Der Boden war vom gestrigen Regen noch etwas aufgeweicht. Die Kieselsteine auf dem ungeteerten Pfad waren dunkel und klebten an meinen Schuhen, während ich den rund vierzig Kilometer weiten Weg von Loughrea nach Ballinasloe ging. Gewiss, ich hätte auch mit dem Auto fahren können. Aber mir machte das Laufen nichts aus. Man entdeckt unterwegs immer wieder die eine oder andere Kleinigkeit, die am Vortag noch nicht dort oder anders gewesen war. Es war wenigstens etwas Abwechslung in einem immer gleichen Rhythmus. Ich hatte es schon lange aufgegeben, einen Sinn in all dem zu suchen. Es gab sicher hunderte Wege, mit denen man die Ewigkeit besser verbringen konnte, als Tag für Tag in die Schule zu gehen. Die Welt war ja schließlich groß genug. Doch dies war die Art und Weise, wie meine Familie zu leben pflegte.
Mein Name ist Anthony Ephraim Black-Cullen. Ich bin ein Wesen, für das es im normalen Sprachgebrauch keine Bezeichnung gibt, noch weniger Fisch oder Fleisch, als meine Mutter. Die konnte man wenigstens noch als Halbvampir bezeichnen. Ich dagegen ,wusste die meiste Zeit über nicht mal selbst, wo ich hingehörte – und hielt mich daher auch lieber von jeglichen Gruppenzugehörigkeiten fern.
Auch meine Mitschüler hatten nach den inzwischen zwei Jahren, die ich nun mit ihnen auf die Highschool ging, gelernt, dass es zwecklos war, sich mit mir in irgendeiner Weise anzufreunden. Ich war nicht wie sie. Das spürte ich. Und das spürten sie.
Um Gesprächen vor Schulbeginn von vorneherein aus dem Weg zu gehen, betrat ich den Schulhof meistens erst kurz vorm Unterrichtsbeginn, wenn alle schon in den Klassenräumen saßen und niemand sehen konnte, woher ich kam. Ob ich mit dem Bus, dem Auto oder zu Fuß kam, wusste keiner. Sie vermuteten wohl Dinge, aber das taten sie häufig. Dadurch, dass ich mich nicht im geringsten für sie interessierte, interessierten sie sich für mich umso mehr. Ich war froh nicht die Gabe meines Großvaters zu besitzen. Als ich das Klassenzimmer betrat, nachdem ich meine Schulsachen aus meinem Spind geholt hatte und durch die Tischreihen trat, wollte ich gar nicht wissen, was insbesondere die Mädchen aus meiner Klasse dachten. Wahrscheinlich sah sich selbst die mollige Sue schon mit mir zusammen auf dem Lehrerpult.
Mein Platz war der ,ganz hinten rechts ,in der Ecke, direkt neben einer Säule. Der Stuhl neben mir war frei, aber meine Schultasche beanspruchte ihn immer für sich, sodass niemand sonst darauf Platz nehmen konnte. Sitzen wollte dort schon lange keiner mehr, beantwortete ich die leisen Fragen doch immer mit einem freundlichen Lächeln und einem noch freundlicheren „Nein“, wenn es hieß „Ist der Platz noch frei?" Sie mochten mich für arrogant halten, ich betrachtete es als Schutzmechanismus. Nicht, weil ich sie im nächsten Moment attackieren würde, sondern weil ich sowieso keine längeren Beziehungen zu irgendjemandem aufbauen konnte. Wir würden in spätestens drei Jahren wieder umziehen, da war ich mir sicher. Immerhin taten wir das seit dreißig Jahren. Entsprechend langweilig war dann auch der Unterricht. Genau wie der der anderen siebentausend Tage, die ich in der Schule verbracht hatte. Ob nun die französische Revolution, der zweite Weltkrieg, der Aufbau eines Pferdemagens oder Binomische Formeln, ich wusste alles schon. Und ich war es genau so leid, wie das Geflüster drei Tische weiter. Eigentlich wollte ich gar nicht wissen, ob Jessica sich jetzt von Steve getrennt hatte und wie sehr sie darunter litt, aber mein übernatürliches Gehör ließ mich selten etwas überhören und wenn die Mädchen sich von ihren Wochenendliebeleien erzählten, hörte ich, ohne es zu wollen, mit.
Als der Unterricht dann endlich vorbei war, hielt ich mich ,wie immer, nicht sonderlich lang auf dem Schulgelände auf. Ich brachte alle meine Schulsachen zurück zu meinem Spind. Ich brauchte sie Zuhause nicht, weil ich nie etwas nachholen musste. Hausaufgaben konnte ich in wenigen Sekunden machen, bevor der Lehrer sie anschaute. Ich schloss den kleinen dünnen Schrank ab, steckte den Schlüssel in meine Tasche und verließ, ohne mich umzudrehen, das Gebäude. Mein nächster Weg führte mich dann aber nicht wieder direkt nach Hause.
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Blood Moon - Biss in alle Ewigkeit (Fanfiction)
FanfictionFortsetzung meiner Fanfiction "Rising Sun - Biss das Licht der Sonne erstrahlt": 30 Jahre sind seit der Hochzeit von Renesmee und Jacob vergangen. Bellas und Renesmees Leben könnten kaum schöner sein, haben sie doch alles, was sie sich erträumten u...