Der heilige Gral (Teil 2)

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So... da bin ich wieder. Frisch aus dem Urlaub zurück und mit neuem Part im Schlepptau. Dieses Mal gibt es wieder ein YouTube-Lied auf der rechten Seite, dass ich beim Schreiben gehört hatte. Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen. ;)


Als ich am nächsten Morgen meine Augen aufschlug, wusste ich zunächst nicht, wo ich war. Das Erste, was ich sah, waren die Möbel, die von hier unten so unwirklich groß schienen und der saubere Fußboden. Wenige Augenblicke später spürte ich den warmen Körper, der sich an mich schmiegte. Als ich herabsah, sah ich, dass ihr Gesicht an meiner Brust lag. Sie schlief noch seelenruhig. Das Feuer im Kamin hinter uns war erloschen, aber ich erinnerte mich an das Feuer der letzten Nacht. Es war anders als alles, was ich zuvor je erlebt hatte. Und als ich sie so ansah, mit ihrem langen, braunen, seidigen Haar, kamen mir die Worte meiner Mutter in den Sinn. Es wirkte schon fast, wie aus einem Traum, so fern und unwirklich kam es mir vor. Damals war ich noch sehr klein gewesen. Es war der Tag ihrer Trauung gewesen. Kurz bevor sie mit meinem Vater in die Flitterwochen fuhr, hatte sie mich in den Arm genommen und mir leise zugeflüstert: „Du findest auch noch deinen Deckel.“
Vielleicht hatte sie recht behalten und ich war doch kein Wok? Vielleicht hielt ich meinen lange gesuchten Deckel gerade in den Armen.
Jetzt erst bemerkte ich, wie sich mein Mund ganz von selbst zu einem Lächeln geformt hatte.
Ich war mir nicht mal sicher, ob das hier nur Verliebtheit war oder gar eine Prägung, aber das war mir im Grunde auch egal.

Dann klopfte es plötzlich an der Tür. Ich sah nur kurz etwas erschrocken auf, dann hielt ich inne. Sangreal seufzte kurz, öffnete jedoch nicht die Augen. Eigentlich wollte ich sie nicht wecken, also legte ich vorsichtig ihren Kopf auf das Lammfell, zog mir Hose und Hemd an und
öffnete ganz langsam die Tür, weil ich Angst hatte, dass sie laute Geräusche von sich gab. Und dann stand plötzlich Nahuel vor mir. Und er sah nicht gerade glücklich aus. Im Gegenteil. Ich erinnerte mich an seine Warnung im Hotel und bekam einen dicken Kloß im Hals. Ich hatte nicht in den Spiegel geschaut, aber es war wahrscheinlich nicht zu übersehen und Nahuel würde problemlos eins und eins zusammenzählen. Für den Bruchteil einer Sekunde fixierten wir uns stumm, dann packte er mich plötzlich an meinem Hemd und zog mich aus dem Türrahmen. Sein Griff war derart fest, dass das Hemd reißen würde. Mit wütendem Blick presste er mich gegen die gegenüberliegende Wand.
„Du folgst mir jetzt. Und du stellst keine Fragen. Halt einfach den Mund“, befahl er zischend.
Ich überlegte einen Moment, nickte dann und folgte ihm zum Aufzug. Wir gingen wieder in die unterste Etage. Die letzten Meter zu unserem Zimmer, spürte ich immer mehr die Anspannung in mir aufsteigen. Ich konnte ja nachvollziehen, dass er sauer war, schließlich hatte ich mich trotz Vorwarnung an seine Nichte ran gemacht. Aber es war ja nicht so, als hätte ich sie zu irgendwas gezwungen.
Nahuel sah kurz um sich, als er niemanden entdecken konnte schloss er die Tür von 626 auf, dann packte er mich plötzlich am Kragen und stieß mich grob in den Raum. Langsam kam ich zu dem Entschluss, dass er es ein wenig übertrieb. Ich taumelte einen Moment, dann stand ich wieder fest und drehte mich zu Nahuel um, der gerade die Tür hinter sich geschlossen hatte.
Er sah noch immer derart wütend aus, dass ich befürchtete, dass er mir demnächst an die Gurgel springen könnte. Ich hob beschwichtigend die Hände.
„Hör zu...“, begann ich. „Ich kann verstehen, dass du sauer bist, aber es ist nicht so, wie du denkst. Ich meine... ja, in der Vergangenheit, war ich vielleicht anders, aber mit ihr ist es nicht so. Ich-“
„Gar nichts verstehst du! GAR NICHTS!“, unterbrach er mich.
Er ging zu dem kleinen Tisch am Ende des Raumes und setzte sich auf den Stuhl, dann strich er sich übers Gesicht. Mit einem Mal, wirkte er müde und ausgelaugt. So als wäre er mit den Nerven am Ende. Ich konnte das nicht verstehen. Vorsichtig trat ich näher, stützte meine Hände an dem Tischchen ab und sah zu ihm hinunter.
„Ich verspreche dir, dass ich ihr niemals wehtun werde, Nahuel.“
Nahuel schüttelte den Kopf ohne mich anzusehen. „Das hast du schon.“
Ich verstand noch immer nicht. Als er seinen Kopf hob und mich wieder ansah, nahm ich meine Hände wieder vom Tisch. Nahuel stand auf. Und ich ging einige Schritte zurück, um Luft zwischen uns zu schaffen.
„Du hast in einer einzigen Nacht den Hebel umgelegt, den ich dreißig Jahre lang unter allen Umständen unter Verschluss halten wollte.“
„Was?“, fragte ich ungläubig. Seine Sätze nahmen für mich langsam lächerliche Züge an. „Findest du nicht, du übertreibst es ein wenig mit deiner Fürsorgepflicht? Womit hast du in den letzten drei Jahrzehnten deine Zeit verbracht? Dafür zu sorgen, dass sie sich einem männlichen Wesen nicht auf weniger als zwei Meter nähert?“
Nahuel lachte auf. Es war ein falsches, gespieltes, bitteres Lachen. „Mach dich nur lustig über mich.“
„Wenn du ernst genommen werden möchtest“, sagte ich nun in bestimmtem, jedoch ruhigen Ton. „Rede Klartext mit mir.“
Nahuel strich sich nochmal übers Gesicht, dann sah er mich wieder an.
„Ich weiß nicht, ob dir deine Familie von meinem Vater Joham erzählt hat.“
Ich nickte und er fuhr fort.
„Er hat mehrfach versucht, Kontakt mit mir aufzunehmen. Mich davon zu überzeugen, mit ihm gemeinsam eine 'Super-Rasse' zu erschaffen. Ein Hybrid aus Mensch und Vampir.
Mir waren seine Pläne zuwider“, erklärte Nahuel verächtlich. Ich hätte mich nicht gewundert, wenn er im nächsten Moment auf den Boden gespuckt hätte.
„Ich war, um ehrlich zu sein, sogar froh zu erfahren, dass die Volturi ihn wegen seiner wahnwitzigen Ideen getötet hatten. Ich dachte, damit hätte sich die Sache erledigt.“
Nahuel schüttelte den Kopf. „Aber ich hatte mich geirrt.“
Er stand auf und begann durch den Raum zu laufen. „Ich entschied mich hier bei meinen Schwestern zu bleiben, die die Volturi in ihre Obhut genommen hatten. Ich dachte zunächst, Aro entschied so, um das Geheimnis der Vampire zu schützen. Meine Schwestern waren nämlich teilweise eben so wild und unberechenbar, wie mein Vater es gewesen war. Aber dann wurde meine jüngste Schwester schwanger.
Bis heute weiß ich nicht, ob es Aro war oder nicht. In jedem Fall war es jedoch ein Vampir gewesen, denn das Baby hatte starke vampirische Züge. Derart stark, dass es einem unsterblichen Kind ähnlicher war als einem Hybriden. Zu seinem Bedauern musste Aro das Kind töten. Doch der Gedanke an das Kind ließ ihn auch später nicht los. Irgendwann realisierte ich dann, dass sich alles nur verlagert hatte. Vom unkontrollierten Wahnsinn meines Vaters, zu Aros fein säuberlich ausgearbeiteten Studien. Nach einigen 'Versuchen' kristallisierte sich für ihn heraus, dass er nicht Schlag auf Schlag einen perfekten Hybriden erschaffen konnte. Er musste zunächst die menschlichen Züge beibehalten und nach und nach vampirische Eigenschaften hinzufügen, damit der Hybrid lebensfähig und kontrollierbar wurde. Er musste wachsen und lernen, aber dennoch so widerstandsfähig wie ein Vampir sein, dabei durfte er jedoch nicht in der Sonne glitzern und musste sowohl menschliche Nahrung als auch Blut zu sich nehmen können.“
„Moment...“, unterbrach ich ihn perplex. „Das Kind, dass deine Schwester im Bauch trug, als meine Mutter bei den Volturi war... ist tot?“
Nahuel nickte verhalten. Er wirkte nicht so, als sei er sonderlich traurig über den Tod seines Neffen oder seiner Nichte gewesen.
Ich für meinen Teil realisierte nach und nach, auf was Nahuel hinaus wollte und setzte mich.
„Wie...“, ich schluckte, „... wie alt ist Sangreal?“
„Fünf“, antwortete er. „Aber sie wächst sehr schnell. Geistig sogar noch schneller als körperlich. Sie ist nahezu das, was Aro sich als Endergebnis seiner Experimente wünscht. Sie ist fast perfekt. Für ihn ist sie der Schlüssel zum Erfolg. Der heilige Gral. Darum gab er ihr ihren Namen.“
Jetzt wurde mir schlagartig schlecht. In meinem Bauch kribbelte es und ich hatte eine böse Vorahnung, aber ich wollte, dass Nahuel es zur Sprache brachte. „Was meinst du mit fast?“

Blood Moon - Biss in alle Ewigkeit (Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt