Kapitel 1

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Ein Lachen erklang, dann ein Schnaufen und Anfeuerungsrufe. Der Staub wirbelte auf. Neugierig lief Cayden durch die Tür, betrat den Ort des Spektakels. Es war der Moment, in dem ein animalisches Knurren erklang. Ein brauner Wolf sprang auf einen mit dunkelgrauem Fell, warf diesen um und rang ihn zu Boden. Als der graue Wolf erkannte, dass er verloren hatte, stellte er die Gegenwehr ein und legte seine Pfote an die Schnauze – das Zeichen für Kapitulation.

Die Männer und Frauen klatschten und jubelten. Der graue Wolf verwandelte sich als Erster und eine junge Frau mit langen grauen Haaren trat an die Stelle. Ein Außenstehender warf ihr einen Mantel zu, in den sie sich einwickelte. Neue Kleidung würde sie später anziehen. Ihre getragene war bei der Wandlung gerissen. Diese schien nicht geplant gewesen zu sein, doch bei hitzigen Kämpfen konnte es durchaus vorkommen, dass der Instinkt anschlug.

Der Gewinner mit den bernsteinfarbenen Augen begann sich ebenfalls zu wandeln. Mit seinem breiten, muskulösen Körperbau, den männlichen, harten Gesichtszügen und bernsteinfarbenen Augen stach er hervor. Er hatte kurze dunkelbraune Haare, die der Fellfarbe seines Wolfes entsprachen – der Anführer der Lobo, sein großer Bruder Rafe.

Rafe hatte vor drei Jahren die Leitung des Rudels übernommen, nachdem ihr Vater – der ehemalige Anführer – mit seiner Mutter bei einem Überfall getötet worden waren. Cayden selbst war ebenfalls Angehöriger der Lobo – der Wolfwandler – und sein Bruder das Oberhaupt seines Volkes. Rafe war ein starker Anführer. Er war klug, gerecht und stark, einer der besten Kämpfer unter ihnen. Sein Wolf war größer als die meisten und auch stärker. Er hatte sich den Respekt der anderen verdient und führte ihr Volk mit einer starken Hand. Er ist alles, was ich nicht bin.

Jeder Tierwandler besaß eine tierische Hälfte, sie nannten es auch zwei Herzen. Eines war menschlich, das andere tierisch. Das Tier in ihnen hatte einen eigenen Charakter, eigene Wünsche und Instinkte. So besaßen sie auch zwei Körper – den menschlichen und den tierischen. Sie konnten nach Vollzug ihrer Reife zwischen diesen wechseln. Verloren sie die Kontrolle über ihre tierische Hälfte, übernahm diese das Steuer und sie agierten von den Instinkten geleitet. So wurde streng überwacht, wer die Wandlung vornahm. Dafür erhielt jeder junge Tierwandler einen Wächter, der einen zur Not bändigte.

Normalerweise zeigte sich die tierische Hälfte ab einem Alter von fünfzehn Jahren. Kurz vor der ersten Wandlung zeigten die Betroffenen deutliche Symptome, sodass Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden konnten. Doch die tierische Hälfte zeigte sich meist schon viel früher. Sie war von Anfang an Teil von ihnen, doch auch wie die menschliche Seite, entwickelte sich diese, formte einen eigenen Charakter. Sie sprach mit einem, teilte die Bedürfnisse mit – beim anderen mehr, beim anderen weniger.

Und wie immer bin ich eine Ausnahme. Cayden hatte seine zweite Hälfte im Alter von sechs bereits in sich ausgemacht. Sie war gutherzig und friedlich, anders als die der anderen Wolfwandler, die meist wild waren. Doch als er älter wurde und sie sich zeigen sollte, tat sie es nicht. Er war der einzige Lobo, der die Wandlung noch nicht durchschritten hatte. Niemand wusste weshalb, denn er wusste, dass er in ihm war. Wieso zeigst du dich nicht? Vor einem Monat hatte er sein zweiundzwanzigstes Lebensjahr vollendet.

Sein Bruder Rafe hatte bereits mit fünfzehn die volle Kontrolle über seinen Wolf gehabt und stand mit seinen siebenundzwanzig Jahren an der Spitze. Cayden hatte ihn nie beneidet, denn er wusste, dass diese Welt nichts für ihn war. Er war kein Kämpfer, er bevorzugte Bücher und Worte. Rafe hatte es ihm nie vorgeworfen – im Gegenteil, er versorgte ihn mit Bücher und Wissen und Cayden fungierte als Sprachrohr und Stratege.

Mit einem Lachen winkte Rafe ihm zu, nun mit einer Hose bekleidet. Er lief auf Cayden zu und fuhr ihm durch dessen lange Haare. „Bah, nicht, du bist verschwitzt", sagte Cayden, als er versuchte der Hand seines Bruders zu entkommen.

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