[Sangreal] Versprechen und Vorurteile (Teil 3)

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Der dritte und letzte Teil des 12. Kapitels für euch meine lieben Watty's. 
Ich freue mich wie immer über all eure Votes und Kommentare. ;)

Das ließ er sich nicht zwei Mal sagen. Er sprang mit einem einzigen Satz auf Anthony zu, wie eine Raubkatze auf ihre Beute. Im selben Augenblick machte ich reflexartig einen Schritt zur Seite. Hätte ich das nicht getan, wäre ich wahrscheinlich zum Puffer zwischen Anthony und dem Baum geworden. Andererseits tat er mir Leid, als ich einfach nur zusah, wie er von Carlo mit voller Wucht gegen die Eiche gepresst wurde. Ich hörte wie der Baum, unter dem starken Druck, leicht knarzte.
Schließlich konnte Anthony sich aus Carlos Griff befreien, doch kaum dass er seitlich an ihm vorbei wollte, gab der Volturi ihm einen kräftigen Tritt in die Magengegend, woraufhin er zwei Meter über den nassen Boden schlitterte, sich aber sofort wieder aufrappelte, um wieder auf den Vampir loszugehen.
Wie zwei wilde Tiger, die ihr Revier verteidigten, attackierten sie einander. Von Menschlichkeit war weder auf der einen noch auf der anderen Seite etwas zu sehen. Abgesehen davon, dass sie auf zwei Beinen standen und offensichtlich wie Menschen aussahen oder zumindest starke Ähnlichkeit mit diesen aufwiesen. Für ein menschliches Auge waren ihre Bewegungen sicher nicht auszumachen, aber ich sah, wie sie sich immerzu schlugen und versuchten den jeweils anderen zu Boden zu zwingen. Aber keiner gab nach und während Carlo mehr auf Kraft setzte, hatte Anthony die Schnelligkeit auf seiner Seite. Das war mir schon auf Mauritius aufgefallen.
Immer wieder konnte er Carlos Schlägen ausweichen. Doch mit Flucht gewann man leider keinen Kampf. Das wussten sie beide. Warum verwandelte er sich also nicht einfach und riss ihm als pferdegroßer Panther den Kopf ab?
Ich verstand es nicht, aber mir blieb auch keine Zeit mehr, um mir Gedanken darüber zu machen. Ich zwinkerte nur noch ein einziges Mal, dann sah ich, wie Carlo Anthony packte und ihn durch die Luft wirbelte, ehe er drei Meter links von mir wieder gegen die Eiche prallte. Ich hörte erneut ein Knacksen, wusste jedoch, dass es diesmal nicht das Holz war. Er landete ohne einen Ton von sich zu geben im nassen Laub, wobei sein Unterkörper in Richtung des Stammes zeigte. Ich wusste nicht, ob er bewusstlos war oder gleich die Augen aufschlagen würde. Ich wartete gar nicht so lang. Ich spürte nur noch den Zorn in mir. Und wenn ich diesen jetzt nicht nutzte, würde der Volturi wahrscheinlich nicht nur Nayeli töten. Im Bruchteil weniger Sekunden setzte ich das Baby neben Anthony ab und stürmte anschließend auf den Vampir zu, der nach Nayelis Leben und meiner Freiheit trachtete. Dass er nur ein Bote Aros war, interessierte mich nun nicht mehr. Er würde für seine Taten und Absichten bezahlen.
Ich wusste nicht, warum es mir so leicht fiel. Vielleicht war es der Zorn gewesen, der es mir so einfach gemacht hatte. Vielleicht hatte es auch daran gelegen, dass ich den Überraschungsmoment auf meiner Seite gehabt hatte. Jedenfalls brauchte ich ihn nur zu packen und ihm mit zwei, drei Bewegungen das Genick zu brechen. Es gab erneut das Geräusch von zerberstenden Porzellan, dann ging er zu Boden.
Und dann hörte ich nur noch herabfallende Regentropfen. Nun wieder müde und etwas zittrig, starrte ich auf den leblosen Körper vor mir. Sein schwarzer Umhang war komplett durchnässt und einige Blätter, vom Wind getragen, hafteten nun an ihm. Ich ließ ihn einfach liegen und lief zurück zu Anthony. Er schien noch immer nicht bei Bewusstsein zu sein, also schlug ich ihm ein paar Mal vorsichtig gegen die Wange. Er kniff zuerst die Augen zusammen, dann öffnete er sie.
„Hey“, begrüßte er mich heiser.
„Hey“, sagte ich ebenfalls und lächelte ihn an.
„Alles okay?“, fragte er.
Zur Antwort zog ich Nayeli zu mir auf den Schoß, damit er sie sehen konnte. „Ja, gerade nochmal gut gegangen.“
„Warum bist du in den Wald gelaufen?“, wollte er wissen. Ich wusste nicht, ob es ein Vorwurf oder eine Frage war. Ich schluckte kurz. Sollte ich das in dieser Situation wirklich sagen?
„Ich weiß, dass es dumm war. Das musst du mir nicht sagen“, antwortete ich einfach, um den Details auszuweichen.
„Schon gut, schon gut“, winkte er ab. „Lass uns später streiten. Ich kann gerade nicht beleidigt weglaufen.“
Ich schmollte innerlich. Er wusste also ganz genau, warum ich es getan hatte. Warum fragte er dann? Aber Moment. Das war jetzt nicht wichtig. „Wie meinst du das?“ Meinte er das etwa wörtlich?
„Na ja“, sagte er und machte eine Pause, in der ich meinen Blick kurz schweifen ließ. Mir war vor Aufregung bisher entgangen, dass er sehr unbequem da lag und sich noch noch nicht mal im geringsten gerührt hatte. „Ich glaub, ich hab mir die Beine gebrochen“, bestätigte er meine Vermutung.
„Oh“, sagte ich. Ich wusste einfach nur nicht, was ich stattdessen sagen sollte, schließlich war ich nicht ganz unschuldig. „Wie lange dauert es... bis das verheilt ist?“
„Das kann schon eine Weile dauern“, antwortete er und machte dann Anstalten den Oberkörper zu heben, ließ sich aber dann wieder entkräftet auf das Laub sinken. Am liebsten hätte ich jetzt gesagt, dass es mir leid tat. Natürlich tat es das. Es tat mir schrecklich Leid, aber irgendwie erschien mir das nun Fehl am Platz. So was sagten sie doch in Filmen in so einer Situation immer, aber würde es helfen? Nein, davon würde er nicht gesund werden.
„Kannst du bitte mal mein Handy aus meiner rechten Hosentasche holen?“, bat er.
Ich nickte, obwohl er die Augen wieder geschlossen hatte und zog vorsichtig sein Mobiltelefon hervor – oder das was davon noch übrig war.
„Das hier?“, fragte ich. Er öffnete die Augen leicht und sah in meine Richtung ohne den Kopf zu drehen.
„Scheiße.“
Das Gerät hatte den Kampf genauso wenig heil überstanden wie er. Die Scheibe war total zertrümmert und ein paar Teile der Rückwand lösten sich und landeten im Moos.
„Geh los und hol Hilfe“, schlug er nun müde vor.
„Und dich lasse ich hier liegen oder was?“, fragte ich empört.
„Willst du mich nach Hause tragen?“, entgegnete er.
„Nein“, antwortete ich kleinlaut. Wenn ich könnte, würde ich das natürlich. Aber ich hatte ja noch Nayeli und beide zu tragen war selbst für mich nicht möglich.
„Na also. Dann geh und hol Hilfe. Ich komme schon klar.“
„Aber es ist dunkel und es regnet und du bist verletzt.“
Er lachte kurz bitter. „Ich habe keine Angst. Nun geh schon.“
Mein Blick wanderte hinüber zu dem, was von Carlo noch übrig war.
„Der wird sich in der nächsten halben Stunde wohl kaum von selbst zusammen bauen“, versuchte er meine Angst zu zerschlagen. „Obwohl es auch ziemlich dumm war, ihn umzubringen.“
„Er wollte Nayeli. Was hattest du denn vor?“
„Ich wollte ihn jedenfalls nicht umbringen.“
„Sah aber nicht danach aus“, meinte ich.
„Ist ja jetzt auch egal“, beendete er das Thema. „Jetzt geh bitte.“
„Nein“, sagte ich stur.
Er brummte und drehte den Kopf zur Seite.
Dann bekam ich plötzlich DIE zündete Idee!
„Ich hab's!“, machte ich mich gleich daran, sie zu verkünden. „Du verwandelst dich einfach in etwas Kleines, dann kann ich dich und Nayeli ganz einfach zurück tragen!“
„Keine gute Idee“, nahm er mir sofort den Wind aus den Segeln.
„Warum nicht?“, fragte ich nun etwas bockig, schließlich hatte ich sie als absolut genial empfunden.
„Weil ich das nicht tun werde.“
Jetzt wurde ich langsam wütend. Obwohl er praktisch hilflos vor mir lag, stellte er sich noch so an.
„Bist du dir jetzt etwa zu fein, dich mal in was kleines Handliches zu verwandeln?!“
„Nein“, konterte er. „Darum geht es nicht!“
„Natürlich geht es darum. Der Herr will immer den Starken markieren. Ein kleines Tierchen passt ihm nicht ins Image!“
„Was hättest du denn gern?“, antwortete er sarkastisch. „Darf's ein kleines, schwarzes, flauschiges Kaninchen sein?“
„Oh bitte! Jetzt stell dich doch nicht so an, das sieht doch niemand!“
„Außer meiner kompletten Familie. Richtig.“
„Wenn du das nicht machst, dann bleib ich hier solange sitzen, bis deine Knochen wieder verheilt sind.“
„Bis dahin bist du verhungert und Nayeli ein Eiszapfen.“
„Ist sie für mich jetzt schon. Wenn du sie je angefasst hättest, wüsstest du das.“
Zum Beweis legte ich Nayelis kleines Händchen an Anthonys Wange. Er zuckte kurz zusammen. Sie hatte eine menschliche Temperatur und war damit für uns recht kalt. Im Vergleich mit seiner Haut, war ihre auch deutlich dunkler und rosiger. Ich sah ein kurzes Lächeln über seine Lippen huschen, dann nahm ich Nayelis Hand wieder weg.
Er seufzte. „Also gut“, sagte er. „Aber nimm bitte meine Sachen mit, ja?“


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Blood Moon - Biss in alle Ewigkeit (Fanfiction)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt