kennen, die ich ihm geben konnte. Dann erzählte ich ihm von meiner Leidenschaft fürs Ballett, die ich nach Dads Verschwinden aufgegeben hatte, und wie ich mit dem Boxen angefangen hatte, um mich nie wieder hilflos fühlen zu müssen, und das Fitnessstudio irgendwann eine Zuflucht für mich geworden war. Auch meine neu entstandene Freundschaft zu Jackson, der mir über die Jahre immer wieder geholfen und zur Seite gestanden hatte, und die Tatsache, dass ich mich, je älter wir wurden, immer mehr von Liv und auch meiner Schwester zurückgezogen hatte, ließ ich nicht aus.

Als er mich schließlich fragte, wieso ich nach Silvester für sieben Monate von der Bildfläche verschwunden, erzählte ich ihm schließlich von all den Problemen, die Amelias Liebschaften und Drogen- und Alkoholeskapaden mit sich gebracht hatten und die jedes Mal auf mich zurückgefallen waren, weil meine Mutter nicht dazu imstande war, ihre Kämpfe selber auszufechten. Und so erfuhr Chase von all den Malen, bei denen ich es gewesen war, die sich Moms zwielichtigen Männern gegenüber gestellt, um die Drohungen, mit denen sie jedes Mal um sich geworfen hatten, nicht wahr werden zu lassen. Auch das eine Mal, an dem alles schief gelaufen war und Liv mich danach halb zusammengeschlagen in unserem Badezimmer gefunden hatte, ließ ich nicht aus. Denn dies war der Beginn meiner Geschichte mit Jenkins gewesen. An jenem Tag war ich das erste Mal wegen meiner Mutter mit den Silverhaven Kings und Jenkins selber in Berührung gekommen. Jener Tag hatte alles verändert und mir vor Augen geführt, dass es mir nie wieder möglich sein würde, ein normales Leben zu führen, auch das erzählte ich Chase. Dass Jenkins mich noch heute in seiner Zange hielt, eine riesige Summe Geld von mir verlangte, die Chase vermutlich einfach so aus seinem Ärmel schütteln könnte, und nun auch das Leben meiner Schwester bedrohte, ließ ich aus, weil ich Chase viel zu gut kannte. Er würde mir helfen wollen und vielleicht Dinge tun, die er später bereuen oder ihn noch mehr in Gefahr bringen würden. Dennoch verschwieg ich ihm nicht, dass Jenkins noch immer stets im Haus meiner Mutter ein- und ausging, sie vögelte, wenn ihm danach war, und viel zu oft in mein Leben eingriff, was es mir unmöglich machte, irgendjemanden an mich heranzulassen.

Ich erklärte ihm, warum ich niemanden an mich ranlassen konnte und warum ich selbst Liv, meiner besten Freundin, den Rücken zugekehrt hatte. Ich gewährte Chase einen Einblick in meine Seele, den ich noch niemandem je zuvor gewährt hatte. Aber ich wollte, dass er genau wusste, woran er mit mir war. Ich wollte, dass er das Risiko kannte, das mit mir verbunden war. Dass er wusste, wie gefährlich es war, ein Teil meines Lebens zu sein. Denn Chase hatte es verdient, all diese Dinge zu wissen, nachdem er mir seit Wochen nicht mehr von der Seite wich und immer wieder in meinem Umfeld auftauchte, auch wenn ich ihn viel zu oft von mir gestoßen hatte. Ich redete nicht gerne über die vergangenen Jahre und all den Scheiß, der mir zugestoßen war, aber für ihn tat ich es. Selbst als ich Stunden später meine Erzählung beendete, bereute ich es keine Sekunde, ihm meine Geschichte erzählt zu haben. Mein gesamter Körper schmerzte und meine Augen brannten von den vielen ungeweinten Tränen, aber ich wusste, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte. Dennoch war die Stille, die nun im Zimmer herrschte, etwas, das mir durch Mark und Knochen ging. Ich konnte förmlich spüren, wie Chase jede Information einzeln verarbeitete. Die ganze Zeit über hatte ich es gemieden, ihn anzusehen, doch als ich jetzt den Kopf hob, um genau dies zu tun, blieb meine ganze Welt stehen. Sein Anblick brach mir das Herz.

BREAK THROUGH THE WALLSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt