Einige Sonnenstrahlen fielen durch das Fenster in mein Zimmer, im Keller unseres Anwesens. Dort, wo sie von den Bäumen um unser Haus durchbrochen wurden, fielen die Schatten der Blätter auf meinen Fußboden und dem Bettlaken und wogen sich im Wind. Es war früh am Morgen, doch noch waren die langen, hellen Tage des Sommers nicht vorüber gezogen und dem kalten, dunklen Winter, der mir ehrlich gesagt lieber war, gewichen. Ich hob meinen Kopf vom Kissen, um auf die Uhr zu schauen, die auf dem Nachttisch, auf der mir gegenüberliegenden Bettseite stand. Die roten Ziffern zeigten kurz vor Acht. Normalerweise wäre ich jetzt aufgestanden, aber in den letzten Wochen hatte ich mein Bett allem Anderen gern den Vorzug gegeben. Nicht etwa, weil unser Haus inzwischen voller Vampire war, da meine Familie jeden, den sie für unser Vorhaben gewinnen konnten, hier her geschickt hatten, sondern, weil meine Gesellschaft einfach viel zu verlockend gewesen war. Vorsichtig ließ ich meinen Kopf wieder zurück auf das Kissen sinken, darauf bedacht, Sangreal nicht zu wecken, die mir ihren hübschen Rücken zugedreht und meinen linken Arm in Beschlag genommen hatte, durch den wahrscheinlich schon seit Stunden kein Blut mehr zirkulierte und der demnächst sicher abfaulen würde. Aber zu meiner eigenen Verwunderung war mir das vollkommen egal. Solange sie nur so liegen blieb, war ich zufrieden. Ich schloss die Augen.Ich wusste, dass es keine Prägung war, sonst hätte ich vom ersten Sichtkontakt an ihre Nähe gebraucht, wie ein Fisch das Wasser. Das hatte ich über die Jahre bei meinen Vater, Will, Leah und Seth gesehen. Aber was war es dann?
Das plötzliche Wimmern eines Babys, riss mich aus aus meinen Gedanken. Dann wurde es zu einem Schreien. Sangreal fuhr herum und saß binnen weniger Sekunden senkrecht im Bett. In dem Moment, in dem sie nach ihrer Bettdecke griff, sie beiseite schieben wollte um aufzustehen, umfasste ich ihr Handgelenk. Sie hielt inne, wand ihr hübsches Gesicht in meine Richtung, senkte den Blick und sah mich fragend an.
„Warte“, sagte ich leise, fast flüsternd.
„Aber... Nayeli“, erwiderte sie.
Ich schüttelte den Kopf und lächelte leicht. Im Hintergrund vernahmen wir das Weinen des Babys im Nebenzimmer. Esme hatte es mit Begeisterung eingerichtet, als Sangreal den Wunsch geäußert hatte, in mein Zimmer umziehen zu dürfen. Sie hatte ja ohnehin kein Gepäck gehabt, als sie hierher gekommen war. „Lass sie doch mal eine Weile schreien“, sagte ich.
Sangreal sah mich verwundert an. Fast meinte ich einen Anflug von Empörung in ihrem Gesicht entdecken zu können. „Hältst du das für richtig?“
Ich nahm meine Hand von ihrem Handgelenk und rutschte ein kleines Stück zurück, auf meine Seite des Bettes. „Du verhätschelst sie. Sobald sie ruft, springst du. Wenn du so weiter machst, hast du in ein paar Jahren eine kleine Diva aus ihr gemacht.“
Sie hob eine Augenbraue. „Wie war es denn bei dir? Haben sie dich ignoriert oder sind sie dir hinterher gesprungen?“
„Was denkst du?“, fragte ich und wartete gespannt auf ihre Antwort, als sie daraufhin ein paar Sekunden zu überlegen schien.
„Letzteres“, antwortete sie.
Ich lächelte, schüttelte wieder den Kopf und drehte mich auf den Rücken.
„Nicht?“, fragte Sangreal und sah mir nach.
„Ich hab nie geschrien.“
„Nie?“
„Nie.“
Plötzlich verstummte das Geschrei aus dem Nebenzimmer. Einen Augenblick hielten wir beide inne und horchten. „Oh“, kommentierte Sangi.
Ich legte meine Hand, mit dem Handrücken nach unten, auf meine Stirn und schloss die Augen. „Ich sollte einen Erziehungsratgeber schreiben.“
Sangreal lachte leise. Vorsichtig rutschte sie die wenigen Zentimeter, die noch zwischen uns lagen, herüber und legte ihren Oberkörper mit verschränkten Armen auf meinen. Wenn ich meinen Kopf heben würde, wäre ihr Gesicht nur noch wenige Millimeter von meinem entfernt. „Was hättest du gemacht, wenn ich wirklich schwanger gewesen wäre?“, wechselte sie dann schlagartig das Thema. Innerlich musste ich schlucken. In meinem Kopf blitzte die Erinnerung von jenem Moment auf, an dem ich der festen Überzeugung gewesen war, dass sie auf Aros Anweisung hin gehandelt hatte.
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Blood Moon - Biss in alle Ewigkeit (Fanfiction)
FanfictionFortsetzung meiner Fanfiction "Rising Sun - Biss das Licht der Sonne erstrahlt": 30 Jahre sind seit der Hochzeit von Renesmee und Jacob vergangen. Bellas und Renesmees Leben könnten kaum schöner sein, haben sie doch alles, was sie sich erträumten u...