Kapitel 6

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Er lief durch die Reihen, bis er die Thematik gefunden hatte, nach der er gesucht hatte. Bis dahin war schon über eine Stunde vergangen. Seine Augen fuhren die Titel nach, bis sie an einem Buch hingen blieben, welches zu dem passen könnte, was er suchte. Nach kurzem Suchen stellte er fest, dass dem nicht so war und suchte weiter. Kurz darauf saß er an einem Tisch, blätterte in dem Buch mit dem Titel »Markierungen und Stigmata«. Aufmerksam las er die Seiten durch.

Es gab unterschiedliche Arten von Markierungen, allein schon unter den beiden Spezies der Tierwandler und Vampire. Er suchte speziell die der Vampire. Unglaublich. Anders als die Tierwandler markierten diese nicht mit einem Geruch, sondern mit Körperflüssigkeiten.

Tierwandler markierten ihren Gefährten, mit dem sie das Leben teilten, durch Biss- oder Kratzspuren, durch die sie die eigenen Geruchspartikel in die Haut des anderen einschlossen und dieser unwiderruflich deren Geruch trug. Für Tierwandler war der Geruchssinn einer der essenziellsten.

Vampire dagegen machten dies durch sichtbare Zeichen. Es konnte Gegenstände sein – wie das Halsband, das Cayden trug – oder aber auch direkte Markierungen auf der Haut. Sie besaßen ein Sekret, welches sie mithilfe der Zähne injizieren konnten und welches mit den Zellen des Injizierten reagierte. So entstanden Muster, welche jedem Vampir symbolisierten, dass es sich um den Besitz eines anderen handelte. Dabei gab es ebenfalls Unterstufen. Es gab temporäre und permanente Markierungen.

Es ähnelt unseren Markierungen. Bissspuren waren permanent, doch durch das Verteilen des eigenen Dufts durch Speichel oder andere Körperflüssigkeiten, entstand auch eine temporäre Markierung, die jedoch mit der Zeit verschwand.

Je nach Art des Sekrets waren die Markierungen bei den Vampiren temporär und würden verblassen oder eben permanent, wie eine Art Tattoo. Dem wurde ebenfalls unterschiedliche Bedeutungen beigemessen. Eine leichte temporäre Markierung in kleiner Form bezeugte das vorläufige Interesse, eine Art Reservierung. Eine längere temporäre Markierung bezeugte eine langfristiges Interesse, welches jedoch widerrufen werden konnte. Wie ein Spielzeug, das einem lange Freude bereitete, aber man doch irgendwann zur Seite legte und weitergab. Das letzte war die permanente Markierung. Dabei findet ein Blutaustausch im rituellen Sinne statt, sodass eine Markierung entsteht, die niemals verblasst. Dies wurde nur bei einer zeitlich unbegrenzten Partnerschaft durchgeführt, denn sie war unwiderruflich.

Je mehr Cayden las, desto mehr Fragen entstanden. Was war die Markierung an seiner Schulter? Es hatte seines Erachtens kein Blutaustausch stattgefunden, also konnte sie nicht permanent sein. Das war auch Unsinn. Sie war also temporär.

„Es ist eine Markierung. Sie bedeutet, dass du jemandem gehörst, somit niemand Hand an dich legen darf, sich nicht von dir nähren darf."

Da ich wohl bis zum Rest meines Lebens hierbleiben werde, damit er sich von mir nähren kann, wird sie wahrscheinlich zu den langfristigen gehören. Diese Gedanken verursachten eine Traurigkeit in ihm, die er nicht verstand. Warum war er enttäuscht, wieso fühlte er diese negativen Gefühle? Weil er nicht nach Hause kehren würde? Daran musste es liegen.

Für einen Moment spürte er etwas Seltsames. Es war, als würde eine Hand seinen Kopf berühren und in diesen dringen, als dringe man sanft mit einer Hand durch die Oberfläche von Wasser. Sofort wehrte er sich und die Hand verschwand. Verwirrt drehte er sich um, suchte die Umgebung ab, dann rieb er sich die Stirn. Ich habe es mir wohl eingebildet. Also widmete er sich erneut dem Thema.

»Langfristige Markierungen schaffen eine temporäre Verbindung zwischen dem Markierten und dessen Markierer. Es kann zu einem Bedürfnis an Nähe führen und einer erhöhten Anziehung. Andere Nebenwirkungen wie ein gesteigertes Verlangen oder Unwohlsein sind eher selten oder treten gar nicht auf.«

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