Kapitel 2

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Die Tür schwang auf und Tao betrat den Raum. Ihre Miene verriet nichts, ihr Blick schweifte umher. Bisher war außer ihr nur Zane - das Oberhaupt des Ostens - anwesend. Dieser hatte schulterlange haselnussbraune Haare und dunkelgrüne Augen. Er trug ein olivgrünes Oberteil mit mehreren grauen Schnallen und eine dunkle Hose. Gelangweilt saß er auf dem Thron, betrachtete seine Finger. Zane war unberechenbar, denn auch wenn er abwesend wirkte, so war er scharfsinnig und intelligent. Er sah Dinge, die andere nicht sahen, fand jede Schwäche, wenn auch nur ein Anzeichen erkennbar war. Er war ein Meister der Beobachtung.

Tao selbst hatte kurze schulterlange Haare und schwarze Augen, welche im Kontrast zu ihrer hellen Haut und den Haaren stand. Sie trug eine hellblaue Robe mit einem goldenen Rosenmuster darauf. Als Oberhaupt des Südens, herrschte sie mit eiserner Hand. Sie war eher der Diplomat, griff eher zu Worten als zu Waffen, auch wenn sie eine Meisterin im Umgang mit der Lanze war. Konzentriert schaute sie sich um, nickte Zane kurz zu, bevor sie sich setzte. Dieser hob nur die Hand. Nach und nach kamen die Oberhäupter des Nordens - Alexys - und des Westens - Keir.

Alexys hatte hellrote Haare und hellgrüne Augen, dazu eine helle Haut. Er war der impulsive unter den Oberhäuptern, der einen guten Kampf vorzog. Seine Schwerttechnik war die beste des Reiches, was ihn zum ungeschlagenen Kämpfer machte. Niemand wagte es, ihn herauszufordern. Er sagte immer, was er dachte, war aber von Grund auf aufrichtig.

Das Gegenteil war Keir. Er war gerissen, nutzte jeden Vorteil, der sich ihm bot. Ihm war die eigene Stellung am wichtigsten und er sah niemanden sich ebenbürtig, tolerierte die anderen Oberhäupter. Meist machte er Ärger, denn sein Egoismus war eine ärgerliche Tatsache. Als er seine Vorgängerin abgelöst hatte, hatte sie schon eine Ahnung gehabt, dass Keir Ärger bedeuten würde. Er hatte graue Haare und dunkelbraune Augen, die einen Blick trugen, der viele auf die Palme brachte. Er nutzte gezielt die Schwächen von anderen, machte vor nichts Halt.

Nun saßen die vier bereit, es fehlte nur noch das Oberhaupt der Mitte - ihr inoffizieller Anführer. Zwar standen sie nach außen alle auf einer Ebene, doch inoffiziell hatte dieser immer die letzte Entscheidungsgewalt. Anders ging es nicht, denn sonst würde nie Einigkeit herrschen. Auf diesem Thron saß der Anführer, welcher mehr Weitblick und Vernunft besaß als sie alle, der stärkste unter ihnen - Lucas.

Als sich die Türen öffneten, standen sie alle auf. Das Oberhaupt der Mitte betrat den Raum. Sie schauten ihm in die eisblauen Augen. Seine schwarzen Haare waren kurz, fielen glatt nach unten. Er trug einen schwarzen Anzug mit roten Knöpfen und einem dunkelroten Oberteil darunter. Wortlos lief er auf den Thron in der Mitte und nahm Platz. „Ich begrüße euch, Brüder und Schwestern", waren die ersten Worte des Oberhaupts.

Sie setzten sich wieder und nickten. Nun waren alle beisammen, die fünf mächtigsten Vampire, die existierten. Der Druck in dem Raum war gewaltig, denn ihre Präsenz nahm den gesamten Raum ein. „Wann fängt es endlich an, ich bin gelangweilt", sagte Zane und schaute zur Decke.

„Sie werden bald hier sein. Reiß dich doch zusammen", erwiderte Alexys genervt. Die beiden hatten mit Abstand das angespannteste Verhältnis von allen. Das Augenrollen von Zane machte es nicht besser.

Gerade, als die beiden erneut einen Streit beginnen wollten, öffneten sich die Türen und sie verstummten. Zwei Diener betraten den Raum. Ein großer breitgebauter Vampir betrat den Raum und trug eine Person in den Armen - das Offering. Der Tierwandler war, wie es Brauch war, bewusstlos und wurde vor ihnen auf ein Podest gelegt. Dieser trug eine weiße Tunika und einen weißen Schleier über dem Gesicht. Sie konnten seinen schmalen Körperbau erkennen und seine langen hellbraunen Haare, die zu einem eleganten Zopf geflochten worden waren.

Wortlos zog sich der Diener zurück, sein Begleiter blieb zurück, sichtlich unwohl. „Raja", sprach er sie mit der respektvollen Anrede als Oberhaupt an. „Hier ist das diesjährige Offering aus dem Volk der Lobo." Mit einer fließenden Bewegung löste er den Schleier und drehte sich um, sodass er das Gesicht des Geschenks nicht sehen konnte. Niemand außer den Oberhäuptern durfte dieses erblicken, so war es der Brauch. Ohne ein weiteres Wort ging auch dieser aus dem Raum.

The Offering ✅️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt